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Haftstättenverzeichnis

Jüdische Arbeitsbataillone

Die jüdischen Arbeitsbataillone in mit Deutschland verbündeten Staaten in Südosteuropa – vor allem Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn – sind bisher nur wenig erforscht. Diese wandernden Zwangsarbeitslager für Juden wurden während des Zweiten Weltkrieges im Rahmen antisemitischer Maßnahmen der jeweiligen nationalen Regierungen gebildet und waren diesen unterstellt. Bei der Bildung der Bataillone bzw. der Gestaltung der Haft- und Arbeitsbedingungen spielten aber auch rassenideologische und militärstrategische Interessen der deutschen Führung eine Rolle. Von deutscher Seite wurde entsprechend Druck auf die betreffenden Regierungen ausgeübt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den jüdischen Arbeitsbataillonen in Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn unterschieden sich stark. Sie hingen ab von der unterschiedlichen Stärke des in den amtlichen Stellen und in der Bevölkerung ausgeprägten Antisemitismus sowie vom jeweiligen Einfluss des NS-Staates auf die jeweiligen Regierungen.

Nachdem Bulgarien etwa 12.000 jüdische Menschen aus den bulgarisch besetzten Gebieten sowie etwa 8.000 bulgarische Jüdinnen und Juden im März 1943 zur Vernichtung an die Deutschen ausgeliefert hatte, wurden weitere Deportationen aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung eingestellt. Dennoch war die jüdische Bevölkerung zwischen Anfang 1941 und dem Einmarsch der Roten Armee im September 1944 zunehmend antisemitischen Entrechtungs- und Verfolgungsmaßnahmen der bulgarischen Regierung ausgesetzt. Nachdem jüdische Männer – zunächst zwischen 20 und 40 Jahren, später auch Ältere – bereits Anfang 1941 zum Arbeitsdienst in der bulgarischen Armee verpflichtet worden waren, wurden im August 1941 auf deutschen Druck spezielle Arbeitsbataillone für Juden gebildet. Diese waren dem bulgarischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, Straßen und Städtebau unterstellt. Sie waren bei unzureichender Verpflegung und Unterbringung und fehlender medizinischer Versorgung in bewachten Lagern untergebracht, wurden zu körperlicher Schwerstarbeit im Straßen- und Eisenbahnbau zur Sicherung der deutschen Versorgungswege, beim Holzfällen und bei Befestigungs- und Entwässerungsarbeiten gezwungen. Sie waren Misshandlungen und brutalen Strafen durch ihre Bewacher ausgesetzt. Viele kamen aufgrund der auszehrenden und teils lebensgefährlichen Arbeit ums Leben. Zwischen August 1941 und September 1944 gab es über 100 dieser wandernden Zwangsarbeitslager, die meisten auf bulgarischem Territorium, einige auch in den von Bulgarien besetzten Gebieten Jugoslawiens und Griechenlands. Im Zuge des Einmarschs der Roten Armee in Bulgarien im September 1944 wurden die jüdischen Arbeitsbataillone aufgelöst.

Die Zahl der zwischen 1941 und 1944 dort eingesetzten jüdischen Männer wird auf bis zu 15.000 geschätzt. In Rumänien waren bereits 1938 die ersten antisemitischen Gesetze erlassen worden. Ende 1940 wurden Juden aus der Armee ausgeschlossen und jüdische Männer zwischen 18 und 50 Jahren zum Arbeitsdienst verpflichtet. Später wurden auch jüdische Jugendliche und Frauen zur Zwangsarbeit eingesetzt. Ab 1941 übte die deutsche Führung zunehmend Einfluss auf die antisemitischen Maßnahmen des mit Deutschland verbündeten rumänischen Staates aus. Vor dem Hintergrund der von Rumänen und Deutschen gemeinsam verübten Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung in Bessarabien und der Bukowina und der Vertreibung von Hunderttausenden jüdischer Menschen in das von Rumänien annektierte Transnistrien verschlimmerte sich auch die Situation der jüdischen Zwangsarbeiter auf rumänischem Gebiet deutlich. So musste ein großer Teil der Männer in vom rumänischen Militär bewachten Arbeitsbataillonen schwerste Zwangsarbeit im Eisenbahnbau, in Steinbrüchen und bei der Flussbegradigung leisten. Medizinische Versorgung war entweder kaum oder gar nicht vorhanden, ein Teil der Inhaftierten besaß nahezu keine Kleidung, Schläge und drakonische Lagerstrafen waren an der Tagesordnung. Nach dem Sturz der prodeutschen Regierung und dem Übertritt Rumäniens auf die Seite der Alliierten wurden diese Bataillone im August 1944 aufgelöst.

