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Haftstättenverzeichnis

Zwangsarbeitslager für Juden (ZAL für Juden)

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Jüdische Zwangsarbeiter beim Straßenbau in Jugoslawien, 1941

Quelle: Bundesarchiv, Bild 101i-185-0135-03; Foto: Franke

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Nach der Errichtung des NS-Regimes1933 begann die schrittweise Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung aus der deutschen Gesellschaft, ab 1938 verschärften die staatlichen Stellen im Deutschen Reich ihre systematische Entrechtung. Im Zweiten Weltkriegs dehnten die Nationalsozialisten ihre antisemitische Politik auf immer weitere Teile Europas aus und begannen ab 1941 mit der systematischen Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Zwangsarbeitslager für Juden zu bewerten, die ab 1938 zunächst im Deutschen Reich, später dann vor allem in Ost -und Südosteuropa entstanden. Anfangs hatte Zwangsarbeit von Juden keine primär wirtschaftliche Bedeutung, sondern bestand oft in sinnloser Arbeit, die der Erniedrigung und Demütigung der Opfer dienen sollte. Erst mit dem steigenden Bedarf an Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie und anderen „kriegswichtigen“ Wirtschaftszweigen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs gewann die ökonomische „Verwertung“ der jüdischen Arbeitskraft an Bedeutung. Diese Form der Ausbeutung setzte im Zweiten Weltkrieg das grundsätzliche Ziel der Nationalsozialisten – die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden – nicht außer Kraft, sondern bedeutete allenfalls einen zeitlichen Aufschub der Ermordung. Die Grenze zwischen Zwangsarbeitslagern und Vernichtungsstätten, in denen systematisch getötet wurde, war vor allem in Polen und in den besetzten Gebieten der Sowjetunion fließend. Eine klare Grenzziehung zwischen diesen Lagertypen wurde zudem mit fortschreitendem Kriegsverlauf zunehmend unmöglich, da sich die nationalsozialistische Vernichtungspolitik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges immer weiter radikalisierte. Für die Zwangsarbeitslager für Juden muss daher von Orten der „Vernichtung durch Arbeit“ gesprochen werden, um den Übergang von Zwangsarbeit zur physischen Vernichtung zu verdeutlichen. Eine klare Grenzziehung zwischen Vernichtungslagern und Zwangsarbeitslagern für Juden erscheint daher im historischen Rückblick als wenig sinnvoll, gerade weil dadurch eine Eindeutigkeit nahegelegt würde, die geschichtlich so nicht bestanden hat. Das wird deutlich anhand der Todesrate in den Zwangsarbeitslagern für Juden. Allein in den Lagern auf dem Gebiet des „Generalgouvernements“ im besetzten Polen kamen schätzungsweise 200.000 Menschen aufgrund schlechter Haft -und Arbeitsbedingungen ums Leben. Diese Haft -und Arbeitsbedingungen waren nicht zufällig, etwa aufgrund der Kriegsumstände entstanden, sondern integraler Bestanteil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.

Auf dem Reichsgebiet entstanden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die ersten Zwangsarbeitslager für Juden. Sie unterschieden sich dabei erheblich von den späteren Lagern in den besetzten Gebieten, vor allem in Ost- und Südosteuropa.

Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden jüdische Männer in Deutschland unter der Regie der Reichsarbeitsverwaltung zur Zwangsarbeit herangezogen und in Lagern untergebracht. Diese meist kleinen und oft nur wenige Monate bestehenden Lager wurden entweder von kommunalen Einrichtungen oder von Privatunternehmen getragen. Den Hintergrund für diese Maßnahmen bildete die antisemitische Politik der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, die – vor allem im Zuge des steigenden Bedarfs an Arbeitskräften – verbunden war mit dem Ziel, die Arbeitskraft der jüdischen Bevölkerung maximal auszubeuten. Durch den seit 1938 von den Nationalsozialisten vorangetriebenen Ausschluss aus dem Wirtschaftsleben wurden immer mehr jüdische Menschen in Erwerbslosigkeit und Armut gedrängt.

