1.165 (ma12p): Nr. 377 Erklärung des Reichskanzlers zur Räumung der ersten Rheinlandzone. 23. Dezember 1924

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Nr. 377
Erklärung des Reichskanzlers zur Räumung der ersten Rheinlandzone. 23. Dezember 1924

R 43 I /417 , Bl. 439-445 Durchschrift

Ein Vertreter der Kölnischen Volkszeitung hatte Gelegenheit, den Reichskanzler über die Frage der Räumung der sogenannten Kölner Zone zu befragen. Der Reichskanzler äußerte sich darüber zu dem Berichterstatter wie folgt1:

1

In der Ministerbesprechung vom 20. 12. war festgelegt worden, daß der RK im Rahmen eines Interviews eine Erklärung zur Frage der Räumung der Kölner Zone abgeben soll (Dok. Nr. 376, P. 2). Die folgende Erklärung des RK wird durch WTB verbreitet; auszugsweiser Abdruck in DAZ Nr. 605 vom 24. 12.

Ich muß auf Ihre Frage wegen der Räumung der ersten Rheinlandzone ganz offen feststellen, daß mich der augenblickliche Stand dieser Angelegenheit mit ernstester Sorge erfüllt. Die alliierten Regierungen scheinen bereits entschlossen zu sein, den im Versailler Vertrag festgesetzten Räumungstermin des 10. Januar2 nicht innezuhalten und als Grund dafür die Frage der deutschen Entwaffnung zu benutzen. Dabei wollen sie sich einstweilen anscheinend mit der Behauptung begnügen, daß ihnen der Bericht der Interalliierten Kontroll-Kommission[1239] über das Ergebnis der Generalinspektion des deutschen Rüstungsstandes noch nicht zugegangen und daß ihnen deshalb eine definitive Entscheidung noch nicht möglich sei. Ob die Kontrollkommission ihren Bericht bis zum 10. Januar noch erstattet oder nicht, und ob die Alliierten diesen Termin einfach stillschweigend vorübergehen lassen oder die Reichsregierung vorher formell von ihrem Beschluß in Kenntnis setzen wollen, steht im Augenblick wohl noch dahin. Die äußere Form des alliierten Vorgehens und seiner Begründung ändert aber an der augenblicklichen Sachlage nichts, und diese Sachlage muß ich nach allen vorliegenden Nachrichten zu meinem Bedauern dahin kennzeichnen, daß die Alliierten schon jetzt, also schon vor Fertigstellung des Berichts der Kontrollkommission, willens sind, die Kölner Zone am 10. Januar nicht zu räumen.

2

Vgl. Art. 429 des VV.

Wenn es wirklich bei dieser Absicht der Alliierten verbleibt, so fürchte ich sehr, daß das Folgen haben könnte, die mir nicht nur vom deutschen Standpunkt, sondern auch vom Standpunkt der europäischen Gesamtpolitik äußerst beklagenswert erscheinen. Das jetzt zu Ende gehende Jahr schien nach all dem fruchtlosen Streit der Nachkriegsjahre endlich eine Wendung zum Besseren bringen zu sollen. Wir haben gehofft, daß mit der Londoner Konferenz eine neue Epoche eingeleitet sei, eine Epoche, in der die großen internationalen Probleme nicht mehr durch einseitige ultimative Entscheidungen und nicht mehr durch Mittel der Machtpolitik, sondern auf dem Wege des friedlichen Ausgleichs der Interessen gelöst werden würden. In der verheißungsvollen Entwicklung, die sich an die Londoner Konferenz knüpfte und die, wie ich gern anerkenne, auch auf der Seite der Alliierten zunächst manche Anzeichen des Willens zur Versöhnung und Verständigung brachte, soll nun anscheinend wieder ein Rückschlag eintreten. Wenn die Politik, die Deutschland und die alliierten Mächte zu den Londoner Vereinbarungen geführt hat, von beiden Seiten loyal weiter verfolgt würde, so müßte ihr nächstes Ergebnis die Räumung der ersten Rheinlandzone am 10. Januar sein. Erfolgt die Räumung an diesem Tage nicht, so drohen alle Erfolge jener Politik hinfällig zu werden. In Deutschland würde das Vertrauen auf die loyale Vertragserfüllung der Alliierten eine schwere Erschütterung erfahren und der Befürchtung Platz machen, daß der große Preis, den wir mit der Übernahme der Lasten aus dem Dawes-Gutachten gezahlt haben, vergeblich gezahlt worden sei, daß also der Verständigungswille, der die Außenpolitik der Reichsregierung geleitet hat, nicht zum Erfolge führe. Namentlich würden die besetzten Gebiete selbst, deren Wünsche für die Annahme der Londoner Vereinbarungen einen so wichtigen Faktor bildeten, den Glauben an ihre Befreiung verlieren, wenn sie sehen, daß die klare Vertragsbestimmung, die einem Teil von ihnen die Beendigung der militärischen Okkupation für den 10. Januar verspricht, von den Alliierten umgangen wird. Ich brauche die Gefahren, die das für die Konsolidierung der deutschen Verhältnisse und unserer gesamten internationalen Beziehungen mit sich bringen würde, nicht näher zu schildern.

