Text
Nr. 318
Der Reichsausschuß für das deutsche Volksbegehren an den Reichsminister des Innern. 10. Oktober 1929
R 43 I/1889, Bl. 31 f., hier: Bl. 31 f. Abschrift1
[Betrifft: Beschlagnahmung von Material des Reichsausschusses für das Volksbegehren.]
Am 9. Oktober des Jahres haben Kriminalbeamte in Dortmund, Arnsberg und anderen Orten Westfalens – wie sie sagten „im Auftrage des Reichsinnenministers Severing“ – Haussuchungen auch bei Persönlichkeiten vorgenommen, die, wie z. B. der Major a. D. Heider in Dortmund, nicht Mitglieder des Stahlhelms sind2, und haben dort die zahlreichen Rundschreiben und Einzelanweisungen des Reichsausschusses für die Durchführung des Volksbegehrens und alles Werbematerial für das Volksbegehren beschlagnahmt und fortgeschafft. Sie gaben ausdrücklich an, zur Beschlagnahme auch des Materials des Reichsausschusses für das deutsche Volksbegehren beauftragt zu sein und wiesen einen schriftlichen Befehl dazu vor. Daraus geht hervor, daß mit dem – im Einverständnis mit Ihnen – angeordneten und von den Kriminalbeamten durchgeführten Vorgehen jedenfalls auch die Vorarbeiten für das Volksbegehren in verfassungswidriger Weise gestört werden sollten.
Die hier begangene Verfassungsverletzung, gegen die alle gesetzlichen Schritte vorbehalten bleiben, wird dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß das Material für das Volksbegehren, nachdem die Beamten es durchgesehen hatten, nach einiger Zeit wieder zurückgebracht wurde. Damit ist lediglich der Rechtsbruch zugestanden.
[1035] Wir müssen von Ihnen, als dem zum besonderen Schutz der Verfassung berufenen Minister fordern, daß die für diese Verfassungsverletzung Schuldigen unverzüglich zur Verantwortung gezogen werden und nachdrücklich Vorsorge gegen solche Verfassungsverletzungen getroffen wird.
Weiter haben die hinter uns stehenden Millionen deutscher Staatsbürger Anspruch auf eine klare Auskunft, ob Sie als der mit dem besonderen Schutz der Verfassung betraute Reichsminister eine Anweisung gegeben oder gebilligt haben, die von den Kriminalbeamten in Westfalen, wie diese es behaupteten, verlangte, daß auch das Material des Reichsausschusses bzw. das Werbematerial für das Volksbegehren beschlagnahmt werden sollte3.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Reichsausschuß
für das
deutsche Volksbegehren.
Der Hauptgeschäftsführer.
gez. von Egan-Krieger
Fußnoten
- 1
Die Abschrift wurde dem RK vom Reichsausschuß übersandt, „mit der Bitte um umgehenden Bescheid, was vom Herrn RK zur Abstellung derartiger Verfassungsbrüche durch staatliche Behörden veranlaßt worden ist“ (R 43 I/1889, Bl. 30, hier: Bl. 30).
- 2
Das bezieht sich auf das Verbot des Stahlhelms im Rheinland und Westfalen am 9.10.29; siehe dazu Dok. Nr. 333 und Schultheß 1929, S. 186.
- 3
Dem in der Presse veröffentlichten Schreiben antwortete der RIM gleichfalls in der Presse, die Durchsuchung falle in die gesetzliche Zuständigkeit und den Anordnungsbereich des PrIM. Im gleichen Sinn antwortete der RK, der sich auf die Feststellung des RIM bezog. Nach Angaben des RIM habe der genannte Major a. D. Heider zu den Leitern des Manövers von Langenberg gehört, das das Stahlhelmverbot auslöste (R 43 I/1889, Bl. 33 f., hier: Bl. 33 f.). Eine weitere Beschwerde des Reichsausschusses wurde dem RK am 16. 10. zugesandt; ihr waren Schreiben an den RIM beigefügt, die Angaben über Erschwerungen und Verhinderungen des Volksbegehrens enthielten (R 43 I/1889, Bl. 89-101, hier: Bl. 89-101).