Auf dem Gebiet des Deutschen Reiches mussten Jüdinnen und Juden ab Herbst 1940 unter anderem auch in der Rüstungsindustrie arbeiten. Nach Kriegsbeginn wurden auch die von jüdischen Vereinen zur Auswanderungsvorbereitung und später von der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland getragenen Umschulungslager zunehmend in das System der Zwangsarbeit integriert und von den Nazis entsprechend reorganisiert. Die Funktion der im Reichsgebiet für Jüdinnen und Juden eingerichteten Lager verschob sich ab 1941 von Arbeits- hin zu Wohn -und Arbeitslagern, in denen Frauen, Männer und Kinder im Zuge der Deportationsvorbereitungen „konzentriert“ wurden. Im Zuge der Deportation der jüdischen Bevölkerung in das besetzte Polen ab 1942 wurden die Arbeitslager im Reichsgebiet schließlich bis auf wenige Ausnahmen bis Mitte 1943 aufgelöst.

Im Rahmen der am 26. Oktober 1939 erfolgten Errichtung des Generalgouvernements auf besetztem polnischen Gebiet verfügten die Nationalsozialisten erstmals mit der „Verordnung über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung des Generalgouvernement“, dass dort lebende männliche Bevölkerung zwischen dem 14. und dem 60. Lebensjahr für mindestens zwei Jahre Zwangsarbeit zu verrichten hatten und zu diesem Zwecke in Lagern untergebracht werden sollten. Die Deportation von Jüdinnen und Juden in zunehmend von der Außenwelt abgeschnittene Ghettos zog jedoch zunächst ihren Ausschluss aus dem normalen Wirtschaftsleben nach sich, während im Ghetto selbst die Arbeitsmöglichkeiten begrenzt waren. Die Zivilverwaltung forderte daraufhin von den Ghettoverwaltungen Zwangsarbeiter an. Diese wurden entweder in Tageskommandos eingesetzt oder aber in Zwangsarbeiterlager verbracht. Von dort vermittelten die Sicherheitspolizei, die Zivilverwaltung oder die städtischen Verwaltungen die – überwiegend männlichen – Inhaftierten in erster Linie an Privatunternehmen.

Diese Zwangsarbeiterlager für Juden auf besetztem polnischen Gebiet unterschieden sich in mehrfacher Hinsicht von den Konzentrationslagern: Sie waren nicht zentralisiert und boten den Verantwortlichen einen größeren Spielraum, der jedoch in der Regel nicht zugunsten der Häftlinge ausgelegt wurde. Ein besonderes Kennzeichen dieser Lager war weiterhin der Haftgrund, der im Gegensatz zu den Konzentrationslagern ausschließlich rassistisch begründet war. Auch waren die dort Inhaftierten spätestens seit der Entscheidung zur systematischen Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden dazu bestimmt, ermordet zu werden. Während der als „nicht arbeitsfähig“ eingestufte Teil der jüdischen Bevölkerung deportiert und ermordet wurde, war der Tod der – meist männlichen – Zwangsarbeitskräfte nur so lange aufgeschoben, wie diese als arbeitsfähig eingestuft wurden. War dieser Zeitpunkt erreicht, wurden die Inhaftierten ebenfalls entweder in Vernichtungslager transportiert und dort ermordet oder sie wurden an Ort und Stelle bzw. in der Nähe des jeweiligen „ZAL für Juden“ getötet. Mit der Juli 1942 beginnenden systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ wurden auch die jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Opfer der Vernichtung durch Giftgas. Die verbliebenen Ghettos und Zwangsarbeiterlager wurden nach und nach geschlossen. Anfang 1943 wurden die Überlebenden der Zwangsarbeiterlager überwiegend in Konzentrationslager deportiert; andere wurden in ein Zentrallager überstellt und in der Eisenindustrie zur Zwangsarbeit eingesetzt. 1944 waren noch zehn Zwangsarbeiterlager existent, die jedoch als Außenlager des KZ Lublin geführt wurden. Im Februar 1943 wurde Majdanek in das Konzentrationslager Lublin für Juden und polnische Häftlinge umbenannt. Eine Ausnahme bildete das Gebiet Oberschlesiens. Die hier lebenden jüdischen Menschen wurden zunächst nicht in das Generalgouvernement deportiert. Unter der Leitung des „Sonderbeauftragten des RF-SS für fremdvölkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien“, SS-Brigadeführer Albrecht Schmelt, wurden sie in vor Ort eingerichtete Lager eingewiesen und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Die über 170 Zwangsarbeiterlager mit zeitweise über 50.000 Arbeitskräften der Dienststelle Schmelt , auch Organisation Schmelt genannt, von denen etwa die Hälfte Frauenlager waren bzw. Frauenabteilungen aufwiesen, waren relativ klein und befanden sich meist in direkter Nähe der Wirtschaftsbetriebe, in denen die Inhaftierten arbeiten mussten. Bewacht wurden sie in erster Linie von volksdeutschen Hilfspolizisten und Schutzpolizisten. Die Häftlinge mussten vor allem im Rahmen von Bauarbeiten, aber auch in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten.