Diesen folgenschweren Schritt denken die alliierten Regierungen mit deutschen Versäumnissen in der Entwaffnungsfrage begründen zu können. Ich will vom augenblicklichen Stande der Entwaffnungsfrage zunächst einmal ganz absehen[1240] und nur darauf hinweisen, was diese ganze Art der Begründung schon an und für sich bedeutet. Sie bedeutet ganz einfach die Rückkehr zu der Sanktionspolitik, der doch die Londoner Konferenz endgültig das Urteil gesprochen zu haben schien. Was ist es denn anderes als eine Sanktion im verhängnisvollen Sinne der Politik der Nachkriegsjahre, wenn die Alliierten die militärische Besetzung eines großen deutschen Gebietes aufrechterhalten, weil sie einseitig, und zwar auf Grund der Berichte ihrer Kontrollorgane, feststellen, daß Deutschland ihrer Ansicht nach den gestellten Entwaffnungsforderungen noch nicht restlos nachgekommen sei? Gewiß, die Londoner Abmachungen behandeln formell die Frage der Sanktionen nur für das Reparationsgebiet3. Macht es denn aber für Deutschland und macht es für die weitere Entwicklung der Gesamtpolitik einen Unterschied, ob dieser unselige Sanktionsbegriff wegen der Reparationsforderungen oder wegen irgendwelcher anderen Forderungen wieder zur Anwendung gelangt? Die öffentliche Meinung fast der gesamten Welt hat sich zur Zeit der Londoner Konferenz entschieden gegen jede Politik mit derartigen Mitteln ausgesprochen, und diese Stellungnahme ist auf den Verlauf der Konferenz nicht ohne Einfluß geblieben. Es kann schon deshalb nicht ohne Rückwirkung bleiben, wenn die alliierten Regierungen jetzt wieder in die Methoden jener Politik zurückfallen.

3

Vgl. Dok. Nr. 283, Abschn. II.

