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3. Vorbereitung eines Aufbauprogramms.
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei führte aus, daß der Reichskanzler auf baldige Förderung der Probleme der Siedlung, des freiwilligen Arbeitsdienstes, der Arbeitsbeschaffung und der Verwaltungsreform besonderes Gewicht lege25.
[106] a) Siedlung.
Der Reichsarbeitsminister bat, von endgültiger Entscheidung abzusehen, bevor die Ressortbesprechungen über die Zuständigkeit für das Siedlungswesen abgeschlossen seien.
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte sich unter Hinweis auf den Kabinettsbeschluß vom 3. Juni betr. Übertragung der Zuständigkeit in Siedlungssachen26 mit einer Vertagung der Angelegenheit einverstanden.
b) Arbeitsdienst.
Der Reichsminister des Innern bat im Namen des Reichskanzlers um möglichst beschleunigte Vorbereitung der Entscheidungen über die Fortsetzung der Siedlung, über den Arbeitsdienst, die Arbeitsbeschaffung und die Verwaltungsreform. Er bat insbesondere bei dem Arbeitsdienst um Beteiligung seines Ressorts.
Der Reichswehrminister schlug vor, daß der Arbeitsdienst in einer Chefbesprechung des Reichsministers des Innern, des Reichsarbeitsministers und des Reichswehrministers behandelt werden möchte. Der freiwillige Arbeitsdienst zeige einen guten Fortgang. Seine Fortsetzung sei im wesentlichen eine Geldfrage. Es werde zweckmäßig sein, Sachverständige zu den Beratungen zuzuziehen, so den General Faupel und den Oberst Hierl.
Die Frage der Arbeitsdienstpflicht müßte besonders behandelt werden. Auch hierzu seien Sachverständige zuzuziehen. Der Wehrsport müsse vom Arbeitsdienst grundsätzlich getrennt gehalten werden.
Auch der Reichsarbeitsminister sprach sich dafür aus, daß die Vorarbeiten so schnell wie möglich abgeschlossen würden, zunächst für den freiwilligen Arbeitsdienst, der dem Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung unterstellt werden möchte. Die Wirtschaft würde bereits mißtrauisch; sie fürchte, daß der Arbeiterschaft Beschäftigungsmöglichkeiten durch den freiwilligen Arbeitsdienst weggenommen würden. Es werde aber wohl möglich sein, bis zu 150 000 Personen im freiwilligen Arbeitsdienst zu beschäftigen27.
c) Arbeitsbeschaffung.
Der Reichsarbeitsminister berichtete, daß die Arbeiten wegen der Arbeitsbeschaffung abgeschlossen seien. Es handele sich nur noch darum, daß das Reichsfinanzministerium die zur Finanzierung erforderlichen Erklärungen abgebe.
Der Reichswirtschaftsminister hielt es für notwendig, in diesem Zusammenhange in der Presse gegen die Prämienanleihe Stellung zu nehmen, da der Reichsregierung der Vorwurf gemacht werde, daß sie sich dieses Mittels der Arbeitsbeschaffung nicht bediene.
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bat um Beteiligung,[107] insbesondere wegen der Meliorationen und der Herstellung von Loggern für die Hochseefischerei.
Ministerialdirektor Posse erklärte sich für das Reichswirtschaftsministerium mit den bisher vorliegenden Vorschlägen einverstanden28.
d) Über die Verwaltungsvereinfachung berichtete Staatssekretär Dr. Zarden, daß die Ressorts zur Einreichung von Vorschlägen vom Reichsfinanzministerium aufgefordert worden seien. Er hoffe in 8 bis 10 Tagen präzise Vorschläge machen zu können29.
Auf Fragen aus dem Reichskabinett erwiderte der Staatssekretär in der Reichskanzlei der Reichskommissar für Preisüberwachung30 habe wahrscheinlich inzwischen den Brief des Reichskanzlers aus Lausanne erhalten, daß dieser das Amt des Reichskommissars für Preisüberwachung mit dem 30. Juni für abgeschlossen betrachte31.
Fußnoten
- 29
Der RFM hatte schon am 8. 6. an den RSparKom. geschrieben: Die RReg. beabsichtige, „in allernächster Zeit die Frage einer weitgreifenden Verwaltungsreform sowohl im Reiche als auch zwischen Reich und Ländern aufzugreifen“. Er bitte daher um „baldmögliche Übersendung von stichwortartigen Vorschlägen hierzu“. Saemisch legte daraufhin am 17. 6. und – in etwas geänderter Fassung – am 30. 7. eine entsprechende Ausarbeitung vor. Eine diesen Vorschlägen teilweise Rechnung tragende Kabinettsvorlage konnte der zuständige RIM erst am 22.9.32 einbringen (R 43 I/1953, Bl. 80–99, 190–212, 275–281). Zur Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 161, P. 3.
- 30
Goerdeler.
- 31
Der RK hatte mit Schreiben an Goerdeler vom 16. 6. die Überlegungen der RReg. in dieser Frage eingehend dargelegt und insbesondere darauf hingewiesen, daß die Preissenkungsmaßnahmen auf Grund der VO vom 8.12.31 (RGBl. I, S. 699) bis zum 30.6.32 befristet seien. „Eine Verlängerung der Frist ist nicht beabsichtigt, wenngleich unbedingt daran festgehalten werden muß, daß auch künftig Preisfestsetzungen, die das Gemeinwohl oder die Interessen der Gesamtwirtschaft verletzen, nach Maßgabe der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930 über die Verhütung unwirtschaftlicher Preisbindungen [RGBl. I, S. 317] zu bekämpfen sind.“ (R 43 I/1163, Bl. 190–192). Dennoch verzögerte sich die Entlassung Goerdelers bis zum Jahresende. Goerdeler selbst bat den RK am 15. 8. um eine „endgültige Entscheidung“ über sein Verbleiben im Amt des Preiskommissars und wiederholte diese Bitte am 8. 9., wobei er betonte, daß für ihn eine Fortsetzung seiner Tätigkeit nur in Betracht kommen könne „bei einer wirklichen Beteiligung an verantwortlichen Entschließungen“ (ebd., Bl. 207–208, 212). – Die Amtsentbindung Goerdelers erfolgte schließlich durch Urkunde Hindenburgs vom 16.12.32 (ebd., Bl. 227). Das Reichskommissariat für Preisüberwachung wurde daraufhin gemäß VO des RPräs. vom 23.12.32 (RGBl. I, S. 572) dem RWiM unterstellt, der am 28.12.32 den MinDir. Heintze mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskommissariats beauftragte (R 43 I/1163, Bl. 247).