Text
Nr. 645
Vermerk des Ministerialrats Vogels über die Rediskontverhandlungen der Reichsbank. 27. Januar 1932
Der anliegende Brief des Reichsbankpräsidenten vom 26. Januar war heute vormittag 11½ Uhr Gegenstand einer Besprechung im Reichsfinanzministerium.
Anwesend waren:
die Herren Reichsminister Dietrich und Warmbold;
Staatssekretäre Schäffer und Trendelenburg;
Ministerialdirektor Ritter;
Ministerialräte Berger und Vogels und
Geheimrat Vocke.
Geheimrat Vocke teilte mit, daß das Reichsbank-Direktorium beschlossen habe, die französische Forderung auf Niederlegung des geforderten Goldbetrages in Basel abzulehnen1. Die Ablehnung wird begründet mit § 28 Abs. a des Reichsbankgesetzes, welcher bestimmt, daß das zur Notendeckung erforderliche Gold von der Reichsbank im Inland bereitgehalten werden muß2. Der innere Grund für die Ablehnung ist der, daß die Reichsbank den Rediskont-Kredit bisher ohne Sicherheitsleistung lediglich auf ihr Wort hin erhalten hat, und daß sie es mit ihrem Kredit für nicht vereinbar hält, daß dieses Wort allein in Zukunft nicht mehr ausreichen soll, daß vielmehr eine hundertprozentige Sicherheit von ihr verlangt wird.
[2226] Die Reichsbank wartet nunmehr ab, wie diese Antwort von den Franzosen aufgenommen werden wird3.
Staatssekretär Schäffer regte an, für den Fall, daß die Franzosen auf ihrer Forderung beharren sollten, eine Spaltung der Gläubiger zu versuchen, etwa durch Einwirkung auf Herrn Norman in dem Sinne, daß die Engländer und Amerikaner ihrerseits den Kredit unter den alten Bedingungen verlängern4.
Geheimrat Vocke hatte Bedenken, ob dieser Versuch gelingen werde. Er wies darauf hin, daß die Engländer wegen ihrer eigenen Schwierigkeiten in den letzten Wochen wiederholt den Versuch gemacht hätten, von dem Kredit herunterzukommen, und meinte, daß sie eine Weigerung der Franzosen zum Anlaß nehmen würden, nunmehr auch ihrerseits aus dem Geschäft herauszukommen.
Erörtert wurden sodann auch die möglichen Rückwirkungen einer Nichtverlängerung des am 4. Februar ablaufenden Kredits auf die Stillhaltung, und zwar
a) | auf das Stillhalte-Abkommen 1931, das bekanntlich bis zum 29. Februar läuft. |
In diesem Stillhalte-Abkommen heißt es, daß es außer Kraft tritt, wenn der Rediskont-Kredit nicht verlängert wird5. Es würde also ein Vakuum entstehen für die Zeit vom 4.–29. Februar, d. h. bis zu dem Tage, von dem das neue Stillhalte-Abkommen wirksam werden soll. Die Reichsbank hält diese Rediskont-Klausel des alten Abkommens, über die bekanntlich nach der Unterzeichnung ein endloser Telegrammwechsel zwischen der Reichsbank und Herrn Wiggin stattgefunden hat, durch das abschließende Telegramm von Herrn Wiggin vom 8. September für praktisch bedeutungslos. In dem Telegramm vom 8. September hat Herr Wiggin Herrn Luther nämlich zum Ausdruck gebracht, daß er von der – an sich sehr unbefriedigenden – nachträglichen Korrespondenz über die Streichung der Rediskont-Klausel Kenntnis habe, und daß er in Kenntnis dieser Korrespondenz der amerikanischen Gläubigergruppe empfehlen werde, das Stillhalteabkommen als für sechs Monate in Kraft befindlich anzusehen6. Die Reichsbank hat heute an den auf der Rückreise nach Amerika befindlichen Herrn Wiggin telegraphiert, um unter Hinweis auf dieses Telegramm vom 8. September zu erfahren, wie er nach einer evtl. Nichtverlängerung des Rediskont-Kredits heute zur Frage des Fortbestandes des alten Stillhalte-Abkommens steht.
b) auf das neue Stillhalte-Abkommen.
In dem neuen Stillhalte-Abkommen7 ist vorgesehen, daß die Gläubigergruppen für den Fall der Nichtverlängerung des Rediskont-Kredits ein Kündigungsrecht haben. Ob die Gläubiger gegebenenfalls von diesem Kündigungsrecht Gebrauch machen werden, läßt sich heute nicht beurteilen, zumal da nicht feststeht, ob die Gläubigergruppen angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten bereit sein werden, das neue Stillhalte-Abkommen zu unterzeichnen.
Fußnoten
- 1
Mit Schreiben vom 26.1.32 hatte RbkPräs. Luther dem RK mitgeteilt, daß die Bank von Frankreich beabsichtige, die Verlängerung des Rediskontkredits, der am 4.2.32 ablaufe, davon abhängig zu machen, daß die Rbk einen entsprechenden Betrag in Gold im Ausland hinterlege und ihn den Kreditgebern verpfände. Im Hintergrund würde auch der Plan erwogen, von der RReg. eine Erklärung zu fordern, daß sie auf keinen Fall der Ausfuhr von Gold zwecks Abdeckung des Kredits Schwierigkeiten bereiten würde. Die Bank von England scheine der frz. Forderung eine gewisse Hilfestellung zu geben. Luther hatte den Eindruck, „als ob zwischen England der französischen Forderung den Zustand nach dem 1. Juli als Verlängerung des Hoover-Jahres zu konstruieren, Deutschland gegenüber einen gewissen Nachdruck geben wolle, indem es die oben genannte Forderung der Bank von Frankreich irgendwie unterstützt“ (R 43 I/317, Bl. 352–354, Zitat Bl. 353). Vgl. auch Nachl. Luther Nr. 339, Bl. 128, wonach die Forderung der Banque de France auf Druck des frz. FM Flandin zurückging.
- 2
- 3
Vgl. hierzu den Tagesbericht Luthers vom 27.1.32 (Nachl. Luther Nr. 367, Bl. 256–257) und Beschluß des Rbk.-Direktoriums (Nachl. Luther, Nr. 339, Bl. 93). Zur Reaktion der Franzosen siehe Dok. Nr. 649.
- 4
Vgl. Schäffers Tagebuchaufzeichnung über die Besprechung (IfZ ED 93, Bd. 17, Bl. 126–128).