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4. Beleidigung der Reichsregierung.
Der Reichsminister der Justiz stellte zur Erwägung, ob von seiten der Reichsregierung Strafantrag gegen den Rittmeister a. D. Reineke gestellt werden solle, der in einer deutschnationalen Versammlung beleidigende Äußerungen gegen die Reichsregierung getan habe14.
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Reineke hatte anläßlich einer Stahlhelmtagung ausgeführt, wie die „Lumpen, die da oben sitzen“, betrügen würden, sehe man besonders an dem bevorstehenden Vertrag mit Polen (Kabinettsvorlage des RJM vom 22. 5.; R 43 I/1233, Bl. 59).
Das Reichskabinett beschloß, von der Veranlassung eines Strafantrages wegen Beleidigung der Reichsregierung abzusehen15.
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Mit Bezug auf diesen Kabinettsbeschluß vermerkte v. Hagenow zu einem anderen Beleidigungsprozeß, in dem ein Angeklagter eine Strafe von 80 RM oder acht Tage Gefängnis erhalten hatte, nach Ansicht des RK lasse das erkennen, „daß die Gerichte im allgemeinen bei Beleidigung der RM nur geringe Geldstrafen verhängen. Dieser Umstand bestimmt den Herrn RK, in Beleidigungsfällen von Stellung eines Strafantrags abzusehen“ (14. 6.; R 43 I/1233, Bl. 94). Da diese Haltung nach seiner Ansicht im besonderen Umfang für die ostpreußischen Gerichte zutreffe, verzichtete der RK am 15.1.30 auf die Anklage wegen Beleidigung gegen ein Mitglied des Tannenbergbundes, der sich mehrfach diffamierend über den RK geäußert hatte (R 43 I/1234, Bl. 17).