Text
2. Oberschlesien.
Reichsminister Dr. Rosen berichtet eingehend über die Lage4.
Legationsrat v. Richthofen berichtet gleichfalls über die Lage und Stimmung in Oberschlesien.
[75] Nach längerer Besprechung, an der sich die Minister Dr. Rosen, Schiffer, Dr. Gradnauer und Dr. Rathenau beteiligen, wird beschlossen:
1. Die Regierung soll am Montag, den 20. Juni die Parteiführer über die Lage in Oberschlesien unterrichten5.
2. Es soll eine aufklärende Schrift über Oberschlesien verbreitet werden6. Der Reichsminister des Auswärtigen soll hierzu das Weitere veranlassen.
Fußnoten
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Der anläßlich der Insurgentenaufstände gebildete „Zwölferausschuß“ (Mitglieder s. Hoefer, Oberschlesien S. 248), ein Organ, das am 24. Mai von Vertretern sämtlicher Parteien und gewerkschaftlicher Organisation in Oberglogau zur Vertretung der dt. Interessen gegenüber der IAK gebildet worden war, hatte sich am 17.6.21 mit folgendem Schreiben an die MinPräs. Lloyd George, Briand und Giolotti gewandt: „In der Nacht zum 3. Mai 1921 ist in Oberschlesien ein neuer, bis in die geringste Einzelheit planmäßig vorbereiteter polnischer Aufstand ausgebrochen. Heute, sechs Wochen nach Beginn des Aufstandes, stellen wir die tatsächliche Lage fest: In den Machtbereich des französischen Generals Le Comte Denis sind mit seiner Zustimmung die wichtigsten Bahnhöfe: Beuthen am 26. Mai, Tarnowitz am 31. Mai, Kattowitz am 4. Juni den Insurgenten ausgeliefert worden. Die Aufständischen benutzen die Eisenbahnlinien zum Transport von Truppen und Kriegsgerät. Der Aufstand richtet sich gegen die IAK. Trotzdem haben französische Stellen der IAK durch die Auslieferung der genannten Bahnhöfe den Aufstand unterstützt. Die Rebellen führen mit geraubten deutschen Lokomotiven und Eisenbahnwagen aus den oberschlesischen Gruben geförderte Steinkohlen nach Polen. Die IAK ist verantwortlich für das ihr zu treuen Händen anvertraute Abstimmungsgebiet. Sie hat weder gegen den Raub der Verkehrsmittel, noch gegen den unrechtmäßigen Abtransport der Kohlen etwas unternommen. Seit dem 3. Mai ist das Wirtschaftsleben in Oberschlesien gelähmt. Niemals ist die wirtschaftliche Abhängigkeit Oberschlesiens von Deutschland und seine unlösbare Verbindung mit Deutschland augenfälliger bewiesen worden. Für die Gruben und Hütten fehlen die erforderlichen Materialien, die Reserveteile, Schmiermaterial, Sprengstoffe und Zement. Den Hütten fehlen die Rohstoffe. Für die Produktion fehlen die Absatzmärkte und die Aufträge. So droht den Gruben und Hütten völlige Stillegung und mehr als 200 000 Arbeitern Erwerbslosigkeit. Auf das schärfste betroffen ist auch die oberschlesische Landwirtschaft. Abgesehen von der Entziehung von Arbeitskräften haben die Insurgenten rücksichtslos die für den Betrieb notwendigen Zugtiere und Wagen fortgenommen, große Mengen Zugvieh abgeschlachtet und dadurch die Ernährung Oberschlesiens durch lange Zeit auf das ernsteste geschädigt. Heute, sechs Wochen nach Beginn des Aufstandes, organisiert Korfanty eine Miliz. Er läßt zwangsweise Oberschlesier, auch deutschgesinnte, zum Waffendienst ausheben. Die von der IAK eingesetzte Zensurstelle duldet die Veröffentlichung dieser Verordnungen in der polnischen Presse. Zur Finanzierung des Aufstandes haben die Insurgenten eine besondere Steuer ausgeschrieben und die Zahlung der gesetzlichen Steuern an die rechtmäßigen Behörden verboten. Die interalliierte Zensurstelle hat keine Veranlassung gefunden, die Veröffentlichung dieser Anordnung zu verhindern. Uns ist nichts davon bekannt geworden, daß die IAK auch nur in einem einzigen Falle die ihrer Autorität hohnsprechenden Verordnungen der Insurgenten öffentlich als für die Bevölkerung unverbindlich bezeichnet hat. Tausende von gefährdeten Menschen sind in die Städte geflüchtet. Die IAK hat die Sorge für den Unterhalt, die Unterbringung und die Verpflegung ausschließlich der deutschen Bevölkerung überlassen und sich nicht im geringsten um die Not dieser Unglücklichen gekümmert. […] Wir geben den leitenden Staatsmännern der für Oberschlesien verantwortlichen Mächte von diesen Zuständen Kenntnis, damit sie die IAK anweisen, endlich in dem gequälten Oberschlesien Recht und Gesetz wiederherzustellen.“ (Karl Hoefer, Oberschlesien, S. 321).
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Sitzungsprotokoll in R 43 I nicht ermittelt; die Sitzung ist auch in R 43 I/1346, Bl. 75 (Inhaltsangaben von Kabinettsprotokollen) nicht vermerkt.
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Das AA übersandte ohne Anschreiben am 1.7.1921 je 50 Exemplare einer Aufklärungsschrift in engl. und frz. Sprache über Oberschlesien sowie einen vierseitigen dt. Druck: „Tatsachen über den polnischen Aufstand in Oberschlesien. Mai – Juni 1921“ (alles in R 43 I/356, Bl. 102-158).