1.88.4 (mu22p): 4. Fürsorge für die auswandernden deutschen Kolonisten in Sibirien.

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4. Fürsorge für die auswandernden deutschen Kolonisten in Sibirien.

Reichsminister Dr. Curtius begründete die Vorlage12. Er teilte mit, daß neuerdings die Wahrscheinlichkeit, daß Kanada die Einwanderer hineinlasse, etwas gestiegen sei.

12

Vom AA war beantragt worden, daß 3 Mio RM bereitgestellt werden sollten für die Unterstützung deutschstämmiger, mennonitischer Kolonisten, die Rußland auf Grund der Lebensmittelnot und der Sozialisierungsmaßnahmen verlassen wollten. Kanada habe sich gegenüber der Aufnahmebitte bisher zurückhaltend geäußert (6. 11.; R 43 I /141 , Bl. 3-5, hier: Bl. 3-5). Planck schlug in seinem Referentenvermerk vor, den Antrag des AA abzulehnen und lediglich Mittel für die Rückkehr nach Sibirien bereitzustellen (7. 11.; R 43 I /141 , Bl. 6 f., hier: Bl. 6 f.).

Staatssekretär Dr. Meissner berichtete, der Herr Reichspräsident habe als Ehrenpräsident des Deutschen Roten Kreuzes eine umfassende Aktion zugunsten der Kolonisten angeregt, um sowohl ihr Los in Rußland zu erleichtern wie Mittel zu ihrer Überführung zu beschaffen.

Hierzu bemerkte der Reichskanzler daß auch der Präsident der Deutschen Nothilfe zu einer Aktion bereit sei. Er, der Reichskanzler, habe veranlaßt, daß auch diese Maßnahmen im Rahmen der Aktion des Roten Kreuzes vorgenommen würden.

Gegenüber einer Anregung des Reichskanzlers, den Völkerbund einzuschalten, führte Reichsminister Dr. Curtius aus, bisher seien dem Völkerbund derartige Aktionen nicht gelungen13. Insbesondere habe gerade jetzt das Hilfswerk[1132] für die Armenier, für das Nansen sich so warm eingesetzt habe, mit einem völligen Fiasko geendet. Vom Völkerbund sei also praktische Hilfe kaum zu gewärtigen. Außerdem könne eine Aktion Deutschlands beim Völkerbund in dieser Angelegenheit politisch sehr unerwünschte Folgen gegenüber der Sowjet-Regierung hervorrufen, die dies zweifellos als einen unfreundlichen Schritt Deutschlands betrachten werde.

13

Diese Ansicht wurde durch den deutschen Vertreter beim Völkerbund Dufour-Feronc bestätigt (20. 11.; R 43 I /141 , Bl. 95 f., hier: Bl. 95 f.). Zuvor war vom RPräs. bereits vorgeschlagen worden, einen Spendenaufruf zu erlassen, der von der RReg., den Kommunen und den Wirtschaftsverbänden unterzeichnet werden sollte (Meissner an Pünder, 12. 11.; R 43 I /141 , Bl. 26-28, hier: Bl. 26-28).

Der Reichsminister der Finanzen wendete sich gegen den Vorschlag des Auswärtigen Amts, obwohl er die humanitären Gründe, die für ihn sprächen, voll anerkenne. Bei 3 Millionen RM werde es sicherlich nicht bleiben. Schon jetzt sei die Zahl der Auswanderer in und um Moskau auf 15 000 gestiegen. 80 000 Menschen deutscher Herkunft seien in Bewegung im Innern Rußlands. Die finanzielle und politische Tragweite einer solchen Hilfsaktion sei also gar nicht abzusehen. Aus haushaltsrechtlichen Gründen müßten vor jeder Bereitstellung von Mitteln im übrigen mindestens die Parteiführer oder der Haushaltsausschuß gehört werden.

Staatssekretär Dr. Weismann äußerte ebenfalls namens des Preußischen Ministerpräsidenten Bedenken gegen die Vorlage.

Das Reichskabinett beschloß, daß die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien sowie der Deutschnationalen Volkspartei und der Wirtschaftlichen Vereinigung in einer gemeinsamen Parteiführerbesprechung unter dem Vorsitz des Reichskanzlers vom Stand der Dinge unterrichtet werden sollen. Es bestand Einvernehmen darüber, daß in dieser Parteiführerbesprechung von einem Vorschlage der Reichsregierung, wie er in der Kabinettsvorlage des Auswärtigen Amts befürwortet war, zunächst abgesehen werden soll14.

14

Siehe Dok. Nr. 351.

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