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1. Pensionskürzungsgesetz.
Der Reichsminister der Finanzen erläuterte die Grundzüge des den Kabinettsmitgliedern vorliegenden Entwurfs eines Pensionskürzungsgesetzes und empfahl dringend dessen alsbaldige Verabschiedung durch das Reichskabinett1. Er unterschied zwei Abschnitte des Gesetzes, nämlich Abschnitt I, der von der Kürzung des Ruhegeldes bei Privatarbeitsverdienst handelt, und Abschnitt II, betreffend Höchstruhegeld. Diese zwei Teile wurden auch der anschließenden Aussprache zugrunde gelegt.
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Zu den bisherigen Initiativen für ein Pensionskürzungsgesetz s. Dok. Nr. 80, P. 1, Dok. Nr. 87 und Dok. Nr. 90. Der RFM hatte den GesEntw., der die Ergebnisse einer Ressortbesprechung berücksichtigte, der Rkei am 25.8.30 zugeleitet. Zu dem von dem Entw. betroffenen Personenkreis gehörten ehemalige Beamte des Reichs, der Länder und Gemeinden, der Rbk, der sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, Offiziere, Lehrer, Hofbeamte sowie Wartestandsbeamte (§ 2). Pensionen bis zu 6000 RM jährlich sollten nicht gekürzt werden („kürzungsfreies Anrechnungseinkommen“, § 5). Das Ruhegeld sollte allgemein um die Hälfte des Betrages gekürzt werden, um den das Anrechnungseinkommen das kürzungsfreie Anrechnungseinkommen überstieg. Wenn Ruhegeld und Anrechnungseinkommen unter dem Betrag von 9000 RM im Jahre blieben, sollte von einer Kürzung abgesehen werden (§ 6). Abschnitt II (§ 19) bestimmte das Höchstruhegeld. Der Entw. wollte die über 12 000 RM Jahresbetrag hinausgehenden Pensionen nur dann ungeschmälert lassen, wenn die betreffenden Pensionäre mindestens fünf Jahre in der von ihnen zuletzt bekleideten Stellung tätig gewesen waren, sonst sollten die Pensionen über 12 000 RM in einer Staffelung von 10–50% gekürzt werden (GesEntw. vom 25.8.30 mit Ergebnis der Ressortbesprechung vom 30.7.30 in R 43 I/2608, Bl. 30–39).
[403] Der Reichskanzler bemerkte, daß der Gesetzentwurf allerdings in erster Linie die höheren Beamten belaste, die ohnehin – als einzige Beamtenkategorie – noch nicht das Realeinkommen der Vorkriegszeit wieder erreicht haben. Gleichwohl sei er der Überzeugung, daß die vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagenen Maßnahmen zur dauernden Rettung und Sicherung des Berufsbeamtentums unvermeidlich seien und daß er es sehr begrüßen werde, wenn alles geschähe, damit gerade die höhere Beamtenschaft von der gleichen Erkenntnis durchdrungen werde.
Hierzu führte der Reichssparkommissar aus, daß er ähnliche Gedankengänge vor wenigen Tagen in Bad Pyrmont bei der Eröffnung des staatswissenschaftlichen Fortbildungskursus für höhere Beamte entwickelt habe2 und annehmen zu können glaube, daß die obere Beamtenschaft für die Staatsnotwendigkeiten volles Verständnis habe und bereit sei, im Interesse des Staates Opfer zu bringen.
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Der RSparKom. hatte nach einer Eintragung in seinem Tagebuch am 24. 8. den Fortbildungskurs mit einer Ansprache eröffnet (Nachlaß Saemisch, Nr. 27, Bl. 31).
Zu dem Gesetzentwurf bemerkte er, daß er persönlich die Regelung des Abschnitts II nicht für richtig halte, es vielmehr für gerechter halte, den Ruhegehaltssatz von 80 v.H. auf die Vorkriegshöhe von 75 v.H. des aktiven Gehaltes abzusenken. Diese Lösung werde auch den Vorzug haben, wirkliche Ersparnisse zu erzielen. Die Ersparnisse des Vorschlags des Reichsministers der Finanzen seien nur sehr unbedeutend.
Der Reichsminister der Justiz legte Wert auf die Erklärung, daß er die früheren Anträge der Wirtschaftspartei an den Reichstag auf Einführung einer Pensionshöchstgrenze nicht mitunterzeichnet habe, und zwar, weil er in dieser Sache den Standpunkt seiner politischen Freunde nicht teile3.
Im übrigen sei er sich völlig klar darüber, daß man bei der Stellungnahme zum Gesetzentwurf in erster Linie wahlpolitische Gesichtspunkte im Auge behalten müsse.
Ebenso betonte der Reichsverkehrsminister daß bei der Pensionskürzungsaktion in der Öffentlichkeit stark mit politischen Schlagworten gearbeitet werde. Es sei nicht zu verkennen, daß der Gesetzentwurf einen starken Eingriff in das Berufsbeamtentum vornehme. Mit Abschnitt I des Entwurfs könne er sich abfinden. Die Wiedergabe seines Standpunktes in der Niederschrift über die Ressortbesprechung vom 30. Juli 1930 sei unrichtig4. In der Frage der Höchstpension teile er den Standpunkt des Reichssparkommissars, nämlich, daß es besser sei, das Ruhegehalt allgemein auf 75 v.H. des aktiven Gehalts festzusetzen, anstelle der im Gesetzentwurf vorgesehenen Sondermaßnahme, die sich nur gegen eine kleine Gruppe höherer Beamter richte. Er stimme daher für Abschnitt I und gegen Abschnitt II. Wenn Abschnitt II von einer Mehrheit des Kabinetts angenommen werde, werde er für das ganze Gesetz stimmen.
