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[1239] Nr. 343
Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern des Kohlenbergbaus am 25. Juni 1931
In Gegenwart des Reichsarbeitsministers, des stellvertretenden Reichswirtschaftsministers sowie des Staatssekretärs Dr. Pünder und des Ministerialrats Dr. Feßler (als Protokollführer) empfing der Reichskanzler Vertreter des Kohlenbergbaus zu einer Aussprache über die Auswirkung der Notverordnung auf den Kohlenbergbau1.
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Die Vertreter des Kohlenbergbaus hatten am 19.6.31 um eine Unterredung mit dem RK gebeten (Vermerk des ORegR Planck vom 19.6.31, R 43 I/2178, Bl. 185).
Dr. BonikowskyBonikowsky bat, die Reichsregierung möge von der Ermächtigung keinen Gebrauch machen, die ihr hinsichtlich der Zahlung der Beiträge an die Arbeitslosenversicherung in der neuen Notverordnung gegeben sei2. Er hielt es nicht für möglich, bei Wegfall der Beiträge den Kohlenpreis fühlbar zu senken. Die Erwartung, daß eine erhebliche Senkung einträte, habe die Absatzverhältnisse seit dem Erlaß der Notverordnung außerordentlich beeinträchtigt. Eine baldige Verlautbarung der Reichsregierung über die erbetene Entscheidung möchte erfolgen, um die Nachfrage wieder ansteigen zu lassen.
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In der NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 8 (RGBl. I, S. 297) war die RReg. ermächtigt worden, die Bergleute und ihre Arbeitgeber ganz oder teilweise und auf begrenzte Zeit von der Beitragspflicht zu RAfAuA zu befreien, wenn dadurch eine angemessene Senkung des Kohlenpreises erreicht würde. Der Ausfall der Beiträge sollte der RAfAuA vom Reich ersetzt werden.
Im übrigen wurden von den Vertretern des Kohlenbergbaus ähnliche Ausführungen gemacht, wie in dem beiliegenden Aufsatz der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 16. Juni 1931 „Der Kohlenbergbau lehnt ab“3. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, daß zu einer Senkung der Kohlenpreise die Senkung der Gestehungskosten, insbesondere der Löhne erforderlich sei, die 40% über denen in Frankreich, Belgien und Polen lägen. Der Braunkohlenbergbau wies darauf hin, daß 70% seiner Förderung durch die Brikettfabriken gehe und daß die arbeitstägliche Gewinnung von Briketts auf den Kopf ungefähr der der Steinkohle gleichzusetzen sei (1,45 t Braunkohle, 1,43 t Ruhrkohle).
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In dem genannten Artikel war diese Bestimmung als verfehlte Subvention angegriffen worden, weil die Herabsetzung der Unkosten durch Fortfall der ALV-Beiträge auf die Tonne Nutzförderung an der Ruhr lediglich rd. 0,22 RM, in Oberschlesien nicht über 0,22 RM ausmachen würde, und weil das Reich nicht über die Haushaltsmittel verfüge, die Beitragsausfälle zu ersetzen. Die DAZ hatte in demselben Artikel die Erklärung sämtlicher Kohlensyndikate vom 16.6.31 veröffentlicht, in der die Aussetzung der ALV-Beiträge für den Kohlenbergbau als wirtschaftlich verfehlt und bedenklich abgelehnt worden war (DAZ Nr. 268 vom 16.6.31, R 43 I/2178, Bl. 186–187).
Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg sprach sich für die baldige Veröffentlichung der erbetenen Entscheidung aus, damit sich das Kohlengeschäft darauf einstellen könne.
Der Reichskanzler erklärte, die Reichsregierung habe kein Interesse daran, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Eine Lohnsenkung komme[1240] nicht in Frage. Die politischen Folgen müßten dem Bergbau klar sein. Die Strömungen im Ruhrbergbau gingen dahin, den Regierungen möglichst große politische Schwierigkeiten zu machen und an den eigenen Preisen festzuhalten, Ermäßigungen aber immer auf die Arbeitnehmer abzuschieben.
