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Baseler Verhandlungen
Herr Dr. Melchior berichtete über eine fernmündliche Unterhaltung mit dem französischen Mitglied des Sonderausschusses, Professor Rist, über die personelle Zusammensetzung des Sonderausschusses1. In diesem Gespräch ist Herr Rist praktisch und ohne unseren Widerspruch von dem Standpunkt ausgegangen, daß die Benennung des jugoslawischen Mitgliedes für den Sonderausschuß den Franzosen zustehe, während Benennung des Holländers durch Deutschland erfolgen solle. Demzufolge hat Dr. Melchior gegen den von Herrn Rist benannten Jugoslawen Juritsch keine Bedenken erhoben. Als Dr. Melchior deutscherseits als holländischen Vertreter Herrn Colijn nannte, habe Herr Rist zunächst versucht, den Holländer Trip, den derzeitigen Präsident der holländischen Zentralnotenbank, in Vorschlag zu bringen. Nachdem aber nach dem Geiste des Young-Plans Präsidenten der Zentralnoteninstitute nicht in Beratenden Sonderausschüssen vertreten sein sollen, habe Herr Rist erklärt, daß er mit Herrn Colijn einverstanden sei. [„pas d’objections“]
[2012] Dr. Melchior berichtete weiter, daß er sodann mit Herrn Rist auch die Frage des Schweizer Mitgliedes erörtert habe. Der ursprünglich für die Schweiz vorgesehene Vertreter Sarazin habe gebeten, von seiner Person Abstand zu nehmen mit Rücksicht auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand. Herr Rist habe vorgeschlagen, wiederum auf Herrn Bindschedler abzukommen, der die Schweiz auch im Wiggin-Ausschuß vertreten habe. Neben Bindschedler komme als geeignete Persönlichkeit wohl nur noch der Schweizer Stahelin in Frage. Bindschedler, der bereits für das Stillhaltekomitee in Aussicht genommen sei, habe erklärt, daß er für den Fall seiner Kandidatur für den Sonderausschuß die Vertretung im Stillhaltekomitee niederlegen werde. Herr Dr. Melchior glaubte empfehlen zu können, sich mit Herrn Bindschedler abfinden zu können, da er im Wiggin-Ausschuß sachlich gute Arbeit geleistet habe und sich nur im Stillhalte-Ausschuß, vom deutschen Standpunkt aus, sehr unbequem und habgierig benommen habe. Herr Stahelin sei, verglichen mit Bindschedler, jedenfalls die unbedeutendere Persönlichkeit.
Während der Besprechung führte Dr. Melchior ein Ferngespräch mit Herrn Hülse in Basel über die Person des Schweizer Vertreters. Danach hat der Präsident der Schweizer Notenbank, Herr Bachmann, Herrn Hülse wissen lassen, daß er auf die Beibehaltung Bindschedlers im Stillhaltekomitee besonderen Wert lege. Herrn Bachmann war allerdings nicht bekannt, daß Herr Bindschedler sich persönlich dahin entschieden hat, lieber dem Beratenden Sonderausschuß anzugehören. Herr Melchior wurde infolge dessen ermächtigt, den weiteren Verhandlungen über die personelle Zusammensetzung des Sonderausschusses seine Zustimmung sowohl für Herrn Bindschedler wie auch für Herrn Stahelin zu erklären. Dagegen soll eine von französischer Seite betriebene Kandidatur zugunsten des Schweizers Dreyfuß bekämpft werden.
Aus dem Ferngespräch mit Herrn Hülse teilte Herr Dr. Melchior weiter mit, daß französischerseits bereits stark wegen der Vergebung des Vorsitzes im Beratenden Sonderausschuß gearbeitet werde. Herr Rist selbst habe wenig Neigung, den Vorsitz zu übernehmen, dafür aber bemühe man sich französischerseits, Herrn Francqui mit dem Vorsitz zu betrauen. Demgegenüber wurde beschlossen, deutscherseits den Standpunkt einzunehmen, daß der Vorsitz in erster Linie einem der vier meistbeteiligten Länder zufallen müsse. Nachdem von diesen Ländern aber niemand für den Vorsitz in Frage komme, könne nur eines der drei neutralen Länder (Schweiz, Holland und Schweden) den Vorsitzenden stellen. Die bedeutendste Persönlichkeit von diesen drei Ländervertretern sei zweifellos der Holländer Colijn. Die deutschen Bemühungen sollen daher nach dieser Richtung gehen. Herr Colijn, mit dem bereits Fühlung genommen worden ist, hat bereits sein Einverständnis zu erkennen gegeben2.
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Dem am 25.11.31 einberufenen Beratenden Sonderausschuß gehörte Colijn nicht an. Seine Mitglieder waren: Beneduce (Italien), Francqui (Belgien), Layton (Großbritannien), Melchior (Deutschland), Nohara (Japan), Rist (Frankreich) und Stewart (USA): WTB Nr. 2483 vom 26.11.31 in R I/331, Bl. 216.
Vgl. zu dieser Besprechung auch Schäffers Tagebuch IfZ ED 93, Bd. 15, Bl. 1085 und Luthers Tagebuch, Nachl. Luther Nr. 367, Bl. 40.
Zum Fortgang der Verhandlungen siehe Dok. Nr. 584.