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5. Gemeindearbeiterlohn-Konflikt.
Der Reichsarbeitsminister berichtete über den Verlauf der unter seinem Vorsitz geführten Verhandlungen zur Beilegung des Konfliktes über die Senkung der Gemeindearbeiterlöhne17 auf Grund der Bestimmungen der Notverordnung vom 5. Juni 1931, Zweiter Teil, Kapitel 1, § 7, Ziffer 418. Er erklärte, daß er sich zu diesen Verhandlungen nur auf ausdrücklichen Wunsch der Arbeitgeberseite bereit erklärt habe. Nachdem der Preußische Minister des Innern den Parteien erklärt hatte, daß die Reichsregierung zu einer Änderung der Bestimmungen der Notverordnung nicht in der Lage sei, habe er den Parteien im Rahmen der Bestimmungen der Notverordnung einen Vorschlag gemacht, für dessen Annahme er den Parteien eine Erklärungsfrist bis Mittwoch, den 19. August, nachmittags, gesetzt habe. In diesem Stadium der Verhandlungen habe sich der Vorstand der Sozialdemokratischen Fraktion eingeschaltet und habe durch Vermittlung des Herrn Reichskanzlers eine Verlängerung der Erklärungsfrist mit der Begründung erbeten, daß ein für beide Teile annehmbarer Kompromißvorschlag in Vorbereitung sei19. Daraufhin sei die Fristverlängerung erfolgt. Der Kompromißvorschlag, auf den die Parteien sich sodann in den weiteren Verhandlungen am 21. August grundsätzlich geeinigt hätten, sehe vor, daß die Löhne der Gemeindearbeiter zunächst nur um 4% gekürzt werden sollen, und daß gleichzeitig die Frauenzulage beseitigt werde. Eine weitere Kürzung solle am 1. November folgen, d. h. zu dem Zeitpunkt, an dem die Kürzung der Bezüge der Reichsarbeiter in Kraft tritt. Die endgültige Angleichung der Gemeindearbeiterbezüge an die entsprechenden Bezüge der Reichsarbeiter werde in einer noch späteren Etappe erfolgen müssen. Über diese letzte Etappe seien feste Vereinbarungen noch nicht vorgesehen. Dieser Kompromißvorschlag umfasse nicht nur die Gemeindearbeiter, von denen in der Notverordnung vom 5. Juni die Rede sei, sie einbeziehe vielmehr darüber hinaus auch die von der Notverordnung nicht erfaßten Arbeiter der sogenannten gemischten Betriebe. Infolgedessen sei die durch das Kompromiß erzielte finanzielle Entlastung der Gemeinden im Endeffekt gleich groß wie die bei restloser Durchführung der Notverordnung eintretende Ersparnis. Die Arbeitgeberseite habe daher an den Reichsminister der Finanzen einen Brief geschrieben, indem sie der Reichsregierung empfehle, das Ergebnis der Verhandlungen[1612] als Erfüllung der Vorschrift des § 7 Abs. 4 anzuerkennen. Die Zustimmung zu dem Kompromißvorschlag sei die einzige Möglichkeit einer friedlichen Verständigung in der Sache gewesen. Sie habe erklärt werden müssen, um wirtschaftliche Schwierigkeiten zu vermeiden20.
Der Reichsminister der Finanzen nahm von dieser Erklärung Kenntnis.