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Kaiserreich und Weimarer Republik

Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus

Nach Kriegsende: Displaced Persons und Repatriierte

Industrialisierung bis zum ersten Weltkrieg

Als Folge der Industrialisierung verließen in der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr junge Menschen ihre Heimat in den östlichen, landwirtschaftlich geprägten Gebieten Preußens. Der Mangel an Landarbeitern führte daher seit den 1860er Jahren dazu, dass immer mehr Saisonarbeiter aus dem damals zum russischen Zarenreich gehörenden Polen nach Preußen kamen. Das im Vergleich zu dem Lohn, den deutsche Arbeiter erhielten, geringe Entgelt war für die polnischen Arbeiter dennoch profitabel. So geschah ihre Anstellung bei den ostelbischen Großgrundbesitzern im beiderseitigen Interesse.

Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte wurde fortan zum normalen Erscheinungsbild in der preußischen Landwirtschaft an Oder und Weichsel. Die polnischen Arbeiter hatten oft unter schlechter Behandlung und Diskriminierungen allerlei Art zu leiden, die aus der Vorstellung von Slawen als minderwertigen Menschen entsprang. Der Nationalsozialismus konnte später auf die bereits vorhandenen rassistischen Vorurteile gegenüber Slawen und Juden aufbauen. Rassistische Gründe und die Furcht vor dem Fremden angesichts der großen Zahl der ausländischen Landarbeiter schürten die Angst vor einer allmählichen Unterwanderung deutscher Gebiete durch polnische Einwohner, vor einer "Polonisierung". Der Staat wollte dem entgegenwirken, indem er den polnischen Arbeitern eine "Karenzpflicht" vorschrieb. Demnach wurden sie gezwungen, in den Wintermonaten, in denen sie für die Landwirtschaft nicht benötigt wurden, in ihre Heimat zurückzukehren. Ihre Sesshaftmachung in Preußen sollte auf jeden Fall verhindert werden.

Waren die Arbeits- und Lebensbedingungen auf einem Gut unerträglich geworden, verließen die Arbeiter den Hof und suchten andernorts eine neue Anstellung. Als Folge sich häufender Fälle solcher Arbeitsvertragsverletzungen ("Kontraktbrüche") brauchte ein ausländischer Saisonarbeiter seit 1908 eine besondere Aufenthaltsberechtigung, die mit der Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber verknüpft wurde ("Inlandslegitimationszwang").

Trotz massiver Mängel und Diskriminierungen bei der Behandlung der Polen waren sie doch freiwillig in Deutschland. Das wirksamste Druckmittel ihnen gegenüber war die Androhung, sie in ihre Heimat zurückzuschicken. Hinzu kam, dass ihre Situation in der deutschen Gesellschaft immer wieder heftig diskutiert und in weiten Kreisen als skandalös empfunden wurde. Auch im Ausland wurden diese Auseinandersetzungen interessiert verfolgt.

Im Westen des Kaiserreichs wurden ausländische Arbeitskräfte vorwiegend aus den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Italien beschäftigt, wobei rassistische Vorurteile kaum eine Rolle spielten. Im Jahr 1907 lag die Ausländerquote am deutschen Arbeitsmarkt bei 4,1 %, das entsprach etwa 800.000 Personen.