Text
[305] 1. Politische Lage.
Ministerialdirektor Zarden berichtete, daß er am gestrigen Sonntag die Beratungen mit den in der Regierung vertretenen Fraktionen über die Aufstellung eines, möglichst allen Parteien genehmen Entwurfs eines Bürgersteuergesetzes fortgesetzt habe. Bei diesen Beratungen sei eine weitgehende Annäherung der Standpunkte der Fraktionen gelungen. Der Niederschlag der Verhandlungen sei in dem in der Anlage beigefügten Gesetzentwurf formuliert worden1. Dieser Entwurf sei den Fraktionen noch nicht zugegangen. Es empfehle sich aber, ihn den Parteien nunmehr zu übergeben, da die Führer sich die Stellungnahme der Fraktionen für den heutigen Tag vorbehalten hätten.
Der Entwurf wurde sodann vom Kabinett durchgesprochen. Gegen seine Weiterleitung an die Fraktionen wurden Bedenken nicht geäußert.
Der Reichskanzler erklärte, daß er den Fraktionen bei der Übergabe zum Ausdruck bringen lassen wolle, daß die Stellungnahme bis nachmittags 4 Uhr erwartet werde, damit das Reichskabinett in die Lage versetzt werde, zu den Beschlüssen der Fraktionen noch im Laufe des heutigen Abends Stellung zu nehmen2.
Fußnoten
- 1
Gegenüber dem ursprünglichen GesEntw. (vgl. Dok. Nr. 69, Anm. 2) enthielt der neue GesEntw. folgende Bestimmungen: Die Gemeinden waren berechtigt, von allen Personen, die älter als 20 Jahre waren, die Bürgersteuer zu erheben. Ausgenommen waren Fürsorge- und Krisenfürsorgeempfänger. Durch ein besonderes ReichsGes. sollte bestimmt werden, inwieweit im Rahmen der Gemeindefinanzierungsgesetzgebung die Realsteuern gesenkt werden konnten (R 43 I/1445, Bl. 160–162).