Text
Nr. 741
Der Reichskommissar für die Osthilfe an Staatssekretär Pünder. 9. Mai 1932
Betrifft: Verwendung der nicht entschuldungsfähigen Grundstücke im Osthilfegebiet.
Die Verhandlungen des Reichskabinetts über den vom Herrn Reichsarbeitsminister vorgelegten Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über die Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung haben bisher zu keinem endgültigen Ergebnis geführt1, weil noch verschiedene, die Siedlung betreffende grundsätzliche Fragen offengeblieben sind2. Ich fühle mich verpflichtet, erneut darauf hinzuweisen, daß nach meiner Auffassung die Frage der Bildung einer Auffangorganisation für die nicht entschuldungsfähigen Grundstücke im Osthilfegebiet unabhängig von den noch schwebenden Siedlungsfragen unverzüglich entschieden werden muß. Nachdem seit dem Erlasse der Sicherungsverordnung vom 17. November 19313 nahezu ein halbes Jahr verstrichen ist, läßt es sich nicht länger verantworten, landwirtschaftliche Betriebe, bei denen klar ersichtlich ist, daß ein Entschuldungsverfahren für sie nicht infrage kommt, noch weiterhin im Sicherungsverfahren zu belassen. Abgesehen von der allgemein dadurch hervorgerufenen Beunruhigung in den Kreisen der Gläubiger, ist die Weiterbewirtschaftung dieser Grundstücke, die Zahlung der Löhne und dergl.[eichen] nicht mehr möglich, weil hinreichende Mittel hierfür nicht beschafft werden können. Es ist also dringend erforderlich, daß diese Betriebe schleunigst aus dem Sicherungsverfahren herausgenommen und in der zu bildenden Auffangorganisation aufgefangen werden; später wird dann über ihre weitere Verwendung im Wege der Siedlung, der Aufforstung oder dergl.[eichen] zu entscheiden sein.
Für die hiernach in erster Linie zur Entscheidung drängende Frage der Bildung einer Auffangorganisation bedarf es der Mitwirkung des Herrn Reichsarbeitsministers nicht, da diese Maßnahme unmittelbar mit der Durchführung der Sicherungs- und Entschuldungsverfahren im Zusammenhange steht. Im Interesse einer einheitlichen[2502] Handhabung und der Verwaltungsvereinfachung sollen neue Stellen für den Erwerb der nicht entschuldungsfähigen Güter nicht gebildet werden, vielmehr sollen nach meinem Vorschlage hiermit die Landstellen in Verbindung mit den bestehenden Treuhandstellen betraut werden. Durch diese Regelung wird die Gewähr einer möglichst schnellen und sachgemäßen Durchführung der erforderlichen Maßnahmen gegeben.
Wenn nach dem Vorschlage des Herrn Reichsministers der Finanzen die bei der Zwangsversteigerung ausfallenden Gläubiger ebenfalls entschädigt werden sollen4, so wird diese Aufgabe ebenfalls den Landstellen zu übertragen sein, da sie eine dem Entschuldungsverfahren ähnliche Maßnahme bedeutet. Selbstverständlich wird eine solche Entschädigung nur in dem Umfange gewährt werden können, wie im Falle der Durchführung eines Entschuldungsverfahrens diese Gläubiger für ihre Forderungen befriedigt worden wären. Es ist nicht angängig, daß Gläubiger von Betrieben, die so schlecht sind, daß sie nicht mehr entschuldet werden können, bessergestellt werden, als die Gläubiger entschuldungsfähiger Betriebe. Die Entschädigung wird auch nur nach Maßgabe des einzelnen Falles geregelt werden können, da hierbei eine Reihe von Umständen, namentlich auch die Höhe des Zinssatzes, zu berücksichtigen sein wird.
Um eine möglichst beschleunigte Beschlußfassung der Reichsregierung über die vordringliche Frage der Bildung einer Auffangorganisation zu ermöglichen, gestatte ich mir, den Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über die Verwendung nicht entschuldungsfähiger Grundstücke im Osthilfegebiet hiermit vorzulegen5. Der Entwurf enthält lediglich die Vorschriften, die erforderlich sind, um den Erwerb nicht entschuldungsfähiger Grundstücke durch das Reich zu ermöglichen. Die Fragen der Siedlung oder der sonstigen Verwendung dieser Grundstücke brauchen in diesem Entwurfe noch nicht geregelt zu werden. Ich wäre dankbar, wenn aus den vorstehend dargelegten Gründen der anliegende Entwurf zur beschleunigten Beschlußfassung auf die Tagesordnung der nächsten Kabinettssitzung gesetzt werden könnte. Der Entscheidung der Siedlungsfragen wird dadurch, wie bereits betont, in keiner Weise vorgegriffen.
- 5
In der Anlage abgedruckt. Der NotVoEntw. ist auch auszugsweise veröffentlicht in Ursachen und Folgen, Bd. VIII, Dok. Nr. 1839.
25 Abdrucke dieses Schreibens sind beigefügt.
Schlange