2.110.1 (ma11p): [Parlamentarische Lage.]

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[Parlamentarische Lage.]

Der Reichskanzler teilte die Auffassung der Regierung mit auf Grund der Beschlüsse der letzten Ministerbesprechung1 und bezeichnete diejenigen Notverordnungen, welche von der Reichsregierung als unantastbar betrachtet würden.

Abgeordneter Spahn wies darauf hin, daß in der Tat bereits mehrere Anträge auf Aufhebung und Initiativanträge auf Abänderung von Notverordnungen, die auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erfolgt seien, dem Reichstage vorlägen.

Abgeordneter Scholz äußerte die Auffassung, daß die Regierung zu Beginn der Tagung eine klar abgefaßte Erklärung zum Ermächtigungsgesetz abgeben müsse, um auf diese Weise eine Kundgebung des Vertrauens oder Mißtrauens von seiten des Reichstags unter allen Umständen zu provozieren. Eine solche Haltung der Regierung sei erforderlich, um für sich das Gesetz des Handelns zu wahren; im übrigen habe auch der Ältestenrat sich für eine solche Erklärung ausgesprochen. Er glaube zwar nicht, daß für ein Mißtrauensvotum die genügende Stimmenzahl sich finden würde, das Aufwerfen der Vertrauensfrage würde jedoch in genereller Hinsicht zu einer Klärung und zugleich Festigung des Standpunktes der Regierung beitragen.

Der Abgeordnete Erkelenz führte aus, daß seine Partei eine Vertrauenskundgebung nicht für erforderlich halte. Auch sie sei genötigt, gewisse Anträge zu Notverordnungen zu stellen, und es müsse Gelegenheit zur Behandlung derselben geboten werden.

[380] Der Abgeordnete Fischer bestätigte die Ausführungen des Vorredners und wies auf die Bereitschaft seiner Partei hin, die dritte Steuernotverordnung nicht nur mit Abänderungsanträgen zu verschonen, sondern auf Wunsch sogar durch Annahme im Plenum mit der Autorität der Reichstagsmehrheit auszustatten.

Der Abgeordnete Fehrenbach äußerte sich ebenfalls gegen eine Kundgebung des Vertrauens oder Mißtrauens. Es müsse jedoch dem Reichstag Gelegenheit gegeben werden, zu den vorliegenden Anträgen in Bezug auf die Notverordnungen sich auszusprechen. In manchen Fragen könne man durchaus anderer Meinung sein wie die Regierung, ohne daß hieraus sich mit Notwendigkeit ein Konflikt ergäbe.

Der Abgeordnete Scholz führte aus, daß von der Haltung der Regierung das Schicksal der Parteien bei den Wahlen abhänge. Es komme auf eine starke sichere Hand an. Die Opposition werde ein Mißtrauensvotum nicht riskieren, daher könne man unbedenklich die Vertrauensfrage stellen.

Der Abgeordnete Fischer äußerte Sorge um die wirtschaftliche Entwickelung bei einer Hinausschiebung der Wahlen auf längere Zeit. Es sei daher erwünscht, die Wahlen so schnell als möglich stattfinden zu lassen.

Der Abgeordnete Spahn äußerte Bedenken gegen eine baldige Auflösung; man müsse die Entwicklung der Dinge erst abwarten.

Der Reichskanzler stellte Übereinstimmung zwischen der Reichsregierung und den Regierungsparteien dahin fest, daß eine Regierungserklärung vorzubereiten sei und nach Bedarf zu verwenden. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Wahlen müsse man die Stellungnahme der übrigen Parteien erst abwarten.

Fußnoten

1

Gemeint ist offenbar die Kabinettssitzung vom 18. 2. (Dok. Nr. 107, P. 2).

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