2.220 (bru1p): Nr. 220 Der Reichsminister der Finanzen an den Reichskanzler. 17. Januar 1931

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 220
Der Reichsminister der Finanzen an den Reichskanzler. 17. Januar 1931

R 43 I /310 , Bl. 194–195

[Reparationspolitik]

Unter Bezugnahme auf den in der Ministerbesprechung vom 12. d. Mts.1 ausgesprochenen Wunsch des Herrn Reichskanzlers übersende ich ergebenst[788] eine im Benehmen mit den zuständigen Ressorts aufgestellte Aufzeichnung über die Interessenlage der Hauptgläubigerländer gegenüber der Reparationspolitik Deutschlands2.

1

S. Dok. Nr. 217.

2

Die Aufzeichnung ließ sich in den Akten der Rkei nicht ermitteln.

Die Aufzeichnung nimmt zu der Frage, wie die Reparationspolitik Deutschlands im einzelnen beschaffen ist, nicht Stellung. Es ist lediglich allgemein unterstellt worden, daß die gegenwärtige Politik der Reichsregierung auf eine Milderung der zur Zeit Deutschland auferlegten Reparationslast gerichtet ist.

Der erste Teil der Aufzeichnung behandelt die allgemeinpolitische Beurteilung der Interessenlage der Hauptgläubigerländer; hierbei lag die Federführung beim Auswärtigen Amt. Es folgt neben einer vom Auswärtigen Amt und dem Reichswirtschaftsministerium verfaßten wirtschaftspolitischen Beurteilung die aus der Federführung der Reichsbank stammende kredit- und währungspolitische Beurteilung. Die übrigen Darlegungen sind in meinem Ressort verfaßt worden und betreffen einmal die Sondergesichtspunkte der Schuldenpolitik der genannten Länder und eine Darstellung ihrer Haushaltslage und sodann die Schilderung der Interessenlage der Hauptgläubigerländer im Falle eines deutschen Aufschubs.

Ein vertrauliches Schlußwort, wie der Unterzeichnete sich die Führung der Politik vorstellt, füge ich bei:

1) Eine Hauptgefahr besteht darin, daß die Rechtslage insofern verwischt wird, als die Vereinigten Staaten als eigentliche Gläubiger Deutschlands erscheinen, während sie tatsächlich an den eigentlichen Reparationen überhaupt nicht beteiligt sind. Es muß scharf daran festgehalten werden, daß die Tributlasten geschuldet werden an England, Frankreich, Italien und die kleineren Ententestaaten.

2) Man muß davon ausgehen, daß angesichts der geldlichen Übermacht Frankreichs England zu einer aktiven Politik zugunsten einer Revision nicht zu bringen ist, und daß voraussichtlich auch Italien unter die finanzielle Botmäßigkeit Frankreichs geraten wird.

3) Mit gefühlsmäßigen Erwägungen der Gegner ist nicht zu rechnen. Sie werden nur ihren eigenen Interessen nachgehen.

Die Stellung der hauptbeteiligten Mächte: Der Vereinigten Staaten, England, Frankreich sehe ich folgendermaßen:

a)

Die Vereinigten Staaten sind nur dann bereit, in eine Revision ihrer Schuldenabmachungen mit England, Frankreich, Italien einzuwilligen, wenn abgerüstet wird.

b)

England ist an sich mit Einschränkungen bereit, auf seine Forderungen an Deutschland und seine früheren Verbündeten zu verzichten, wenn es den gleichen Nachlaß bei den Vereinigten Staaten bekommt. Es besteht aber die Gefahr, daß, wenn Deutschland und evtl. Frankreich an England nicht mehr zahlen, England immer noch an die Vereinigten Staaten zahlen muß. Daneben her geht jedoch die Sorge, daß der deutsche Export, der allein die Reparationen schaffen kann, den englischen Handel zurückdrängen muß.

c)

[789]Frankreich will zunächst den nicht geschützten Teil der Reparationen für sich buchen. Im übrigen ist es beherrscht von dem Gedanken der Sicherheit, den es immer noch bedroht sieht.

Daraus ergibt sich folgende Politik:

1) Die deutsche Ausfuhr muß um jeden Preis forciert werden, nicht nur um die Reparationen zu zahlen, sondern um die Auswirkungen dieser Reparationszahlungen deutlich zu machen.

2) Es muß eine starke Propaganda geführt werden dahin, daß die Reparationszahlungen ein Störungsmoment erster Ordnung in der Weltwirtschaft sind und auch die Siegerstaaten, vor allem aber die Rohstoffländer, auf das schwerste schädigen.

3) An Frankreich wäre ein Angebot über wirtschaftliche und politische Kooperation zu richten, durch das jede Kriegsgefahr aufgehoben wird.

4) Dieses Angebot wäre den Vereinigten Staaten zur Kenntnis zu bringen.

5) Unter den Voraussetzungen von 1) bis 4) könnte gemäß den Schutzvorschriften des Neuen Planes verfahren werden.

Zu erwägen wäre, ob nicht ein Projekt zur Besteuerung des entbehrlichen Imports den beteiligten Lieferstaaten anzukündigen wäre3.

3

Der Gedanke einer Reparationsabgabe auf ausländische Importwaren stammte vom DNVP-Vorsitzenden Hugenberg (Brief v. Batockis an RM Treviranus vom 4.6.30 und ablehnende Stellungnahme des RWiMin. in R 43 I /2421 , Bl. 55–59, 61–65). Die DNVP-Fraktion hatte in der Interpellation vom 13.10.30 die Einführung der Reparationsabgabe gefordert (RT-Bd. 448 , Drucks. Nr. 82 ).

H. Dietrich

Extras (Fußzeile):