Wie wird man Archivinspektoranwärterin im Bundesarchiv? Was sind die Voraussetzungen, und wie gestaltet sich die Ausbildung?
Voraussetzung sind Abitur sowie Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache, wahlweise Französisch oder Latein. In der Auswahlphase für das Bundesarchiv haben wir zunächst eine Klausur geschrieben, unter anderem mit Fragen zu Geschichte und Allgemeinwissen. Anschließend mussten wir einen Vortrag vorbereiten und halten, erst dann folgte das eigentliche Bewerbungsgespräch. Der Vorbereitungsdienst selbst setzt sich zusammen aus theoretischen Studien und praktischen Anteilen. Bisher waren wir in Berlin-Lichterfelde und -Lichtenberg sowie an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen, aktuell sind wir im Militärarchiv in Freiburg. Es folgt ein Theorieteil an der Archivschule in Marburg und abschließend ein praktischer Teil, idealerweise an dem Standort, an dem wir als fertige Archivare eingesetzt werden. Dort findet auch die Laufbahnprüfung statt.
Welche Herausforderungen und Projekte haben Sie während Ihrer Ausbildung bereits erlebt, und wie haben diese Ihre Sicht auf die Arbeit im Archiv verändert?
Das Bundesarchiv bietet sehr viele verschiedene Themenbereiche. Diese Vielfältigkeit hat mich überrascht. In Lichterfelde war ich in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR und habe Nachlässe von Widerstandskämpferinnen verzeichnet. Da es keine staatlichen Überlieferungen sind, gibt es keine Aktenpläne, nach denen Unterlagen abgelegt wurden, sondern mehrere Kartons voller Papier, die sortiert werden müssen. Ich habe zunächst sechs Wochen sortiert, bevor ich mit dem Verzeichnen beginnen konnte. Das war sehr spannend, aber auch sehr aufwändig. Im Stasi-Unterlagen-Archiv habe ich bei einer Recherche mitgearbeitet und dort Vernehmungsprotokolle der Stasi zum Massaker von Einsatzgruppen der deutschen Sicherheitspolizei und des SD an der jüdischen Bevölkerung Kiews in Babyn Jar im Zweiten Weltkrieg gesichtet. Bei solchen Unterlagen muss ich aufpassen, das nicht zu nah an mich ran zu lassen.
Wir erleben aber auch teilweise kuriose Momente. Meiner Kollegin Saskia Schmidt fiel bei ihrem praktischen Einsatz plötzlich eine Rasierklinge aus einer Akte entgegen. Aktuell arbeitet unser Jahrgang gemeinsam an einem Projekt in Freiburg zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr vor 1990. Jedes meiner Projekte war bisher sehr unterschiedlich. Sich immer wieder neu einzuarbeiten ist zum einen herausfordernd, aber auch sehr abwechslungsreich – und ich lerne täglich Neues dazu.
Würden Sie den Vorbereitungsdienst im Bundesarchiv weiterempfehlen und wenn ja, wem?
Ich würde ihn auf jeden Fall weiterempfehlen. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass er sehr zeitintensiv ist. Die unterschiedlichen Standorte des Bundesarchivs sind eine große Chance, weil man nicht nur verschiedene Themenfelder kennenlernt, sondern auch viele Ecken Deutschlands. Das bedeutet aber auch, dass wir viel unterwegs sind und umziehen müssen. Die Ausbildung ist vielfältig und deckt die verschiedensten Felder der Archivarbeit ab. Wer also interessiert ist, mit der Geschichte zu arbeiten, Interesse hat, Nutzerinnen und Nutzern zu unterstützen und Spaß daran hat, Akten nach Informationen zu durchforsten, also Detektivarbeit mag, der ist im Archiv gut aufgehoben!