1.138 (lut2p): Nr. 307 Das Auswärtige Amt an das Reichswehrministerium, das Reichsverkehrsministerium und die Reichskanzlei. 4. März 1926

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RTF

Nr. 307
Das Auswärtige Amt an das Reichswehrministerium, das Reichsverkehrsministerium und die Reichskanzlei. 4. März 1926

R 43 I /734 , Bl. 289 f. Durchschrift

[Luftfahrtverhandlungen in Paris]

1. Der Deutsche Botschafter in Paris meldet heute, daß er gestern im Laufe des Tages auf Grund der in der Chefbesprechung vom 1. d. M. festgelegten[1189] Richtlinien1 weisungsgemäß die Luftfrage am Quai d’Orsay besprochen und um Unterstützung unserer Anträge ersucht habe. Im Anschluß an diese Unterredung hat gestern nachmittag eine erneute Besprechung der deutschen Delegation mit den Vertretern Frankreichs, Englands, Belgiens, Italiens und Japans stattgefunden. Hierbei wurde unseren Unterhändlern eröffnet, die deutsche Formel sei unannehmbar. Die Alliierten müßten auf folgender Fassung2 bestehen:

1

Vgl. Dok. Nr. 301.

2

Betrifft Ziffer 5 Abs. c 3 des bei den Pariser Verhandlungen erörterten Vorentwurfs zu einem dt.-all. Notenwechsel in der Luftfahrtfrage. Zum Text der von all. Seite zuletzt vorgeschlagenen Fassung s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 301.

„Angehörige der Reichswehr, Heeres und Marine können auf ihren Antrag die Erlaubnis erhalten, sich während ihres reglementarischen Urlaubs und auf ihre eigenen Kosten privat im Sportflug zu betätigen. Zu diesem Zweck werden ihnen von den deutschen Behörden keine Bevorzugung in der Laufbahn und keinerlei Erleichterungen gewährt werden. Das Reichswehrministerium wird dafür Sorge tragen, daß die Gesamtzahl aller sich im Sportflug betätigenden Angehörigen der Wehrmacht (Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des Heeres und der Marine) nicht mehr als 15 beträgt. Die Namen dieser Sportflieger werden in besonderen ständig auf dem laufenden zu haltenden Listen geführt werden.“

Im einzelnen wurde dazu bemerkt:

a) Reglementarischer Urlaub:

Diese Worte seien notwendig, weil klargestellt werden müsse, daß es sich bei der sportlichen Betätigung von Reichswehrangehörigen nur um eine rein private außerdienstliche Betätigung handeln dürfe.

b) Begünstigung in der Laufbahn:

Dieser Zusatz sei erforderlich, da der Begriff Erleichterungen ihn nicht mit umfasse.

c) Auf eigene Kosten:

Unser Einwand, daß dieser Passus überflüssig sei, da er bereits durch das Verbot von Subventionen nach der bekannten Formel3 umfaßt wird, sei nicht stichhaltig, da auch Gewährung von Zuschüssen an Reichswehrangehörige im Sportflug seitens privater Kreise (Verbände, Industrie) verboten werden müsse, was durch die nur die amtlichen Subventionen umfassende Subventionsformel nicht gedeckt werde.

3

Vgl. Anm. 1 zu Dok. Nr. 260.

d) Zahl 200 wurde als völlig unannehmbar bezeichnet. Es wurde darauf hingewiesen, daß ein Reichswehrangehöriger sich ja nur dann im Sportflug betätigen könne, wenn dies aus eigenen Mitteln geschehe. Es sei undenkbar, daß sich 200 Reichswehroffiziere fänden, die hierzu vermögend genug seien, von Unteroffizieren und Mannschaften ganz zu schweigen.

[1190] 2. Der Botschafter berichtet hierzu noch persönlich, daß der englische Delegationsvertreter im Anschluß an diese Besprechung ihn auf die Luftfrage angesprochen und ihn dabei eindringlichst darauf hingewiesen habe, daß die Zahl 200 große Bestürzung bei den alliierten Vertretern hervorgerufen hätte. Die Alliierten hätten schließlich gegenüber den dringlichen Ausführungen Nords, daß sportlustigen Reichswehrangehörigen die Fliegerei doch nicht rundweg verboten werden dürfe, vom prinzipiellen Standpunkt abgehen zu sollen geglaubt, in der Idee, daß dem einen oder anderen bemittelten Reichswehrangehörigen die Fliegerei schließlich nicht kategorisch verschlossen bleiben solle. Die Zahl 200 müsse den Eindruck erwecken, daß es Deutschland nicht auf die Wahrung sportlicher Interessen einiger bemittelter militärischer Sportsleute, sondern letzten Endes doch auf Schaffung einer militärischen Luftstreitkraft ankomme. Die Britische Regierung würde sich niemals mit einer derartigen Zahl einverstanden erklären; wenn die Deutsche Regierung sich nicht mit der Zahl 15 abfinde, sehe er nicht, wie man weiterkommen solle4.

4

Zur brit. Stellungnahme s. auch den telegrafischen Bericht des Marquess of Crewe an Chamberlain vom 3. 3. in: The Aftermath of Locarno 1925–1926, Dok. Nr. 312.

3. Der Botschafter faßt seine Eindrücke dahin zusammen, daß es als irrige Hoffnung bezeichnet werden müsse, wollte man annehmen, daß sich unsere Wünsche durch irgendwelche weiteren diplomatischen Aktionen durchsetzen lassen könnten. Die Haltung der Alliierten beruhe auf dem Grundsatz, auf dem sich die gesamten Flugverhandlungen aufgebaut haben und sei zusammenzufassen in die Worte: Der deutschen Zivilluftfahrt alles, der deutschen Militärluftfahrt nichts. Es wäre nach Ansicht des Botschafters ein müßiges und demnach schädliches Beginnen, wollten wir weiter versuchen, unter der Devise zivile Luftfahrt Konzessionen für die Ausbildung von Militärpiloten zu erlangen. Alles, was möglich war, ist von der deutschen Delegation durch das Argument, daß sportliche Privatinteressen Reichswehrangehöriger nicht geschädigt werden dürften, erreicht worden. Andere Argumente fehlen, und der deutsche Unterhändler steht, wenn die Gegenseite ihn darauf verweist, daß lediglich die Ausgestaltung der deutschen Zivilluftfahrt in Frage kommt, wehrlos da.

Der Botschafter bemerkt schließlich, daß er die Erhöhung der von dem englischen Vertreter genannten Zahl 15 nicht für ausgeschlossen halten würde.

Im Auftrage

Köpke

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