1.101.4 (mu22p): Einfuhrscheine.

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Einfuhrscheine.

Zur Frage der Wertbemessung der Einfuhrscheine führte der Reichsminister der Finanzen aus, es sei zur Eindämmung der Einfuhr von Weizen erwünscht, wenn der Wert der Einfuhrscheine unter der Zollhöhe bleibe7. 5,50 M für Weizen und 5,– M für die übrigen Getreidesorten würden ausreichen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sprach sich für die Schaffung eines einheitlichen Einfuhrscheines für sämtliche Getreidearten aus. Diese sei möglich, wenn die Roggenfrage gelöst würde. Hierzu müsse der Versuch gemacht werden, die Verfütterung von Roggen in großem Ausmaße zu steigern. Während 3 Millionen Tonnen Mais und Gerste jährlich eingeführt würden, müsse der deutsche Roggen im Auslande verschleudert werden. Die dänische Schweinemast und Vieherzeugung würden so unterstützt, die mit Deutschland in schärfstem Wettbewerb ständen.

[1168] Es werde der Versuch gemacht, mit dem polnischen Einfuhrsyndikat zu Vereinbarungen zu kommen. Es solle nur mit Deutschland gemeinsam Roggen ausführen. Zunächst werde Deutschland ihm 20 000 Tonnen abnehmen, wenn es sich verpflichte, in den nächsten Wochen keinen Roggen mehr zu exportieren. Einheitliches Vorgehen auf den Auslandsmärkten sei aber nur möglich, wenn der deutsche Roggen-Export kartelliert würde. Der Handel müsse sich damit abfinden.

Weiter käme in Frage, große Vorräte von Roggen aufzukaufen und einzulagern. Die Getreide-Handelsgesellschaft und der Scheuerkonzern würden das hierzu erforderliche Geld aufbringen, wenn das Reich ihnen bis zu 25 M für die Tonne Garantie leisten würde. Insgesamt käme zunächst eine Garantiesumme in Höhe von 7,25 Millionen RM in Betracht8. Der Aufkauf wäre auch zur Durchführung des Verfütterungsplanes erwünscht. Es sei zu hoffen, daß sich in etwa zwei Wochen eine Steigerung des Roggenpreises auf 190,– M ergeben würde. Dadurch würden auch die Auseinandersetzungen im Reichstag über die Agrarfragen an Schärfe verlieren.

Der Reichsminister der Finanzen hielt die Roggenstützung für aussichtsreich, wenn es gelinge, mit Polen über die Ausfuhr Vereinbarungen zu treffen. Deutschland müsse dann ebenfalls ein Export-Syndikat gründen. Hierzu werde ein Gesetz erforderlich sein. Die Getreide-Handelsgesellschaft und der Scheuerkonzern würden dieses Syndikat bilden können, der Handel müsse bis zu einem gewissen Grade beteiligt werden, wie auch der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft unter Hinweis auf den Kampfmeyer-Konzern9 zugebe. Die Getreide-Handelsgesellschaft würde die Einzahlungen auf das Aktienkapital erhöhen müssen, die bisher erst in Höhe von 25% erfolgt seien. Wie weit über die 7,25 Millionen hinaus Garantie geleistet werden müsse, lasse sich noch nicht übersehen. Er behalte sich nähere Vorschläge für die Etatsberatungen vor.

Vielleicht könne die Regelung bereits im Handelsabkommen mit Polen getroffen werden.

Hierzu erklärte der Reichsminister des Auswärtigen er werde feststellen lassen, ob das möglich wäre. Neue Schwierigkeiten müßten allerdings vermieden werden. Es bestehe ein dringendes Interesse daran, daß der Handelsvertrag bald geschlossen würde, er solle drei Jahre gelten. Daß der Vertrag über die Roggen-Ausfuhr für die gleiche Zeit in Kraft bleiben solle, sei bei der Unsicherheit der Entwicklung bedenklich.

Auch der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt es für zweckmäßig, wegen der Roggenausfuhr einen besonderen Vertrag mit Polen abzuschließen.

[1169] Auf die Frage des Reichsverkehrsministers, ob bei den vorgeschlagenen Regelungen Spekulationen und Schiebungen verhindert werden könnten, sprach er sich dahin aus, daß bei einer gleichmäßig niedrigen Festsetzung der Einfuhrscheine diese Gefahr verhältnismäßig gering sei. An sich werde es wohl möglich sein, gefärbten Weizen zu kaufen und den eigenen nicht gefärbten zu verkaufen. Der Preisunterschied werde aber wegen der weiten Transportwege nicht besonders groß sein.