In der Slowakei waren der slowakischen Armee ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt neben einer Sträflingskompanie und einer Kompanie für „Zigeuner“ auch drei Arbeitskompanien für Juden zugeordnet. Die ca. 1.000 dort eingesetzten jüdischen Zwangsarbeiter waren in der Westslowakei und zeitweilig auch im besetzten Polen zu Zwangsarbeit bei Entwässerungsbauten und Ausschachtungsarbeiten sowie im Straßenbau eingesetzt. Ihre Unterbringung und Verpflegung sowie die hygienischen Bedingungen in den Lagern waren mangelhaft. Im Gegensatz zu den Inhaftierten anderer Zwangslager für Juden in der Slowakei waren die Angehörigen der Arbeitskompanien durch ihren Arbeitseinsatz jedoch zumindest vor den bis Oktober 1942 durchgeführten Deportationen und damit vor der systematischen Ermordung geschützt. Im Mai 1943 wurden die jüdischen Arbeitskompanien in der Slowakei aufgelöst und die Angehörigen in die slowakischen Zwangslager für Juden deportiert, die bis Oktober 1942 der Deportationsvorbereitung gedient hatten und die von den Deutschen nach der Besetzung der Slowakei ab September 1944 als Sammellager für Deportationen genutzt wurden.

In Ungarn bestand bereits seit August 1940 eine Arbeitspflicht für jüdische Männer im wehrpflichtigen Alter. Später wurden die Altersgrenzen zunehmend erweitert und auch jüdische Frauen zur Arbeit verpflichtet. Ab 1941 waren jüdische Arbeitsbataillone in Ungarn, 1942/43 auch an der Ostfront sowie 1943/44 in Serbien eingesetzt. Die Arbeits- und Haftbedingungen in den Zwangsarbeitsbataillonen verschlechterten sich sonst auch im Verlauf des Krieges, insbesondere in den an der Ostfront und in Serbien eingesetzten Bataillonen, da diese unter stärkerem deutschen Einfluss standen und außerdem im Kriegsgebiet eingesetzt waren. Während sich die ungarische Regierung bis zum Einmarsch der Deutschen im März 1944 den deutschen Forderungen nach Deportation der jüdischen Bevölkerung widersetzte, kamen im gleichen Zeitraum dennoch über 60.000 Juden in Ungarn durch antisemitischen Terror ums Leben. Etwa ein Drittel der Opfer waren Angehörige der jüdischen Arbeitsbataillone.

Literaturauswahl:

Braham, Randolph. The Politics of Genocide. The Holocaust in Hungary. New York 1981.

Chary, Frederick B.. The Bulgarian Jews and the Final Solution 1940-1944. Pittsburgh 1972.

Gerlach, Christian & Götz Aly. Das letzte Kapitel. Realpolitik, Ideologie und der Mord an den ungarischen Juden 1944/45. Stuttgart/München 2002.

Ioanid, Radu. The Holocaust in Romania. The Destruction of Jews and Gypsies under the Antonescu Regime, 1940-1944. Chicago 2000.

Lipscher, Ladislav. Die Juden im slowakischen Staat 1939-1945. München/Berlin 1980.

Tamir, Vicky. Bulgaria and her Jews. The History of a Dubious Symbiosis. New York 1979.

Voinea, Andrej. Sanduhr aus Steinen. Jüdische Zwangsarbeiter in Rumänien 1940-1944. Konstanz 2000.