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Nach der Aufzeichnung des RFMin. über die Ressortbesprechung vom 30. 7. hatte sich der Vertreter des RVMin. grundsätzlich gegen jede Kürzung des Ruhegelds bei Privatarbeitsdienstverträgen ausgesprochen, zugleich aber erklärt, der RVM würde sich schließlich damit abfinden können, wenn der Entw. dem Kabinett vorgelegt werden sollte; ebenso hatte der Vertreter des RVMin. die Höchstpension abgelehnt (R 43 I/2608, Bl. 31 und 32).
[404] Staatssekretär Sautter führte aus, daß Abschnitt I des Gesetzentwurfs bei der Reichspostverwaltung kaum praktische Auswirkungen haben werde. Gleichwohl wolle er darauf aufmerksam machen, daß nach früheren Erfahrungen die Erhebungen über Privatarbeitseinkommen pensionierter Beamter große Verwaltungsarbeit erforderlich mache.
Der Reichspostminister halte es auch für besser, die Neuregelung der Pensionsfrage nicht gesondert vorzunehmen, sie vielmehr mit der Neugestaltung des gesamten Beamtenrechts zu verbinden. Er befürchte nämlich, der Gesetzentwurf werde, wenn man versuche, ihn im Reichstag allein zu behandeln, auf die schiefe Ebene geraten und von den Parteien zum Nachteil der Beamten weit mehr verschlechtert werden, als die Regierung verantworten wolle. Wenn jedoch das Kabinett in seiner Mehrheit glaube, daß aus politischen Gründen die Notwendigkeit bestehe, den Entwurf jetzt zu verabschieden, werde er im Auftrage des Reichspostministers für den Gesetzentwurf stimmen.
Der Reichskanzler vertrat demgegenüber den Standpunkt, daß es für die hinter der Regierung stehenden Parteien erwünschter sei, daß die Reichsregierung in der Frage die Initiative ergreife, und daß es der Reichsregierung alsdann leichter sei, die hinter ihr stehenden Parteien bei dem Regierungsentwurf festzuhalten und über den Entwurf hinausgehende Tendenzen abzuwehren.
Staatssekretär Dr. Trendelenburg hielt die Regelung des Abschnitts I vom Standpunkt der Beamtenschaft aus für erträglich; die Regelung des Teiles II dagegen für einen ungerechten Eingriff in die Rechte der höheren Beamten.
Ferner äußerte er lebhafte Besorgnis darüber, ob die Reichsregierung in der Lage sein werde, den Gesetzentwurf, wenn er vor den Wahlen veröffentlicht werde, im bisherigen Rahmen aufrechtzuerhalten. Er befürchtete, daß die einzelnen Parteivertreter im Wahlkampf zu Festlegungen kommen würden, die über den Regierungsvorschlag hinausgehen.
Der Reichsminister für die besetzten Gebiete hielt es für richtiger, den Gesetzentwurf vor den Wahlen nicht herauszubringen. Auch er befürchtete, daß die vorgeschlagene Neuregelung schon im Wahlkampf auf die schiefe Ebene geraten werde. In der Sache selbst hielt er eine einheitliche Verkürzung der Pension auf 75 v.H. des aktiven Gehalts gegenüber dem vorliegenden Entwurf für die bessere Lösung.
Ministerialdirektor Pellengahr erklärte für den abwesenden Reichsminister des Innern, daß er für den Gesetzentwurf stimmen werde. Er bemerkte, daß es bei der Frage, ob die Reichsregierung die Führung in der Sache in der Hand behalten könne, wesentlich darauf ankomme, sich der Mitwirkung des Reichsrats zu vergewissern. Wenn der Reichsrat sich auf den Entwurf der Reichsregierung festlege, sei von weitergehenden Bestrebungen des Reichstags nicht allzuviel zu befürchten.
Staatssekretär Dr. von Bülow äußerte Bedenken nach der Richtung, daß der Gesetzentwurf schon im Wahlkampf eine Verschärfung zum Nachteil der Beamtenschaft erfahren werde.
Ministerialdirektor Rettig gab für den abwesenden Reichsarbeitsminister die Erklärung ab, daß dieser mit dem Gesetzentwurf einverstanden sei. Auftragsgemäß[405] müsse er anregen, im Abschnitt I den Betrag des kürzungsfreien Anrechnungseinkommens von 6000 RM auf 4000 RM herabzusetzen.
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft schloß sich hinsichtlich der Höhe des Ruhegehalts dem Standpunkt des Reichssparkommissars an. Die vorliegende Regelung des Abschnitts II erklärte er für ungerecht.
Oberst Bitthorn gab im Auftrage des abwesenden Reichswehrministers die Erklärung ab, daß dieser von der Einladung zur Ministerbesprechung erst so spät Kenntnis erhalten habe, daß er persönlich nicht mehr habe erscheinen können, daß er aber größten Wert darauf lege, seine Stimme zur Sache persönlich abzugeben. Er bäte daher, zu erwägen, die Abstimmung zu vertagen. Vorsorglich müsse er erklären, daß der Reichswehrminister aus sachlichen Gründen die schwersten Bedenken gegen den Gesetzentwurf habe und in ihm insbesondere eine schwere Benachteiligung der Angehörigen der Wehrmacht erblicke5.
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In der Ressortbesprechung vom 30. 7. hatte das RWeMin. die Kürzung des Ruhegeldes und die Höchstpension abgelehnt (R 43 I/2608, Bl. 31 u. 32). Wegen der beabsichtigten Pensionskürzungen hatte der Dt. Offizierbund e. V. den RK um eine Unterredung gebeten (R 43 I/2608, Bl. 19).
Der Reichskanzler vertagte daraufhin die Abstimmung über den Gesetzentwurf auf Donnerstag, den 28. August, mittags 12 Uhr6.