Und nun die Entwaffnungsfrage selbst. Es ist nötig, sich hier nochmals den Verlauf der Diskussion über diese Frage im letzten Jahre zu vergegenwärtigen. Anfang März teilte uns die Botschafterkonferenz mit4, daß die alliierten Regierungen bereit seien, Deutschland die Lasten der Militärkontrolle zu erleichtern, daß sie sich indessen, nachdem die Kontrolle während des größten Teils des Jahres 1923 geruht habe, von dem derzeitigen deutschen Rüstungsstande kein Bild machen könnten, bevor sie diesen noch einmal hätten nachprüfen lassen. Um aus der Sackgasse – wie sich die Note der Botschafterkonferenz damals ausdrückte – herauszukommen, wollten die alliierten Regierungen die Aufgabe der Kontrollkommission auf die Bereinigung der bekannten, von der Botschafterkonferenz im September 1922 noch als unerledigt bezeichneten fünf Punkte beschränken, wenn der Kontrollkommission zuvor die Möglichkeit geboten werde, noch einmal eine allgemeine Inspektion des deutschen Rüstungsstandes vorzunehmen. Die Reichsregierung hielt dieses Verlangen rechtlich nicht für begründet und antwortete zunächst mit bestimmten Gegenvorschlägen5, die auf die Bildung einer besonders zusammengesetzten Kommission für die Bereinigung der fünf Restpunkte und ferner auf die Übertragung der von den Alliierten gewünschten Generalinspektion auf den Völkerbund hinausliefen. Als die Alliierten diese Gegenvorschläge nicht annahmen, sondern darauf bestanden, daß die Generalinspektion durch die Kontrollkommission vorgenommen und daß im Anschluß daran die Erledigung der fünf Punkte stattfinden müsse6, hat sich die Reichsregierung damit trotz schwerer Bedenken[1241] schließlich einverstanden erklärt7. Ich möchte daran erinnern, daß die Reichsregierung diesen Entschluß faßte, nachdem der französische Herr Ministerpräsident und der damalige britische Herr Premierminister in einem besonderen Schreiben unmittelbar den Appell an mich gerichtet hatten8, die Deutsche Regierung möge die internationale Lage nicht gerade in dem Augenblick belasten, wo die Aussicht auf eine schnelle Durchführung des Dawes-Gutachtens die Hoffnung aufkommen lasse, daß eine endgültige Regelung der Reparationsfrage und damit zugleich die Grundlage eines allgemeinen und wirklichen Friedens zwischen den beteiligten Völkern gefunden werden könne. Die beiden Staatsmänner hatten dabei erneut ihren festen Willen zum Ausdruck gebracht, Deutschland durch die Militärkontrolle keine Verlegenheit zu bereiten und die Kontrolle keinen Augenblick länger als unbedingt notwendig fortzusetzen. Diese Vorgeschichte zeigt, daß die Wiederaufnahme der Kontrollhandlungen durch die Kontrollkommission auf einer besonderen Vereinbarung beruhte und daß schon im Hinblick hierauf jede Kritik an dem Verhalten, das deutscherseits in der vorangegangenen Epoche der Kommission gegenüber beobachtet wurde, jetzt als unerheblich ausscheiden muß. Es ist mir deshalb nicht recht verständlich, wenn Lord Curzon in seinen letzten Erklärungen vor dem Oberhaus im Zusammenhang mit der Räumungsfrage davon gesprochen hat, daß Deutschland während der letzten beiden Jahre Obstruktion gegen die Militärkontrolle getrieben habe9. Die Generalinspektion sollte doch vom Standpunkt der Alliierten gerade dazu dienen, die Unterbrechung der Kontrollhandlungen auszugleichen und den endgültigen Abbau der Kontrollkommission vorzubereiten.

4

Note der Botschafterkonferenz vom 5. 3. (Dok. Nr. 158, Anm. 7).

5

Dt. Antwortnote an die Botschafterkonferenz vom 31. 3. (Dok. Nr. 158, Anm. 7 und 8).

6

Note der Botschafterkonferenz vom 28. 5. (Dok. Nr. 226, Anm. 3).

7

Dt. Antwortnote vom 30. 6. (Dok. Nr. 234, Anm. 13).

8

Schreiben des frz. MinPräs. Herriot und des brit. MinPräs. MacDonald an RK Marx vom 22. 6. (Dok. Nr. 234, Anm. 10).

