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6. Verhandlungen des Reichsministers der Finanzen mit den Ländern über Finanzfragen.
Der Reichsminister der Finanzen teilte mit, daß er kürzlich mit den Ländern über Finanzfragen eingehend verhandelt habe14. Die Länder hätten im wesentlichen 3 Wünsche:
a)
der Ertrag aus dem Zuschlag zur Einkommensteuer solle nicht ausschließlich beim Reich verbleiben, sondern ebenso wie die Einkommensteuer zwischen Reich und Ländern geteilt werden;
b)
das Reich solle führend in der Kürzung von Beamtengehältern vorangehen;
c)
die Länder verlangten eine alsbaldige Ausschüttung auf die Eisenbahnabfindung15 in Höhe von 70 Millionen RM und beriefen sich hierbei auf eine Zusage des früheren Reichsministers der Finanzen Moldenhauer.
Er, der Reichsminister der Finanzen, habe den Ländern zu verstehen gegeben, daß er persönlich allen 3 Forderungen ablehnend gegenüberstehe. Am leichtesten würden die Länder in der zu a) erwähnten Forderung zu überzeugen sein. Was die Forderung zu b) anlange, so handle es sich nach seiner Ansicht[967] um ein sichtbares Zeichen einer Schwenkung in der gesamten Finanz- und Wirtschaftspolitik der Reichsregierung, wenn die Reichsregierung die Beamtengehälter senke. Natürlich könne die Reichsregierung die Länder nicht hindern, ihrerseits die Beamtengehälter zu senken, wenn die Länder das zum Ausgleich ihrer Etats nötig hätten. Was schließlich die Forderung zu c) anlange, so sehe er sich zu einer Zahlung nicht in der Lage.
Das Reichskabinett stimmte der Auffassung des Reichsministers der Finanzen in den Punkten a), b) und c) ausdrücklich zu.
Der Reichswirtschaftsminister warf die Frage auf, ob es nicht doch notwendig sei, gewisse Beamtenkategorien, die im Vergleich zu einigen Arbeiterkategorien in der Nachkriegszeit übermäßig günstig eingestuft worden seien, allmählich wieder in die richtige Relation zu den betreffenden Arbeiterkategorien zu bringen. Nach seiner Ansicht habe das nichts zu tun mit der grundsätzlichen Wirtschaftspolitik der Reichsregierung.
Der Reichsminister der Finanzen stimmte dieser Auffassung zu.
Der Reichsarbeitsminister warf die Frage auf, ob nicht eine Kürzung der Beamtengehälter dann möglich und sogar notwendig sei, wenn man die Arbeitszeit der Beamten verkürze.
Der Reichspost- und Reichsverkehrsminister wies darauf hin, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit der Beamten in seinen Ressorts unmöglich sei.
Der Reichsminister der Finanzen erklärte, er erblicke eine grundsätzliche Gefahr für das gesamte Berufsbeamtentum in der Verkürzung der Arbeitszeit. Man müsse davon ausgehen, daß der Beamte seine ganze Kraft dem Staat zur Verfügung zu stellen habe.
Der Reichskanzler stimmte dieser Auffassung in vollem Umfange zu.