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[457]b) Eisenbahn
Staatssekretär Vogt berichtete über das Ergebnis der bisherigen Erörterungen in Paris in der Frage der Nutzbarmachung der Reichsbahn für Reparationszwecke7 und trug den Entwurf eines Instruktionsschreibens an den Vertreter des Reichsverkehrsministeriums in Paris, Geheimrat Wolf, vor.
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In einem Bericht aus Paris vom 10. 3. teilte StS Fischer den Inhalt eines Gesprächs mit, das er und MinR Wolf mit Sir Robert Kindersley geführt hätten. Daraus gehe hervor, daß der Eisenbahnplan der Sachverständigen (vgl. Dok. Nr. 126, Anm. 10) inzwischen eine präzisere Formulierung gefunden habe. Danach behält Deutschland die Leitung des RB-Betriebs und stellt den Vorsitzenden des Verwaltungsrats. Die all. Seite ernennt die Hälfte der zwölf Verwaltungsratsmitglieder, die die ausländischen Erwerber der RB-Obligationen vertreten. Die andere Hälfte wird zunächst von der dt. Reg. ernannt. Diese soll aber das durch die dt. Ratssitze repräsentierte Aktienkapital zur Hälfte innerhalb von drei Jahren auf den Markt bringen, so daß dann drei der sechs dt. Verwaltungsratsmitglieder von den Aktienbesitzern bestellt werden. Er, Fischer, habe Kindersley vor der Einrichtung eines solchen Systems eindringlich gewarnt und argumentiert, „daß die Aktien möglicherweise ins Ausland gingen und daß die Vorschrift, wonach die Vertreter dieser Aktien Deutsche sein müßten, keine Gewähr gegen eine praktische Überfremdung des Unternehmens böte.“ Kindersley habe betont, daß ihm der Wunsch fernliege, die dt. Eisenbahnen über den Verwaltungsrat unter ausländischen Einfluß zu bringen. Indessen habe er unsere bisherige Tarifpolitik als „eine unerträgliche Unterstützung der dt. konkurrierenden Industrie“ kritisiert und im weiteren Verlauf der Unterhaltung auf die „übergroßen Investitionsausgaben“ der RB seit Kriegsende hingewiesen. „Die Alliierten könnten nicht still dabeisitzen und würden es auch für die Zukunft nicht tun, wenn wir weiterhin in dem Maß für unsere wirtschaftlichen Wünsche sorgten, ohne an Reparationen zu denken“ (R 43 I/1036, Bl. 48 f.).
Der Reichsminister der Finanzen gab der Befürchtung Ausdruck, daß die Entschließungen des Sachverständigenausschusses auf eine doppelte Kontrolle der Reichsbahn hinauslaufen würden, einmal in Gestalt einer paritätischen Vertretung[458] der Reparationsgläubiger als Besitzer der herauszugebenden Obligationen im Verwaltungsrat der Reichsbahn, sodann aber auch der ausländischen Erwerber der Aktien der Reichsbahngesellschaft. Demgegenüber müsse der Standpunkt vertreten werden, daß eine Vertretung im Verwaltungsrat nur soweit in Frage komme, als ausländische Kreise durch faktische Hergabe von Geld Anteil an der Reichsbahn erwürben.
Der Reichsverkehrsminister wies darauf hin, daß die Aktien der etwa zu gründenden Reichsbahn-Gesellschaft unmöglich auf dem offenen Markt gegeben werden könnten. Im übrigen solle der Sachverständigenausschuß es der Reichsbahn doch überlassen, ob und auf welche Weise sie sich Geld für Betriebszwecke beschaffen wolle8.
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Mit Telegramm vom 11. 3. aus Paris teilte StS Fischer ergänzend mit, bei den Sachverständigen werde der Gedanke erwogen, den Erlös aus dem Verkauf der RB-Aktien zur Beschaffung von Betriebskapital für die RB zu verwenden.
Im gleichen Telegramm berichtete Fischer: Der Vorschlag des RAM Stresemann, eine besondere westliche Generaldirektion der RB zu schaffen (vgl. Dok. Nr. 126, Anm. 11, 14), sei bei den engl. und amerik. Delegierten auf Ablehnung gestoßen. Diese seien entschieden dagegen, daß die Rhein-Ruhrbahnen einer eigenen Leitung unterstellt werden und als Sonderpfand für Reparationen dienen sollen, um den „Franzosen goldene Brücken zu bauen“ (R 43 I/1036, Bl. 43).
Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß eine Regelung, wonach mehr als die Hälfte der Stimmen im Verwaltungsrat ausländischen Kreisen übertragen würde, auch innenpolitisch untragbar sei.
Nach einer weiteren Erörterung wurde dem vom Staatssekretär Vogt vorgetragenen Entwurf mit gewissen Änderungen und Streichungen zugestimmt9.
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Dieser Entwurf in R 43 I nicht ermittelt.