Text
1. Entwurf einer Verordnung über die deutsche Zentralgenossenschaftskasse.
Der Reichsminister der Finanzen nahm Bezug auf die den Reichsministern zugegangene Vorlage vom 6. Oktober 19321 und bat, ohne zunächst auf die Einzelheiten der Vorlage einzugehen, folgende drei Grundfragen vorweg zu erörtern:
a) | Soll eine Sanierung der Preußenkasse2 in dem vorgeschlagenen Umfange vorgenommen werden? |
[769] b) | In welcher Form soll die Sanierung erfolgen? |
c) | Wie soll das Beteiligungsverhältnis zwischen dem Reich und dem Lande Preußen geregelt werden? |
Ergänzend fügte er hinzu, daß diese Fragenkomplexe nur im Zusammenhange mit den an späterer Stelle auf der Tagesordnung stehenden Maßnahmen über die Fortführung der Osthilfe-Aktion3 betrachtet werden könnten. Die Sanierung der Preußenkasse sei eine unerläßliche Voraussetzung für die Durchführbarkeit der neuen Vorschläge zur Fortsetzung der Osthilfe.
Diesen letzten Ausführungen pflichtete insbesondere der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sowie der Reichsminister des Innern bei.
Das Kabinett stimmte den in der Vorlage enthaltenen Vorschlägen über den Umfang und die Form der Sanierung der Preußenkasse grundsätzlich zu.
Bezüglich des Verhältnisses zwischen Reich und Preußen entschied sich das Kabinett dahin, daß Reich und Preußen an der Preußenkasse zu gleichen Teilen beteiligt bleiben sollen. Die Geschäftsführung soll auf das Reich übergehen. In bestimmten Spezialfragen soll vorheriges Einverständnis mit Preußen herbeigeführt werden, d. h. die bisher bestehende Form der Leitung der Preußenkasse soll grundsätzlich aufrechterhalten bleiben, jedoch unter Umkehrung der Rollen des Reichs und des Landes Preußen.
Der Reichsminister der Finanzen übernahm es, auf Grund der grundsätzlichen Entscheidung des Reichskabinetts den endgültigen Entwurf der zu erlassenden Verordnung auszuarbeiten. Sofern über den neuen Entwurf zwischen den unmittelbar beteiligten Reichsministerien und den Preußischen Ministerien Einverständnis erzielt wird, soll eine erneute Beratung über den Verordnungsentwurf im Reichskabinett nicht mehr erfolgen4.
Fußnoten
- 1
Der Entwurf des RFM sah die Umwandlung der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse (vgl. Anm 2) in eine Anstalt des Reiches mit der Bezeichnung „Deutsche Zentralgenossenschaftskasse“ vor. Diese sollte der Aufsicht des RFM unterstehen und die Aufgabe haben, den genossenschaftlichen Personalkredit zu fördern. Die umfangreichen weiteren Bestimmungen des Entwurfs betrafen die „Verfassung“ (Direktorium, Ausschuß, Hauptversammlung) und die Geschäftsführung der neuen Anstalt. In seinem Begleitschreiben hatte der RFM u. a. ausgeführt: Die vorgeschlagene Neuregelung sei angesichts der großen Verluste, die bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise eingetreten seien, unvermeidlich geworden. Reich und Preußen müßten für die Durchführung der notwendigen Abschreibungen sowohl bei der Preußenkasse als auch im genossenschaftlichen Mittel- und Unterbau erhebliche Mittel zur Verfügung stellen. „Geht man davon aus, daß die Verluste bei den ländlichen Genossenschaften auf die Preußische Zentralgenossenschaftskasse wenigstens zum größten Teil durchschlagen, so bedeutet die Sanierung des ländlichen Genossenschaftswesens gleichzeitig eine Sanierung der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse. Grundsätzlich müßten daher die Mittel für die Sanierung in vollem Umfange von Preußen bereitgestellt werden. Beteiligt sich das Reich an der Sanierung, so bedeutet das ein Entgegenkommen und kann als Entgelt für die Überleitung der Preußenkasse auf das Reich gewertet werden. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist es aber gerechtfertigt und vom Standpunkt des Reichs aus allein vertretbar, den durch Abschreibung bei der Preußenkasse zu deckenden Teil des Gesamtsanierungsbedarfs von dem letzteren Betrage abzusetzen. Danach ergibt sich folgende Berechnung:
betragen würde. Schon in der Übernahme der Hälfte des preußischen Anteils liegt ein außerordentliches Entgegenkommen des Reichs, das in gewissem Umfange ein Äquivalent in der Abtretung eines größeren Anteils der preußischen Stammeinlage an der Preußenkasse an das Reich finden muß.“ (R 43 I/675, Bl. 33–48).
- 2
Die Preußenkasse (eigentlich „Preußische Zentralgenossenschaftskasse“) war durch Gesetz vom 31.7.1895 (Pr. Gesetzsammlung, S. 310) als zentrale Kreditanstalt für die regionalen landwirtschaftlichen und gewerblichen Genossenschaftskassen Preußens gegründet worden. Die Auswirkungen des Krieges und der Inflation hatten jedoch zur Ausdehnung ihrer Geschäftstätigkeit auf das ganze Reichsgebiet geführt (Änderungsgesetz vom 25.7.23, Pr. Gesetzsammlung, S. 354). Hierzu und zur weiteren Entwicklung bis 1932, die durch finanzielle Verluste und wachsende Verschuldung der Preußenkasse bei der Rbk gekennzeichnet war, vgl. die Denkschrift des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften (Raiffeisen) vom 9.3.32 in R 43 I/675, Bl. 5–22. Weitere Aktenmaterialien hierzu in R 2/15019, u. a. ein ausführlicher Bericht (48 Seiten) der Dt. Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft über die bei der Preußenkasse vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.31.
- 3
Vgl. unten Punkt 2.
- 4
Über Verhandlungen der beteiligten Ressorts zur endgültigen Formulierung des Entwurfs konnte nichts ermittelt werden. Die VO „über die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse und das genossenschaftliche Revisionswesen“ (vgl. dazu Anm 9) wurde vom RPräs. am 21.10.32 ausgefertigt (RGBl. I, S. 503). Durch Kap. II § 1 der VO wurde der RFM ermächtigt, „für Zwecke der Verlustbereinigung und der Rationalisierung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens Beträge bis zur Höhe von insgesamt 127 Millionen Reichsmark [vgl. oben Anm 1] in den Reichshaushaltsplänen der Jahre 1936 bis 1938 bereitzustellen“. Am gleichen Tage wurde zwischen dem RFM und dem RKomPrFMin. ein Abkommen über die Umwandlung, Verlustbereinigung und die zukünftigen Rechtsverhältnisse der Dt. Zentralgenossenschaftskasse unterzeichnet (Text und weitere Materialien hierzu in R 2/15018).