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9. Außerhalb der Tagesordnung: Verhältnis der Reichsregierung zur deutschen allgemeinen Zeitung.
Reichsminister Groener berichtete, daß sich die Deutsche Allgemeine Zeitung [D.A.Z.] gegen die Aufnahme verschiedener Artikel ablehnend verhalten hätte. Es bestände aber ein Vertrag mit ihr, der vom Jahre 1918 ab auf 20 Jahre liefe und der die Reichseisenbahnverwaltung verpflichte, jährlich 4300 Exemplare zu beziehen. Wegen der Schwierigkeit, die er mit der Deutschen Allgemeinen Zeitung habe, wolle er versuchen, den Vertrag aufzuheben7. Es frage[460] sich jedoch, ob es im Interesse der Gesamtpolitik liege, den Kampf mit der D.A.Z. jetzt aufzunehmen.
Reichskanzler Dr. Wirth hält eine allgemeine Aussprache über die Beziehung der Regierung zur Presse für erforderlich und kündigte an, daß er zu einer besonderen Chefbesprechung hierüber eingeladen werde8. Er forderte den Reichsverkehrsminister und den Pressechef auf, miteinander Fühlung zu nehmen und in der Chefbesprechung über die Frage zu referieren.
Fußnoten
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In seinem diesbezüglichen Schreiben an die Deutsche Allgemeine Korrespondenz vom 19.12.21 führte der RVM u. a. aus: „Die seinerzeit eingegangene Verpflichtung zum Bezuge der Zeitung beruhte auf der damaligen Haltung der Deutschen Allgemeinen Zeitung und der in ihr begründeten Annahme, daß das Eisenbahnpersonal durch das Lesen der Zeitung über die Absichten der Reichsregierung und insbesondere der eigenen Verwaltung genau und zuversichtlich instruiert werden würde. Die Haltung, welche die DAZ in der z. Z. schwebenden Entstaatlichungsfrage einnimmt, und die, wie ich anerkenne, offen vertreten wird, steht mit der von mir vertretenen Auffassung und mit den von mir dem Personal gegebenen Richtlinien im Widerspruch. Während Nachrichten, die eine Entstaatlichung der Reichsbahn befürworten, an möglichst auffälliger Stelle erscheinen, werden meine Mitteilungen an die Presse z. T. nur verkürzt oder überhaupt nicht wiedergegeben. […] Aus diesem Grunde bin ich zu meinem Bedauern nicht mehr in der Lage, vom 1. 1. n. J. ab den Bezug der 4300 Stück Ihrer Zeitung fortzusetzen.“ (R 43 I/2469, Bl. 255). In einem ausführlichen Schreiben vom 28.12.21 an den RVM weist die Deutsche Allgemeine Korrespondenz die vom RVM erhobenen Vorwürfe zurück und teilt mit, daß sie, wie im Vertrag vorgesehen, die Exemplare weiter liefern und der Zahlung der Abonnementsgebühr entgegensehen werde. Am 3.1.22 teilt der Verlag der DAZ mit: „Inzwischen wird uns vom Postzeitungsamt mitgeteilt, daß eine Reihe Eisenbahnbehörden auf Grund einer ergangenen Verfügung des Herrn RVM die Annahme der DAZ verweigern. Da unter diesen Umständen das Postzeitungsamt die weitere Beförderung dieser Exemplare ablehnt, mußten wir die Lieferung zunächst einstellen. In dieser uns aufgezwungenen Maßnahme liegt, wie wir feststellen möchten, keinerlei Anerkennung der erfolgten Abbestellung. Wir behalten uns auch in dieser Hinsicht unsere Ansprüche in vollem Umfange vor.“ (R 43 I/2469, Bl. 262-265).
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In R 43 I nicht ermittelt.