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[Agrarprogramm und Steuervorlagen]
Der Reichskanzler gab einen kurzen Überblick über die politische Lage und wies u. a. darauf hin, daß die Reichsregierung einen Antrag auf Umstellung der Tagesordnung der Reichstagssitzung vom Sonnabend, den 12. 4., überlegt habe. Die Sozialdemokraten würden wahrscheinlich für eine Umstellung der Tagesordnung stimmen, so daß die Abstimmung über die Steuergesetze vor der Abstimmung über das Agrarprogramm erfolgen könne. Auf jeden Fall halte die Reichsregierung jedoch einen Abänderungsantrag zu Nr. 1949 der Drucksachen des Reichstags1 für erforderlich, daß das Agrarprogramm nur gemeinschaftlich mit dem Finanzprogramm in Kraft treten könne. Durch diesen Abänderungsantrag werde das Junktim zwischen den beiden Programmen formell hergestellt. Die Regierung werde ferner auch nicht auf irgendein wesentliches Steuergesetz verzichten können. Die Entscheidung über diese Fragen müsse unbedingt in der Reichstagssitzung vom 12. 4. fallen. Der erwähnte Verbindungsantrag müsse nach seiner Auffassung als Initiativantrag der Regierungsparteien eingebracht werden.
Der Abgeordnete Esser (Zentrum) stimmte dem Reichskanzler darin zu, daß die Entscheidung nicht länger vertagt werden könne. Das Zentrum werde den Initiativantrag unterzeichnen.
Der Abgeordnete Koch-Weser (DDP) erklärte sich gleichfalls zur Unterzeichnung des Initiativantrags für seine Fraktion bereit.
Der Abgeordnete Drewitz (WP) betonte die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Verabschiedung des Agrarprogramms und des Finanzprogramms. Er erklärte sich gleichfalls für seine Fraktion zur Unterzeichnung des Initiativantrags bereit.
Der Reichskanzler bezeichnete es ferner als notwendig, daß alle wesentlichen Steuergesetze vom Reichstag angenommen würden und das finanzielle Deckungsprogramm in seinem Erträgnis nicht wesentlich beeinträchtigt würde.
Gegen diese Auffassung wurden von seiten der anwesenden Vertreter der Regierungsparteien keine Bedenken geltend gemacht.
Der Reichskanzler stellte zum Schluß Übereinstimmung darüber fest, daß das Agrarprogramm nur gemeinschaftlich mit dem Finanzprogramm in Kraft[51] treten könne. Die Regierungsparteien werden einen dementsprechenden Antrag für die Reichstagssitzung vom 12. 4. einbringen, durch den das Junktim zwischen den beiden Programmen hergestellt wird. Sollte das Junktim oder die Vorlage selbst abgelehnt werden, so wird das Reichskabinett sofort die notwendige Entscheidung treffen.
Das gleiche gilt, wenn die Finanzvorlagen in ihren Erträgen wesentlich beeinträchtigt werden.
Es bestand Übereinstimmung darüber, daß als notwendige Entscheidung die Auflösung des Reichstags anzusehen ist. Sollte z. B. lediglich die Mineralwassersteuer abgelehnt werden, so soll eine Auflösung des Reichstags nicht in Frage kommen.