Text
Fortsetzung der Generalaussprache über die weiteren Kabinettsarbeiten.
Arbeitslosenhilfe.
Der Reichsarbeitsminister legte den beiliegenden Finanzierungsplan der Arbeitslosenhilfe im Rechnungsjahr 1932 und die dazugehörigen Leitsätze für die Reform der Arbeitslosenhilfe vor1.
[2489] Aufgrund dieser Vorlage fand eine eingehende Aussprache zur Sache statt.
Beschlüsse wurden nicht gefaßt2.
Arbeitszeitverkürzung.
Es wurde zunächst die in der Anlage 2 beiliegende Vorlage des Reichsarbeitsministers vom 3. Mai 1932 […] verteilt3.
Der Reichsarbeitsminister erläuterte die Vorlage in großen Zügen.
Ministerialdirektor Sitzler verbreitete sich über die Einzelheiten.
Staatssekretär Dr. Trendelenburg vertrat den in der Vorlage des Reichswirtschaftsministeriums vom 30. April d. Js. […] niedergelegten Standpunkt4.
Auch zu diesem Gegenstand wurden Beschlüsse nicht gefaßt.
Die Fortsetzung der Beratung wurde auf die Nachmittagssitzung vertagt5.
Fußnoten
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Der „Finanzierungsplan der Arbeitslosenhilfe im Rechnungsjahr 1932“, der vom RArbMin. am 3.5.32 abgeschlossen worden war, ging von 5,95 Mio. Arbeitslosen aus, davon 1,25 Mio. in der Arbeitslosenfürsorge, 1,80 Mio. in der Krisenfürsorge, 2,15 Mio. in der Wohlfahrtsunterstützung und 0,75 Mio. Nichtunterstützte. Der Gesamtaufwand betrug 3.557 Mio. RM, wovon 2.860 Mio. RM gedeckt waren, so daß noch ein Fehlbedarf von 697 Mio. RM abgedeckt werden mußte. Als Einsparungsmöglichkeit in der Zeit vom 1.6.32–31.3.33 hatte das RArbMin. eine Senkung der Leistungen um 15% und die Einführung der Hilfsbedürftigkeitsprüfung in der Krisenfürsorge vorgeschlagen; diese Einsparungen würden 524 Mio. RM bringen, so daß ein Defizit von 173 Mio. RM blieb. Die „Leitsätze für eine Reform der Arbeitslosenhilfe im Rechnungsjahr 1932“ formulierten folgende Reformziele: Finanziellen Ausgleich; Entlastung der Gemeinden; Vereinheitlichung von Krisenfürsorge und Fürsorge für Wohlfahrtserwerbslose. Die Sätze für ALV und Krisenfürsorge sollten gleich bemessen werden. Für die Bedürftigkeitsprüfung in der Krisenfürsorge sollten die Grundsätze der öffentlichen Fürsorge („Hilfsbedürftigkeit“) gelten. Für die Krisenfürsorge sollte die generelle Vorschrift gelten, daß dort kein Arbeitsloser mehr erhalten durfte als in der öffentlichen Fürsorge. Die Gemeinden sollten die Unterstützungssätze der öffentlichen Fürsorge gegenüber dem Durchschnitt des Rechnungsjahres 1931 um 15% senken. Mit Rücksicht auf die Unterstützungssätze in Alu und Kru sollten die Beiträge zur Krankenversicherung Arbeitsloser herabgesetzt werden. Die ersparten Gelder in der ALV und Kru sollten zur Verlängerung der Unterstützung in der Krisenfürsorge verwendet werden, indem in erster Linie die Aussteuerungen sistiert werden sollten (R 43 I/1456, S. 41–44).
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Der VoEntw. machte die Anordnung von Überstunden in der Industrie und dem Handels- und Versicherungsgewerbe von vorheriger behördlicher Genehmigung abhängig. Überstunden im Bergbau, in der Industrie für Steine und Erden, in der chemischen und Papierindustrie, in Mälzereien und Brauereien, in Bauunternehmungen und im Bauhandwerk durften die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht übersteigen (VoEntw. vom 20.4.32 mit Schreiben des RArbM vom 3.5.32 in R 43 I/2043, Bl. 29–33).
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Mit Schreiben vom 30.4.32 hatte der RWiM gegen den VoEntw. des RArbM Einspruch eingelegt: „Seit dem Erlaß der Notverordnung vom 5. Juni 1931, die die Ermächtigung für eine behördliche Verkürzung der Arbeitszeit in einzelnen Industriezweigen enthielt, ist die Arbeitszeit in überwiegenden Teilen der deutschen Industrie durch freiwillige Vereinbarungen sehr stark verkürzt worden, so daß heute bereits im Gesamtdurchschnitt die 40-Stunden-Woche unterschritten wird. Ein sachlicher Anlaß zu einem Eingreifen des Gesetzgebers in diese Entwicklung, die bisher den Wünschen der Reichsregierung durchaus entsprach, ist demnach nicht gegeben. Eine neue Verordnung würde aber dem Programm der Reichsregierung, das eine weitere Lockerung der in der Wirtschaft bestehenden Bindungen vorsieht, nur widersprechen und im Unternehmertum bedenkliche psychologische Auswirkungen zeitigen. Diesem Nachteil steht auf der anderen Seite keinerlei Vorteil für die Arbeiterschaft gegenüber. Denn dort, wo eine Arbeitszeitverkürzung technisch und wirtschaftlich möglich erscheint, ist sie im wesentlichen schon freiwillig durchgeführt worden. Ein Zwang zur Arbeitszeitverkürzung, die im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten steht, würde sich aber nur gegen die Arbeiterschaft selbst auswirken. […] Aus all’ diesen Gründen kann ich mir positive arbeitsmarktpolitische Ergebnisse von einer neuen Verordnung nicht versprechen, sondern befürchte lediglich schwere wirtschaftliche und psychologische Gefahren“ (R 43 I/1456, S. 53–54). Gegen die beabsichtigte Arbeitszeitverkürzung wandten sich die Vereinigung der Dt. Arbeitgeberverbände mit Schreiben vom 2.5.32 (R 43 I/2043, Bl. 18–22), der Reichsverband der Bankleitungen am 3.5.32 (R 43 I/2043, Bl. 33–37), der RdI und der DIHT am 3.5.32 (R 43 I/2043, Bl. 45–50) sowie Krupp v. Bohlen mit Telegramm vom 4.5.32 (R 43 I/2043, Bl. 51). Vgl. auch Dok. Nr. 742. Die Gewerkschaften forderten dagegen die Arbeitszeitverkürzung: siehe Dok. Nr. 743.