Der Reichsminister der Finanzen wies noch darauf hin, daß sich aus dem Handelsabkommen Bedenken dagegen ergäben, daß dem Export-Syndikat allein Einfuhrscheine gegeben würden. Dies würde die Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern berühren. Deswegen sei es wohl zweckmäßiger, keine Einfuhrscheine auszustellen, sondern die entsprechenden Geldbeträge dem Export-Syndikat unmittelbar zuzuführen.

Das Kabinett beschloß hierauf:

3.

Die Getreidezölle sollen beweglich gestaltet10,

4.

die Einfuhrscheine für Getreide nach den niedrigsten im Tarif vorgesehenen Zollsätzen berechnet werden11. (Siehe jedoch Ziff. 10.)

Die näheren Bestimmungen über die gleitenden Getreidezölle, das Verfahren zur Festsetzung der Zollhöhe und die Einheiten wegen der Einfuhrscheine werden weiterer Beschlußfassung durch das Kabinett vorbehalten12.

5.

Für die Ausfuhr von Roggen soll ein Zwangs-Syndikat unter angemessener Beteiligung des Handels geschaffen werden.

6.

Ob eine Vereinbarung über den Roggen-Export mit Polen im Handelsvertrage oder in einem Sonderabkommen getroffen werden soll, wird geprüft werden.

7.

Der Zoll für Futtergerste wird auf 5 RM erhöht. Der Zoll beträgt bei Nachweis des Bezuges von gekennzeichnetem Roggen nach näherer Bestimmung der Reichsregierung 2 RM.

8.

Zur Verbilligung des Transportes von Roggen für die Viehfütterung werden bis zu 20 Millionen RM aus Reichsmitteln zur Verfügung gestellt.

9.

Das Reich leistet eine Garantie von 7,25 Millionen RM zur Ermöglichung des Aufkaufs und der Einlagerung von Roggen.

Fußnoten

7

Die Einrichtung von Einfuhrscheinen besteht seit 1894. Sie berechtigte nach der Zollnovelle von 1925 den Exporteur bestimmtes Getreide in einer dem Zollschein entsprechenden Menge wieder zu importieren, ohne Zoll zu entrichten. Der Zollsatz war in dieser Novelle nach dem niedrigsten Wert der Waren festgelegt worden (VO vom 3.9.25, RGBl. I, S. 331  f. und Artikel 2 des Gesetzes über Zolländerungen vom 15.7.27, RGBl. I, S. 180  f.).

8

Zu dieser Summe erklärte der REM in seiner Vorlage vom 19. 11.: „Die Aufbringung dieser 7,25 Mio RM wäre dann nicht erforderlich, wenn auf den der Getreide-Handels-Gesellschaft zur Verfügung gestellten Reichskredit zurückgegriffen werden würde, was aber nur unter der Voraussetzung geschehen könnte, daß bei der Inanspruchnahme der Garantie der Herr RFM sich bereit erklärt, den in Anspruch genommenen Teil der 7,25 Mio RM der Getreide-Handels-Gesellschaft wieder zur Verfügung zu stellen“ (R 43 I /2420 , Bl. 256-262, hier: Bl. 256-262).

9

Mühlen und Getreidehandlung in Berlin und Potsam.

10

Der RWiR sprach sich mit 15 gegen 11 Stimmen gegen die Gleitzölle aus und verlangte festen Zoll von 9 RM für Roggen, Gerste und Hafer und von 11 RM für Weizen und Spelz bis zum 31.7.30. „Für die gleitenden Zölle scheint auch im RT keine Stimmung zu herrschen. Die Bedenken, die dagegen sprechen, sind beachtlich. Sie traten im Vorläufigen RWiR eindringlich in Erscheinung. Das Getreidehandelsgeschäft ist seinem Wesen nach bereits stark spekulativ; wenn dieses Moment noch durch Gleitzölle gestärkt wird, so liegt das weder im Interesse der Erzeuger noch des Handels, der sich besonders entschieden gegen die gleitenden Zölle aussprach“ (Vermerk Feßlers vom 9. 12.; R 43 I /2420 , Bl. 286 f., hier: Bl. 286 f.).

11

Der RR beschloß am 12. 12. den Wert der Einfuhrscheine für Roggen und Hafer auf 6 RM, für Weizen und Spelz auf 6,50 RM festzusetzen. Sinke der Zoll auf 5 bzw. 5,50 RM, solle der Wert des Einfuhrscheins entsprechend verringert werden (Vermerk Feßlers vom 14. 12.; R 43 I /2420 , Bl. 296, hier: Bl. 296).

12

Siehe Dok. Nr. 417, P. 2.

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