Würden die Löhne weiter gesenkt, so würden auch die anderen Länder Lohnsenkungen vornehmen. Die Kosten der Produktion würden schließlich auf den gegenwärtigen Stand des Weltmarktpreises für Weizen heruntergedrückt. Die Folgerungen seien klar.
Ein hoher Prozentsatz der Soziallasten sei durch die Rationalisierung bedingt.
Jede Industrie fordere Lohnsenkung, denke dabei aber nicht ausreichend daran, daß dadurch die Kaufkraft weiter sinken würde. Es fehle an großen Gesichtspunkten für Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten. In der verarbeitenden Industrie rege sich die Erkenntnis, daß bei fortgesetzten Lohnsenkungen sich die Absatzverhältnisse immer weiter verschlechtern würden. Er erklärte sich bereit, dem Kabinett vorzuschlagen, von der Ermächtigung wegen der Übernahme der Beiträge an die Arbeitslosenversicherung keinen Gebrauch zu machen. Er würde im Kabinett darüber eine Abstimmung herbeiführen.
Im übrigen bewegten sich die Erörterungen auf lohnpolitischem Gebiete. Die Angaben des Bergbaues über die Lohnhöhe gingen weit auseinander. Von einem Vertreter wurden sie bei der Steinkohle auf 160–165, von einem anderen auf 144 und 111% der Vorkriegshöhe bemessen. Es wurde bemängelt, daß die Prüfung der Gestehungskosten, die vom Reichswirtschaftsministerium vorgenommen worden sei, bei dem schwebenden Schiedsverfahren nicht vorgelegt wurde4.
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Der Bericht des RWiMin. über die Prüfung der Gestehungskosten für Kohlepreise vom 15.6.31 ist in den Akten der Rkei nicht vorhanden. Der Zechen-Verband Essen übersandte am 14.9.31 dem RK die Abschriften eines Schreibens an den RArbM sowie eines Schreibens des Vereins für die bergbaulichen Interessen Essen an das RWiMin. Während das RWiMin. den Verlust für 1 t geförderter Kohle mit 0,50 RM angesetzt hatte, kam der Verein für die bergbaulichen Interessen auf einen Verlust von 2,54 RM je 1 t Kohle (Schreiben in R 43 I/2178, Bl. 305–320). Am 20.6.31 hatte die Schlichtungskammer in einem Schiedsspruch das Lohnabkommen für den Ruhrbergbau vom 10.1.31 (vgl. Dok. Nr. 216, Anm. 3) bis zum 30.9.31 verlängert (DAZ Nr. 275–276 vom 21.6.31). Im September 1931 verschärfte sich der Lohnkonflikt im Ruhrbergbau erneut: s. Dok. Nr. 481.
Hierzu erklärte der Reichsarbeitsminister daß er von der Vorlegung abgesehen habe, weil es sich um eine politische Entscheidung handele und weil früher von Unterlagen dieser Art kein entsprechender Gebrauch gemacht worden sei. Er erklärte sich aber bereit, sie in den Nachverhandlungen vorlegen zu lassen, die bevorständen.
Die Lohngestaltung müsse im großen Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik erörtert werden. Es sei notwendig, die Erstarrung in der Weltwirtschaft zu überwinden. Starke Senkung der Weltmarktpreise wirke sich für die Gläubigerländer wesentlich günstiger aus als für die Staaten, die verschuldet seien. Die Freigabe der Löhne könne nicht in Erwägung gezogen werden, solange die[1241] Bevölkerung in Deutschland durch Kartelle und Syndikate mindestens 5 Milliarden Mehrbelastung tragen müsse.
Es sei ausgeschlossen, jetzt an die Löhne im Ruhrgebiet heranzugehen.
Die Entscheidung des Kabinetts über den vorgebrachten Antrag werde alsbald herbeigeführt, das Ergebnis werde veröffentlicht werden5.
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S. Dok. Nr. 364, P. 2 d.
F.[eßler]