9

S. Dok. Nr. 376, Anm. 2.

Auf dieser Grundlage hat die Generalinspektion Anfang September begonnen10 und seitdem zu mehr als 1700 Kontrollbesuchen geführt. Über die Modalitäten der Durchführung der Inspektion sind lediglich in einigen untergeordneten Einzelfragen gewisse Meinungsverschiedenheiten zwischen den deutschen Behörden und den Kontrollorganen zutage getreten. Die Kontrollkommission selbst wird aber, wie ich glaube, nicht sagen wollen, daß ihr die Erreichung des mit der Inspektion erstrebten Zweckes, die Feststellung des gegenwärtigen Rüstungsstandes, von deutscher Seite unmöglich gemacht worden wäre. Auch die Verhandlungen über die fünf Punkte sind seit längerer Zeit im Gange und haben in manchen Teilen unter erheblichen Zugeständnissen Deutschlands an die alliierten Forderungen schon zu einer Einigung geführt11. Im[1242] übrigen geht es doch nicht an, ohne weiteres von deutschen Verfehlungen und Vertragsverletzungen zu sprechen, wenn die deutschen Stellen in gewissen Punkten anderer Meinung als die alliierten Kontrollorgane sind. Es ist doch leicht erklärlich, daß bei einer so weitreichenden Aktion schließlich gewisse Differenzpunkte überbleiben, die mangels einer autoritativen Instanz für die Auslegung des Vertrags nur im Wege gegenseitiger Verständigung erledigt werden können. Selbst wenn man sich aber einmal auf den Standpunkt der alliierten Regierungen stellen und wenn man annehmen wollte, daß der Verlauf der Generalinspektion hier und da nicht ihren Forderungen entsprochen habe und daß die Meinungsverschiedenheiten über die fünf Punkte noch nicht befriedigend geregelt seien, so könnte man damit doch unmöglich eine so schwerwiegende Maßnahme wie die weitere Besetzung deutschen Gebietes rechtfertigen. Wie man die einzelnen noch offenen Punkte auch beurteilen muß, so handelt es sich doch auf alle Fälle lediglich um Restpunkte, denen im Vergleich mit der ganzen bisher durchgeführten Entwaffnungsaktion nur eine verschwindend geringe Bedeutung zukommt. Ich kann hierbei auf die gestern veröffentlichte deutsche Note an den Völkerbund verweisen12, die in ganz anderem Zusammenhange und aus ganz anderen Gründen den gegenwärtigen deutschen Rüstungsstand darlegt. Die Note zeigt durch unwiderlegliche Zahlen und Tatsachen, daß sich Deutschland in völliger militärischer Ohnmacht inmitten eines stark gerüsteten Europas befindet. Kein Mensch in der Welt kann bestreiten, daß Deutschland alle irgendwie wesentlichen Abrüstungsforderungen erfüllt hat, daß es in einem Maße entwaffnet ist, wie dies wohl noch niemals in der Geschichte ein großes Volk über sich hat ergehen lassen müssen, und daß von irgendwelchen deutschen Angriffsmöglichkeiten auch nicht im entferntesten die Rede sein kann. Darauf kommt es hier aber allein an. Die Besetzung der Rheinlande ist doch, nachdem die Reparationsfrage in London ihre Regelung gefunden hat, vom Versailler Vertrag als Sicherung der Westmächte gegen deutsche Angriffsabsichten gedacht. Da derartige Absichten völlig außer dem Bereich der Möglichkeit liegen, kann aus jenen geringfügigen Restpunkten bei loyaler Vertragsauslegung kein Recht hergeleitet werden, die Besetzung zu Sicherungszwecken über die vertraglichen Fristen hinaus zu verlängern. Es ist daher ganz unvermeidlich, daß man in Deutschland in einer derartigen Begründung der Nichträumung einen bloßen Vorwand für die Umgehung des Versailler Vertrages sehen wird.

10

Vgl. Dok. Nr. 286, Anm. 8.

11

In einer undatierten Aufzeichnung Plancks „über den Stand der Militärkontrolle“, die von Kempner am 27. 12. abgezeichnet wurde und die kurz zuvor entstanden sein dürfte, heißt es: „Nach einer Nachricht aus engl. Quelle beabsichtigt die IMKK, die Generalkontrolle Ende des Monats abzuschließen. […] Während Deutschland anfangs gefordert hatte, daß gleichzeitig mit der Generalkontrolle auch die 5 Punkte der Note vom 29.9.1922 erledigt würden, ist man deutscherseits jetzt auf diese Forderung nicht zurückgekommen, weil man von einer Einbeziehung der nicht leicht zu bereinigenden 5 Punkte eine Verschlechterung des Gesamtergebnisses der Generalkontrolle fürchtete. Ein Teil der während der Generalkontrolle behandelten Fragen fällt in das Gebiet der 5 Punkte, z. B. die Beanstandungen bei der Polizei, die Fragen der Organisation und des Generalstabes der Wehrmacht, der Umstellung der Industrie gehören unter die 5 Punkte. Es ist zu erwarten, daß nach Eingang des Generalberichts die Botschafterkonferenz sowohl Beanstandungen auf dem Gebiete der Generalkontrolle feststellen als auch erneut die Erledigung der 5 Punkte fordern wird. Zur weiteren Kontrolle auf diesem Gesamtgebiet würden dann die verminderten Kontrollstäbe ihre Tätigkeit fortsetzen, bis die Botschafterkonferenz auch diese Forderungen für erfüllt erklärt. In der Frage der 5 Punkte scheint zwischen England und Frankreich eine Meinungsverchiedenheit zu herrschen. Während England besonderes Gewicht auf eine Befriedigung der Forderungen in Sachen Ein- und Ausfuhr von Kriegsmaterial legt, die Organisation der Reichswehr und Polizei dagegen als unerheblich betrachtet, legt der frz. Generalstab in erster Linie Wert auf die Umstellung der Führung der Wehrmacht.“ (R 43 I /417 , Bl. 446).

