2.94 (cun1p): Nr. 94 Erklärung der Reichsregierung über Besprechungen in der Reichskanzlei. 10. März 1923

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Nr. 94
Erklärung der Reichsregierung über Besprechungen in der Reichskanzlei. 10. März 1923

R 43 I /1152 , Bl. 113 Durchschrift1

1

Der eigentlichen Erklärung ist ein erster Absatz von StS Hamm handschriftlich vorangestellt, bei dem Abkürzungen z. T. aufgelöst wurden. Neben dieser handschriftlich erweiterten Durchschrift findet sich auch die von Cuno abgezeichnete Ausfertigung der Presseerklärung in R 43 I /1152 , Bl. 114. Die Erklärung wird über WTB verbreitet und erscheint in den Morgenzeitungen am 11. 3.

<Als Ergebnis der Besprechung vom Sonnabend, 10. 3., vormittags, bei der zugegen waren der Herr Reichskanzler, StS Geib, StS Trendelenburg, StS Hamm und sechs Gewerkschaftsvertreter, wurde danach in Besprechung zwischen StS Trendelenburg, StS Hamm, StS Sitzler und drei Gewerkschaftsvertretern, darunter Herr Aufhäuser, diese Pressemitteilung vereinbart:>

In der Reichskanzlei fanden in den letzten Tagen Besprechungen des Reichskanzlers mit Vertretern sowohl der Industrie als auch der Spitzengewerkschaften über die gegenwärtige Preis- und Lohnlage unter dem Gesichtspunkte der wünschenswerten Festigung der wirtschaftlichen Verhältnisse statt2. In diesen Besprechungen erklärte der Reichskanzler mit Nachdruck die einmütige[302] Auffassung der Reichsregierung, alles zu tun, was zur Vermeidung neuer Preissteigerungen und zur Herbeiführung der wirtschaftlich möglichen Preisermäßigungen geschehen könne. Die Gewerkschaften wiesen bei dieser Gelegenheit auf die ernsten Besorgnisse hin, die in den Kreisen der gesamten Arbeitnehmerschaft aus der Annahme entstünden, als ob die Reichsregierung jeglicher weiteren Lohnerhöhung entgegenwirken wolle3. Demgegenüber stellte der Reichskanzler fest, daß auch nach Ansicht der Reichsregierung eine Erhöhung der Löhne da gerechtfertigt sei, wo sie zur Anpassung an das allgemeine Lohnniveau und den Preisstand erforderlich ist, während eine allgemeine durchgängige Hebung der gesamten Löhne den notwendigen Preisabbau unmöglich machen und damit, ohne der Arbeiterschaft auf die Dauer zu nützen, das von allen erstrebte Ziel der Markfestigung gefährden würde. Die Arbeit der Reichsregierung bewegt sich in den Bahnen dieser von allen beteiligten Mitgliedern der Reichsregierung geteilten Auffassung4.

2

Protokolle dieser Besprechungen waren in R 43 I nicht zu ermitteln.

3

Dieser Eindruck war durch die Erklärung der RReg. vom 6. 3. entstanden (Dok. Nr. 92). Zur Reaktion des ‚Vorwärts‘ s. Anm. 5 zu Dok. Nr. 92. Über die Reaktion der Gewerkschaften berichtet eine Aufzeichnung Hamms vom 9. 3.: „Herr Leipart vom ADGB erbat gestern dringend für heute Aussprache mit drei Gewerkschaftsvertretern beim Herrn RK. Die Gewerkschaften seien sehr beunruhigt durch die Pressemitteilung, daß nicht neue Lohnerhöhungen erfolgen sollten; das widerspräche dem, was im RArbMin. vereinbart wurde. Das RArbMin. teilte dazu mit, daß in der Tat mit den Gewerkschaften vereinbart wurde, über die Stellung gegenüber neuen Lohnforderungen nichts in die Presse zu bringen, damit die Gewerkschaften nicht etwa als unter dem Druck der Regierung handelnd erschienen.“ Und weiter vermerkt Hamm handschriftlich: „MinDir. Sitzler teilt nachmittags 4 Uhr mit: Gewerkschaften waren in Aussprache mittags mit Dr. Geib, Dr. Trendelenburg sehr erregt wegen der durch die Veröffentlichung hervorgerufenen Erschwerung ihrer Stellung. Es wurde schließlich eine abschwächende Pressemitteilung vereinbart: ‚Durch die Presse ist Mitteilung gegangen … Diese Notiz ist vielfach dahin mißverstanden worden, daß von jetzt ab überhaupt keine Lohnerhöhung stattfinden dürfe. Ein derartiges plötzliches Erstarren der gesamten Lohnbewegung ist aber selbstverständlich nicht möglich, da durchaus noch nicht alle Löhne dem bestehenden Niveau angepaßt sind und die Preise den erforderlichen Rückgang noch nicht aufweisen.‘ Diese Mitteilung sei von StS Trendelenburg gebilligt worden. Minister Becker aber habe nachträglich Bedenken erhoben und Kabinettsentscheidung angeregt.“ (R 43 I /1152 , Bl. 109). Zu der vorliegenden Presseerklärung vom 10. 3. vermerkt Hamm für den RK: „In Besprechung mit Trendelenburg, Sitzler und drei Gewerkschaftlern wurde diese Pressemitteilung vereinbart. Trendelenburg glaubt ihr auch für Herrn Minister Becker zustimmen zu können. […] Alles in allem glaube ich, die Genehmigung dringend empfehlen zu dürfen.“ (R 43 I /1152 , Bl. 111).

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Die besondere Betonung der Einigkeit aller Kabinettsmitglieder erschien angebracht nach folgendem Vorgang: Der ‚Vorwärts‘ hatte am 9. 3. erklärt: „Wie vermutet wird, steht das Arbeitsministerium der Regierungskundgebung [vom 6. 3.] fern, obwohl es allein dafür zuständig wäre.“ In einem Schreiben an den Arbeitgeberverband vom 12. 3. erklärt RArbM Brauns, daß er und sein StS der Presseerklärung der RReg. vom 6. 3. durchaus fernständen (R 43 I /1152 , Bl. 124).

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