Die Haftbedingungen waren schlechter als in den Lagern im „Altreich“. Ab Mitte 1943 wurden die Lager der Dienststelle Schmelt den Konzentrationslagern Auschwitz bzw. Groß-Rosen unterstellt bzw. aufgelöst. Mit der Deportation und Ermordung der Inhaftierten fand dieses Lagersystem sein Ende.

Neben den Lagern in Schlesien und dem Generalgouvernement wurden auch in anderen vom Deutschen Reich vor bzw. im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten in Osteuropa – in der Tschechoslowakei, Polen, der Sowjetunion und Ungarn – Zwangsarbeiterlager für Juden etabliert. In der Sowjetunion stand die – meist von der Militärverwaltung, zum Teil auch von der Wirtschaftsinspektion oder der Zivilverwaltung initiierte – Rekrutierung von Jüdinnen und Juden zur Zwangsarbeit von Beginn an in einem engen Verhältnis zur massenhaften Ermordung jüdischer Menschen. Weil die Vernichtung der Jüdinnen und Juden das vorrangige Ziel bildete, hatten die nach der Einführung der Arbeitspflicht für jüdische Männer zwischen 15 und 60 und jüdischen Frauen zwischen 16 und 50 Jahren entstehenden Ghettobetriebe und Zwangsarbeiterlager auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion eher provisorischen Charakter. Erst mit dem ab 1941/42 wachsenden Bedarf an Arbeitskräften, der nicht zuletzt durch die Verschleppung nicht-jüdischer sowjetischer Zivilarbeiter ins Reich entstanden war, interessierten sich die deutschen Behörden kurzzeitig für eine effizientere Ausbeutung der Arbeitskraft der jüdischen Bevölkerung. So bestanden die durch den Höheren SS-und Polizeiführer und die Organisation Todt errichteten Zwangsarbeitslager für Juden an der so genannten Durchgangsstraße IV zwischen Lemberg und Dnjepropetrowsk zum Teil noch bis Dezember 1943. Viele der Inhaftierten dieser Lager fielen dem Massenmord zum Opfer. Die Überlebenden wurden von der Roten Armee befreit.

Auch in mit Deutschland verbündeten Staaten wurden während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiterlager für Juden eingerichtet, die in der Regel den jeweiligen nationalen Regierungen unterstellt waren. Diese Lager befanden sich teils auf dem Territorium dieser Länder, teils außerhalb auf von den Achsenmächten bzw. ihren Verbündeten besetztem Gebiet. So deportierte die rumänische Führung zwischen September 1941 und Oktober 1942 zwischen 150.000 und 185.000 jüdische Menschen in das von Rumänien annektierte Transnistrien. Viele von ihnen starben aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen in den Zwangsarbeitslagern oder wurden in Todeslagern oder von Erschießungskommandos ermordet. Unter anderem gehörten jüdische Zwangsarbeiter auch speziellen jüdischen Arbeitsbataillonen an, die ebenfalls den jeweiligen nationalen Behörden unterstellt waren. Mit wachsendem Einfluss der Deutschen bzw. mit der Besetzung des jeweiligen Landes durch das deutsche Militär verschob sich die antisemitische Politik von Entrechtung und Ausbeutung meist hin zur Vernichtung durch Arbeit oder mündete direkt in der Ermordung entweder durch deutsche oder nichtdeutsche Mordkommandos oder in der Deportation in die Vernichtungslager.

Literaturauswahl:

Gruner, Wolf. Der geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden. Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 1938-1943. Berlin 1997.

Pohl, Dieter. Die großen Zwangsarbeiterlager der SS-und Polizeiführer für Juden im Generalgouvernement 1942-1945. In: Herbert, Ulrich, Karin Orth & Christoph Dieckmann (Hg). Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur. Bd. I. Göttingen 1989, S. 415-437.

Pohl, Dieter. Von der „Judenpolitik“ zum Judenmord. Der Distrikt Lublin des Generalgouvernements 1939-1944. Frankfurt a.M. 1993.

Steinbacher, Sybille. „Musterstadt“ Auschwitz. Germanisierungspolitik und Judenmord in Oberschlesien. München 2000.