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[1404]4. Stand der Londoner Verhandlungen.
Der Staatssekretär in der Reichskanzlei berichtete über den Stand der Londoner Verhandlungen. Er führte u. a. aus, daß MacDonald auf ein positives und schnelles Ergebnis hinarbeite. Die Frage einer langfristigen Anleihe sei in den Hintergrund getreten.
Stimson habe den Wunsch geäußert, genau über die kurzfristigen Kredite unterrichtet zu werden, die Deutschland vom Ausland geliehen habe. Es sei möglich, daß die Londoner Konferenz noch bis zum Freitag, dem 24. Juli, andauern werde7.
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Die Ausführungen Pünders stützten sich auf ein Telefongespräch des StSRkei mit MinR Feßler in London am 20.7.31, 22 Uhr, in dem Feßler über den Beginn der Londoner Konferenz berichtet hatte (Durchschrift des Vermerks von Pünder vom 21.7.31 im Nachl. Pünder Nr. 88, Bl. 161–163). Ein Wortprotokoll in englischer Sprache über die 1. Sitzung der Londoner Konferenz am 20.7.31 befindet sich in R 43 I/319, Bl. 258–280; ein Umdruck dieses Protokolls ist in R 43 I/315, Bl. 171–175 vorhanden.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß die Reichsbank in engstem Zusammenarbeiten mit dem Reichsfinanzministerium die gewünschten Zahlen über die kurzfristigen ausländischen Kredite in Deutschland nach London übermitteln müsse. Es müsse unbedingt vermieden werden, daß widersprechende Zahlen mitgeteilt würden. Hauptgläubiger kurzfristiger Kredite seien die Vereinigten Staaten von Nordamerika, England, Frankreich, die Schweiz und die Niederlande.
Nach seiner Ansicht müsse vor allen Dingen die Reichsbank arbeitsfähig gehalten werden.
Der Reichsbankpräsident betonte, daß auf die Gewährung einer langfristigen ausländischen Anleihe an Deutschland hingearbeitet werden müsse. Daneben müsse ein Ausbau des Stillhalte-Konsortiums erzielt werden8.
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MinR Feßler notierte dazu am 12.9.31 am Rand: „Am 18. 7. hatte Vizepräsident Dreyse in einem Telephongespräch mit Paris den gegenteiligen Standpunkt eingenommen“ (R 43 I/1450, S. 496).