2.93 (vpa1p): Nr. 92 Die amtsenthobenen Preußischen Staatsminister an die Landesregierungen und die Vertretungen der Länder beim Reichsrat. 30. Juli 1932

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Nr. 92
Die amtsenthobenen Preußischen Staatsminister an die Landesregierungen und die Vertretungen der Länder beim Reichsrat. 30. Juli 1932

R 43 I /2280 , S. 548–549 Abschrift

[Vertretung Preußens im Reichsrat]

Durch das Vorgehen der Reichsregierung im Reichsrat1 werden die Preußischen Staatsminister und der Reichsrat selbst in eine unwürdige Lage versetzt. Keine Bestimmung der Reichsverfassung gibt der Reichsregierung und dem Reichsrat das Recht, eine Sitzung ohne Einladung und unter Ausschluß der Preußischen Staatsminister abzuhalten, wenn diese zum Erscheinen bereit sind. Ebensowenig gibt irgendeine Bestimmung der Reichsverfassung der Reichsregierung oder einem Kommissar des Herrn Reichspräsidenten das Recht, Bevollmächtigte für Preußen zu entsenden und zu instruieren. Namens der Preußischen Staatsminister bitte ich daher, um schwerste und dauernde Rückwirkungen auf das Verfassungsleben zu vermeiden, daß die Landesregierungen in der nächsten Vollsitzung des Reichsrats2 ohne Eintritt in eine sachliche Verhandlung[340] die Vertagung der Sitzung herbeiführen. Ich bitte ferner, durch Schreiben an den Herrn Reichsminister des Innern – dem Antrage der Preußischen Staatsminister3 entsprechend – die Einberufung des Verfassungsausschusses des Reichsrats zur weiteren Erörterung der Frage zu beantragen, oder eine solche Einberufung in der Plenarsitzung zu beschließen.

Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß die Entscheidung des Staatsgerichtshofes bereits in Kürze zu erwarten ist. Die Reichsregierung hat trotz der gegenteiligen Bitte des Herrn Vorsitzenden des Staatsgerichtshofs4 zu erkennen gegeben, daß sie die Fristen bis zum Äußersten ausnutzen wird. Die Erklärung der Reichsregierung auf die Klage wird daher erst am 5. August eingehen5. Selbst wenn daraufhin keine Beweiserhebungen erfolgen, kann mit der Hauptverhandlung frühestens Ende August gerechnet werden, da zwischen der Anberaumung des Termins und dem Termin eine Frist von 14 Tagen in der Geschäftsordnung des Staatsgerichtshofes vorgesehen ist. Im Falle eines weiteren Schriftwechsels und irgendwelcher Beweiserhebungen würde sich die Entscheidung des Staatsgerichtshofes um weitere Wochen oder Monate verzögern6.

Der Reichsrat kann sich daher der Aufgabe nicht entziehen, in der Zwischenzeit selbst zu der geschaffenen Lage Stellung zu nehmen und die Voraussetzungen für seine ordnungsmäßige Zusammensetzung zu prüfen. Er kann keinesfalls Erklärungen der einen Seite in den mündlichen Verhandlungen der Ausschüsse und des Plenums entgegennehmen, ohne zugleich die Staatsminister oder deren Vertreter anzuhören. Ebensowenig kann er, wenn die ordnungsmäßigen Vertreter Preußens an der Anwesenheit verhindert werden, die Anwesenheit nicht ordnungsmäßiger Vertreter gestatten.

Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß der Reichsrat stets das Recht für sich in Anspruch genommen hat, die Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen und Verordnungen des Reichspräsidenten nachzuprüfen7.

Für die Preußischen Staatsminister

gez. Hirtsiefer

Fußnoten

1

Vgl. Dok. Nr. 91.

2

2.8.32. Vgl. unten Anm. 7.

3

Vgl. Anm. 6 zu Dok. Nr. 86.

4

Bumke.

5

Vgl. Anm. 11 zu Dok. Nr. 85.

6

Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs in der Streitsache Preußen gegen das Reich erfolgte erst am 25.10.32. Vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 177.

7

In der Vollsitzung des RR am 2. 8. entsprach die Mehrheit der Länder diesen Wünschen nicht, sondern erklärte sich – wenn auch unter erheblichen Bedenken und Vorbehalten – bereit, an den Arbeiten des RR bis zur Entscheidung der Rechtsfrage durch den Staatsgerichtshof weiter teilzunehmen. Näheres dazu in Anm. 4 zu Dok. Nr. 93.

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