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1. Berufung der deutschen Saardelegation.
Ministerialdirektor Köpke schlug Staatssekretär von Simson als Führer der deutschen Delegation für die Verhandlungen mit der Französischen Regierung wegen der Freigabe des Saargebietes vor1. Die Delegation solle sich aus Vertretern der zuständigen Ressorts und Preußens sowie Vertretern der Bayerischen Regierung zusammensetzen und zunächst möglichst klein gehalten sein, da die Franzosen ihre Delegation ebenfalls nicht stark besetzen wollten. Die deutsche Botschaft solle angewiesen werden, von der französischen Regierung zu verlangen, daß ihre Delegation der deutschen gleichwertig zusammengesetzt werde.
Vor Aufnahme der Verhandlungen solle die deutsche Delegation mit den Gewerkschaften im Saargebiet Fühlung nehmen. Wieweit Vertreter der Saarbevölkerung zu den Verhandlungen selbst hinzugezogen werden sollten, müsse der Entscheidung des Delegationsführers überlassen bleiben.
Der Delegation solle ein Vertreter der Presseabteilung der Reichsregierung beigegeben werden, der für ausgiebige Unterrichtung der Presse und Einflußnahme auf sie zu sorgen habe.
Staatssekretär Weismann erklärte, Preußen sei mit der Wahl von Staatssekretär von Simson als Delegationsführer einverstanden, obwohl grundsätzlich dagegen Bedenken beständen, eine Persönlichkeit mit wichtigen Missionen dieser Art zu betrauen, der aus dem öffentlichen Dienste ausgeschieden sei, um eine einträgliche Privatstellung zu übernehmen2.
Als Vertreter des Delegationsleiters schlage Preußen den Regierungspräsident Saaßen in Trier vor, der mit den saarländischen Verhältnissen bestens vertraut sei.
[919] Der Reichsminister der Justiz erklärte sich mit beiden Vorschlägen einverstanden. Er hielt es für nötig, daß das Reichsministerium für die besetzten Gebiete von vornherein in der Delegation vertreten sei. Gerade für die Saarverhandlungen sei es erforderlich, Persönlichkeiten auszuwählen, denen die besonderen örtlichen Verhältnisse bestens bekannt seien.
Nachdem auch der Reichsarbeitsminister der Reichsverkehrsminister und der Reichsminister des Innern erklärt hatten, daß ihre Ressorts bei den Verhandlungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit beteiligt werden müßten, schlug Staatssekretär Dr. Pünder vor, in Anlehnung an die bisherige Übung zunächst nur Vertreter des Auswärtigen Amts, des Ministeriums für die besetzten Gebiete, des Reichsfinanzministeriums und des Reichswirtschaftsministeriums in die Delegation abzuordnen. Die Vertreter der anderen Ressorts sollten benannt und vom Delegationsleiter nach Bedarf hinzugezogen werden.
Hierfür sprachen sich der Reichspostminister sowie die Ministerialdirektoren Köpke und Schäffer aus.
Nach eingehenden Verhandlungen stellte der Vorsitzende fest, daß das Kabinett mit der Ernennung des Staatssekretärs a. D. von Simson zum Leiter der deutschen Delegation für die Verhandlungen mit der französischen Regierung wegen der Saarräumung einverstanden ist. Staatssekretär von Simson soll zu einer Kabinettssitzung zur Entgegennahme der wesentlichen Richtlinien für die Verhandlungen geladen werden. In der Delegation werden zunächst nur das Auswärtige Amt, das Reichsministerium für die besetzten Gebiete, das Reichsfinanzministerium und das Reichswirtschaftsministerium vertreten sein. Die anderen Ressorts benennen ihre Vertreter und werden nach Bedarf zu den Verhandlungen hinzugezogen.
Das Kabinett nahm davon Kenntnis, daß Preußen den Regierungspräsidenten von Trier, Saaßen, für die Saarverhandlungen benennt und beantragt, ihn zum Stellvertreter des Delegationsleiters zu bestimmen. Auf Vorschlag des Vertreters des Auswärtigen Amts bleibt die Frage der Vertretung des Delegationsleiters der Delegation überlassen3. Gegen die Benennung von Vertretern des Preußischen Ministeriums des Innern, des Preußischen Finanzministeriums und des Preußischen Handelsministeriums wurden keine Bedenken geltend gemacht.
Das Auswärtige Amt wird Bayern auffordern, auch seinerseits Mitglieder für die Delegation zu benennen.
Über den Beschluß wird eine Pressenotiz veröffentlicht werden.
Fußnoten
- 1
Der Vorschlag ging auf ein Telegramm des RAM zurück, in dem dieser erklärt hatte, es sei „dringend notwendig“, die dt. Saardelegation zu bilden. Für die Führung halte er StS Simson für „sehr geeignet“, da v. Hoesch die Führung nicht übernehmen wolle, um „nötigenfalls als höhere Instanz helfend einzugreifen“. MinDir. Posse werde als Leiter der Delegation den Verhandlungen einen „rein wirtschaftlichen Stempel“ aufdrücken. Es sei ihm aber nicht zuzumuten, unter der Führung des Vortr.LegR v. Friedberg an den Verhandlungen teilzunehmen (Telegramm Nr. 38 vom 7. 9. aus Genf; R 43 I/246, Bl. 114-116, hier: Bl. 114-116).
- 2
StS v. Simson war 1922 aus dem AA ausgeschieden und in den Vorstand der Anilinfarben A. G. in Berlin eingetreten.
- 3
Der Satz wurde auf Wunsch des AA eingefügt (Vermerke der Rkei vom 19. und 29. 9.; R 43 I/246, Bl. 150 f., hier: Bl. 150 f.). Falls Simson zur Führung der Delegation bereit sei, hatte Stresemann telegrafiert, „würden v. Friedberg, Posse und die beteiligten anderen Ressortvertreter paritätisch unter ihm an den Verhandlungen teilzunehmen haben“ (Telegramm Nr. 38 vom 7. 9.; R 43 I/246, Bl. 114-116, hier: Bl. 114-116).