12

Die dt. Note an den Generalsekretär des Völkerbundes vom 12. 12. (Dok. Nr. 366, Anm. 1) wurde am 22. 12. der Presse übergeben; abgedr. in DAZ Nr. 603 vom 23. 12.

Man hört vielfach, und ich möchte darüber ganz offen sprechen, daß der eigentliche Grund für die Verzögerung der Räumung vielleicht weniger in[1243] der Entwaffnungsfrage als darin liege, daß nach der Räumung der ersten Rheinlandzone die militärische Besetzung des Ruhrgebiets nicht mehr länger aufrechterhalten werden könne. Wenn dieser Grund in den Erwägungen der alliierten Regierungen wirklich eine Rolle spielen sollte, so kann ihn die Deutsche Regierung ebensowenig anerkennen wie die Berufung auf die Entwaffnungsfrage. Die Reichsregierung hat sich mit der Aufrechterhaltung der Besetzung des Ruhrgebiets bis zum August 1925 doch nur als dem spätesten Termin abgefunden, hat aber in Übereinstimmung mit der Britischen Regierung von vornherein ihrer Auffassung Ausdruck gegeben, daß die Räumung beschleunigt und vor jenem Endtermin durchgeführt werden müsse13. Wenn also durch die Räumung der Kölner Zone für die weitere Besetzung des Ruhrgebiets technische Schwierigkeiten entstehen, so können diese nicht anders beseitigt werden, als daß mit der Räumung der Kölner Zone auch der Abbau der Ruhrbesetzung eingeleitet wird. Sonst würde die Folge eintreten, daß zur Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes, wie ihn die Ruhrbesetzung darstellt, eine weitere rechtswidrige Handlung begangen wird.

13

Zum Notenwechsel betr. Ruhrräumung s. Dok. Nr. 283, Anm. 8 und 9.

Die Reichsregierung hat es, sobald ihr die drohende Entwicklung der Räumungsfrage erkennbar wurde, für ihre Pflicht gehalten, ihre Auffassung den beteiligten alliierten Regierungen in aller Offenheit darzulegen14. Über das Ergebnis dieses Schrittes läßt sich im Augenblick noch nichts sagen. Ich möchte einstweilen nicht die Hoffnung aufgeben, daß in den wenigen Wochen, die uns noch von dem vertragsmäßigen Räumungstermin trennen, doch noch ein Weg gefunden wird, auf dem unserem Standpunkt Rechnung getragen und jenen Gefahren vorgebeugt wird, die eine Wiederaufnahme der Sanktionspolitik heraufbeschwören würden. Es ist nicht abzusehen, was geschehen würde, wenn an die Stelle sachlicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit, die ich stets als das Ziel meiner ganzen Politik angesehen habe, jetzt wieder ein krisenhafter Konfliktszustand treten würde. Ich kann mir nicht denken, daß die alliierten Regierungen dafür die Verantwortung übernehmen wollen. Lord Curzon hat in seiner schon erwähnten Rede gesagt, daß die verlängerte Anwesenheit fremder Truppen auf deutschem Gebiet nicht geeignet sei, zu einer allgemeinen Befriedung Mitteleuropas und zu der Wiederherstellung seiner in Unordnung geratenen wirtschaftlichen Lage beizutragen. Ich kann dem nur mit vollster Überzeugung zustimmen. Wenn sich die alliierten Regierungen über diese Seite der Angelegenheit aber wirklich klar sind, so werden sie sich auch der Erkenntnis nicht verschließen können, daß für eine Hinausschiebung der Räumung kein Grund vorliegt, der den von Lord Curzon angedeuteten Gefahren für die Befriedung und den Wiederaufbau Europas die Waage halten könnte. Die Entwaffnung Deutschlands bietet einen solchen Grund nicht. Wenn die alliierten Regierungen in Deutschland nicht das Vertrauen zerstören, daß seine bisherige auf Verständigung abgestellte Außenpolitik nicht vergeblich ist, sondern auf der Gegenseite[1244] dem gleichen Verständigungswillen begegnet, so ist damit auch die Grundlage gegeben, auf der sich die noch offenen Fragen der Militärkontrolle unschwer bereinigen lassen werden.

14

S. die Instruktionen des AA an die dt. Vertretungen in Rom, Brüssel, London und Paris vom 17. 12. bzw. 19. 12. (Dok. Nr. 376, Anm. 3).

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