1.16 (mu22p): Nr. 272 Vermerk Ministerialrat Wiensteins über die Besprechungen der Sachverständigen und der Fraktionsführer der Regierungsparteien zur Reform der Arbeitslosenversicherung vom 16. August 1929, nachmittags

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 272
Vermerk Ministerialrat Wiensteins über die Besprechungen der Sachverständigen und der Fraktionsführer der Regierungsparteien zur Reform der Arbeitslosenversicherung vom 16. August 1929, nachmittags

R 43 I /2035 , Bl. 359 f., hier: Bl. 359 f.

Wie in Aussicht genommen, fand am 16. August 3½ Uhr nachmittags unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers im Reichstag eine Besprechung der Sachverständigen der Regierungsparteien statt.

Es waren anwesend: die Abgeordneten: Dr. Hertz, Aufhäuser, Frau Schröder (VSPD); Riesener, Frau Teusch, Dr. Brüning (Zentrum); Dr. Pfeffer (DVP); Dr. Fischer, Lemmer (DDP); ferner an Beamten u. a.: Ministerialdirektor Dr. Weigert; Ministerialräte Beisiegel, Dr. Lehfeldt, Dr. Poerschke, Wienstein; Referent Dr. Pohl.

[879] In der Besprechung wandte sich vor allem der Abgeordnete Aufhäuser (SPD) gegen eine allzu weitgehende Nivellierung der Unterstützungssätze. Man müsse bei höheren Beiträgen im Falle der Arbeitslosigkeit auch höhere Unterstützungen gewähren.

Der Abgeordnete Riesener (Zentrum) schlug u. a. vor, eine längere Wartezeit für das Beziehen einer Unterstützung für den Fall einzuführen, daß der Arbeitslose nur kürzere Zeit Beiträge an die Versicherungsanstalt geleistet habe.

Nach längerer Aussprache über die verschiedenen Ersparnismöglichkeiten, bei der allgemein von einer Beitragserhöhung von 0,5% ausgegangen wurde, wurde vor allem ein Vorschlag der Abgeordneten Frau Teusch erörtert, folgende Ersparnismöglichkeiten zu überlegen:

25 Millionen M durch Einführung längerer Wartezeit des Unterstützungsberechtigten; 30 Millionen M bei der Krankenversicherung der Arbeitslosen; 15 Millionen Ersparnis an Verwaltungskosten.

Um 4.30 Uhr nachmittags begann eine Besprechung der Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien, an der auch der Reichsarbeitsminister teilnahm. Im übrigen blieben die Fraktionsvorsitzenden verabredungsgemäß unter sich.

Nach Schluß dieser Besprechung teilte der Reichsarbeitsminister den anwesenden Vertretern der Reichsressorts folgendes mit:

Es bestehe nunmehr Übereinstimmung darüber, daß die Regierungsparteien eine Vorlage der Reichsregierung abwarten wollten. Diese Vorlage werde das Reichskabinett am Montag, den 19. August, verabschieden. Die Vorlage solle dann alsbald dem Reichsrat und dem Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags zugeleitet werden. Eine Pressenotiz werde die Öffentlichkeit hierüber unterrichten.

Über den Inhalt der Vorlage teilte der Reichsarbeitsminister streng vertraulich folgendes mit:

Es solle bei dem Gesetzentwurf des Reichsarbeitsministers bleiben, jedoch mit folgenden Abänderungen:

a) die Beitragserhöhung betrage nicht 0,75%, sondern 0,5%;

b) die Unterstützungssätze sollten aus dem Entwurf herausbleiben, die Beschlußfassung hierüber und über die Behandlung der Saisonarbeiter solle den Verhandlungen des sozialpolitischen Ausschusses vorbehalten bleiben1.

1

Der StSRkei wurde über die Vereinbarungen durch Fernschreiben unterrichtet (16. 8.; R 43 I /2035 , Bl. 361 f., hier: Bl. 361 f.).

[Presseverlautbarung der Parteiführer.]

Gesprächsweise2 bemerkte der Abgeordnete Dr. Pfeffer (Deutsche Volkspartei) folgendes: Er könne für seine Person kein Gesetz mitmachen, das überhaupt eine Beitragserhöhung vorsehe. Er wolle sich auch nicht im Ausschuß des Reichstags überstimmen lassen. Es möge dann ein anderer Abgeordneter seiner Fraktion in den Ausschuß entsandt werden.

2

Der Absatz handschriftlich.

W[ienstein]

Extras (Fußzeile):