2.22.2 (vsc1p): [Anlage 2.]

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Text

RTF

[86] [Anlage 2.]

Protokoll15

Freitag, den 9. September 32.

Pressezimmer des Ministerium des Innern.

Anwesend:

Der Reichsminister des Innern

Der Reichswehrminister

Dr. Planck als Vertreter des Reichskanzlers

Ministerialrat16

Die Herren Eggert, Grassmann und Dressel

Die Herren Gregor Strasser und Wagner.

Herr von Schleicher begrüßt die erschienenen Herren und entschuldigt das Fernbleiben des bedauerlicherweise verhinderten Herrn Reichskanzler17. Zu seiner Vertretung sei Herr Dr. Planck anwesend: Er, der Reichswehrminister, sei um so lieber Leiter dieser persönlichen Aussprache, da der Gedanke, persöhnliche[!] so erfreuliche Gegner wie die erschienenen zur sachlichen Aussprache zu bringen, von ihm ausgegangen sei.

Darauf kurze Pause zur gegenseitigen Vorstellung. Es spricht darauf der Wirtschaftstheoretiker der NSDAP Herr Wagner und entwickelt seine bekannten Ideen von den ständischen Aufgaben der Gewerkschaften, die in ihrer heute rein klassenkämpferischen Gestalt vom Wesen der wahren Gewerkschaft, d. h. Zusammenschluß einer Arbeits- und Arbeitergemeinschaft, sich allzuweit entfernt hätten. Grundsatz dieser wahren Gewerkschaft sei ihre Totalität bezgl. ihres personellen und fachweisen Geltungsgebietes.

Die praktische Konsequenz dieses Grundsatzes sei der Einbau der Gewerkschaften in den staatlichen Apparat. Zuerst Zusammenfassung aller bestehenden Arbeitnehmerorganisationen nach Fachgebieten, sodann eine Art Zwangsmitgliedschaft und dann Übernahme des gesamten dazu notwendigen Apparates durch den Staat. Dadurch sei auf der einen Seite dem Staat die Möglichkeit eines intensiven Einflusses gesichert, auf der anderen Seite seien die Arbeitnehmerinteressen vielmehr[!] gewahrt als in der zur Zeit herrschenden Zersplitterung in freie, christliche usw. Gewerkschaften.

Er persöhnlich[!] richte deshalb an die hieranwesenden[!] Vertreter der staatlichen Gewalt die dringende Aufforderung, alles zu tun, um den gesamten Fragenkomplex: Gewerkschaften in diesem Sinne zu lösen.

[87] Nach ihm sprach ganz kurz Herr Strasser, der sich und die von ihm vertretene Partei im wesentlichen mit den Anschauungen Wagners identifizierte, wobei er allerdings offenließ, daß man sich über die zur Durchführung notwendigen Maßnahmen streiten könne. Er sei fest davon überzeugt, daß im staatlichen Apparat die Gegensätze sich ausgleichen und achtbare Gegner freundschaftliche Mitarbeiter sein könnten. (Letzteres offenbar an die Adresse der Herren vom ADGB. Der Referent handschrftl.)

Herr von Schleicher erklärte dann auch kurz seine persönliche Übereinstimmung mit den Herren Wagner und Strasser, obwohl er in anderen Fragen sich durchaus auf die eigene Meinung zurückziehen müsse.

Sodann sprach äußerst vorsichtig und zurückhaltend Herr Eggert, der ohne weiteres erkennen ließ, daß er grundsätzlich mit dem Ziele der Verstaatlichung einverstanden sei. Er machte dann aber auf die außerordentliche Schwierigkeit der Zusammenfassung so heterogener Elemente aufmerksam. (Zwischenruf des Herrn Wagner: Es handelt sich ja dann um eine Behörde, was allseitig mit Heiterkeit quittiert wurde) Eggert glaubte, daß es praktischer sei, zuerst mit einer Machtanhäufung der Gewerkschaften zu beginnen, bevor man an die Verstaatlichung herangehe. Die Gewerkschaften, für die er spreche, könnten nicht so ohne weiteres auf die wertvollen, jetzt noch revolutionären Kräfte verzichten, die bei einer offenen Verstaatlichung unter ständischen Gesichtspunkten sich einem dahin zielenden Zwang mit allen Mitteln wiedersetzen[!] würden. Andererseits sei bei der Hereinnahme dieser Kräfte mit deren Überhandnehmen und einem durchkreuzen[!] der vorgetragenen Absichten in bolschewistischem Sinne zu rechnen. Man muß daher allen Organisationen Zeit lassen, diesen Gedankengängen assimiliert zu werden.

Durch die Ideologie der Gewerkschaften sei die Assimilation schon weit, aber noch nicht weit genug fortgeschritten.

Herr von Schleicher wiess[!] darauf hin, daß es ihm als Inhaber der tatsächlichen Macht ein leichtes sei, revolutionäre Elemente in Schach zu halten.

Es entspann sich eine lebhafte Debatte, aus der lediglich interessant war, daß sie die Unsicherheit aufzeigte, mit der beide vertretenen Richtungen die Möglichkeit ihrer Machtauswirkung betrachteten.

Zum Schluß dankte Herr von Schleicher nochmals und betonte die erfreuliche sachliche Übereinstimmung. Es sei jetzt die nächste Aufgabe, im eigenen Kreise die Fragen zu klären und für sie zu arbeiten. Er glaube, dieses Versprechen von den Herren zu bekommen. Mit der Bitte um weitestgehende Diskretion wurde die Aussprache geschlossen.

Ministerialrat18.

Verfügung (Mit Stift)

Keine Abschrift des Protokolls,

Streng vertraulich zu den Gew. Akten des Reichsinnenministers

11. 9. Pl.

Mit Blaustift

Gew. A. 1932. 145619.

Fußnoten

15

Wie Anm. 11.

16

Wie Anm. 12.

17

Hierzu bemerkt v. Papen, der RWeM habe ihm den Vorschlag gemacht, „solche Verhandlungen seien besser durch ihn als durch mich zu führen. Dieser Vorschlag erschien mir richtig, da Schleicher seit Jahren in dem Ruf stand, einen guten persönlichen Draht zu den Gewerkschaften zu haben. Es konnte ja nur von Nutzen für die Reichspolitik sein, wenn dieser persönliche Kontakt ausgenutzt wurde.“ Daher habe er sich „absprachegemäß“ entschuldigen lassen (Franz v. Papen: Vom Scheitern einer Demokratie. S. 259). Am gleichen Tag fand in der Rkei eine Besprechung zwischen dem RK und dem Grafen Kalckreuth und anderen Mitgliedern der „Grünen Front“ über die Einfuhrkontingentierung statt (s. diese Edition: Das Kabinett v. Papen).

18

Wie Anm. 12. – In seinen Memoiren berichtet v. Papen, daß das gesamte Protokoll „handschriftlich“ von StS Planck stamme (a.a.O., S. 259).

19

Zum Aktenzeichen s. o. Anm. 4.

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