2.142 (bru1p): Nr. 142 Die Abgeordneten Hugenberg und Oberfohren an den Reichskanzler. 19. Oktober 1930

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Nr. 142
Die Abgeordneten Hugenberg und Oberfohren an den Reichskanzler. 19. Oktober 1930

R 43 I /2654  Bl. 250–251

[Haltung der DNVP zur Regierung Brüning.]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Am 17. Juli d. J. – vor der Abstimmung über die Notverordnungen vom 16. Juli – hatten wir Gelegenheit, Ihnen unsere Ansichten über die Möglichkeit der Bildung einer wirklich nichtmarxistischen Reichsregierung darzulegen1. Wir haben uns damals zur Beteiligung an einer solchen unter der Voraussetzung bereit erklärt, daß damit auch der ausschlaggebende Einfluß der Sozialdemokratie auf Preußen beseitigt werde. Sie erklärten sich außerstande, in dieser Richtung einen wirksamen Einfluß auf Ihre in Preußen zusammen mit der Sozialdemokratie regierenden Parteifreunde aus[zu]üben. Die damit in ihrem Kerne bezeichnete Sachlage hat zur Auflösung des Reichstages geführt.

Angesichts der bevorstehenden neuen Abstimmung halten wir es für erforderlich, unmißverständlich festzulegen, daß es die Frage der der Regierungsbildung und des Regierungssystems in Preußen ist, die auch jetzt wieder einer politischen Zusammenarbeit der nichtmarxistischen Parteien zur Lösung der immer gefahrdrohender vor Deutschland und der Welt aufsteigenden deutschen Frage entgegensteht. Die Abneigung des Zentrums, in Preußen die Verbindung[537] mit der Sozialdemokratie zu lösen, ist nach der von Woche zu Woche sich immer klarer abzeichnenden Entwicklung der tiefste und innerste Grund, aus dem heraus die Tribut-, Finanz- und Wirtschaftskrise Deutschlands jetzt durch die deutsche Verelendung gelöst werden soll, statt durch das mutige Anpacken des Tributproblems. Sie ist der Grund, weshalb wir kein christliches Schulgesetz und keine Gesundung der ethischen Grundlagen unseres Volkslebens bekommen sollen. Sie ist der Grund, weshalb in Preußen – entgegen dem Gebote der Rücksichtnahme auf eine von Grund aus veränderte Volksauffassung – der Landtag nicht aufgelöst werden soll. Sie ist auch der Grund, weshalb durch Fortführung einer falschen Handels- und Wirtschaftspolitik die Gesundung der Landwirtschaft und der Wirtschaft überhaupt, insbesondere aber des deutschen Ostens, und damit zugleich die Lösung der Frage der Arbeitslosigkeit und der Wiederaufrichtung des deutschen Kapitalmarktes unmöglich gemacht wird – trotz aller Gesten gegenteiliger Absichten. Sie ist es, die eine wirklich rettende Finanzreform und auf der andern Seite auch eine gesunde Entwicklung der deutschen Reichswehr verhindert.

Wir halten es für unsere Pflicht, auf diesen Kern der jetzigen Lage immer wieder hinzuweisen und in immer dringenderer Form unsere Anregung zu wiederholen, in Preußen eine Wendung herbeizuführen. Wir tun dies heute – vor neuen entscheidenden Abstimmungen – nochmals, und zwar Ihnen gegenüber, in dem sich zur Zeit das Amt des Reichskanzlers mit dem Einfluß auf die Zentrumspartei vereint. Für die durch eine gegenteilige Auffassung bedingte verderbliche Reichspolitik des jetzigen Kabinetts werden wir auch weiterhin keinerlei Mitverantwortung übernehmen und aus diesem und den noch darzulegenden sonstigen Gründen für die eingebrachten Mißtrauensanträge und für die Aufhebung der erlassenen Notverordnung stimmen2.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Hugenberg

Oberfohren

Fußnoten

1

S. dazu Dok. Nr. 82.

2

Das Kabinett ging in der Ministerbesprechung vom 14. 10. auf diesen Brief ein (Dok. Nr. 143, P. 2).

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