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Digitalisierung von Schriftgut des Bundesarchivs

Grundsätze, Dimensionen und aktuelle Planungen

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Einführung

Die berechtigten Erwartungen von Benutzerinnen und Benutzern, Archivgut des Bundes nicht nur im Rahmen persönlicher Besuche im Lesesaal, sondern ortsunabhängig und zu jeder Zeit in digitalisierter Form online nutzen zu können, nehmen stetig zu. Die notwendigen Schließungen während der Pandemie haben den Bedarf noch deutlicher sichtbar gemacht. Das Bundesarchiv hat seine Digitalisierungsmaßnahmen in der jüngsten Vergangenheit dementsprechend erheblich intensiviert und plant – vorbehaltlich der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln – einen weiteren Ausbau der eigenen Digitalisierungsstrecken in den kommenden Jahren.

Die Digitalisierungsmaßnahmen des Bundesarchivs im Bereich der Akten und Karteien basieren auf mehreren Säulen. Zum einen werden Digitalisierungsaufträge mit großem Volumen an externe Dienstleister vergeben. Zum anderen kann Schriftgut in den eigenen Werkstätten an den Standorten Berlin-Lichterfelde, Berlin-Lichtenberg, Freiburg und Koblenz digitalisiert werden.

Wichtigste Aufgabe der Werkstätten des Bundesarchivs ist es, die im Rahmen von Benutzungen entstehenden Reproduktionsaufträge zu erfüllen („Digitalisierung on demand“). Ab dem Jahr 2024 werden Akten, aus denen Benutzerinnen und Benutzer einzelne Seiten bestellen, grundsätzlich vollständig digitalisiert, gesichert und allgemein online zugänglich gemacht, sofern keine rechtlichen Einschränkungen bestehen.

Sofern darüber hinaus Kapazitäten bestehen, beteiligen sich die Werkstätten auch an der „Programmdigitalisierung“. Dabei setzt das Bundesarchiv inhaltliche Schwerpunkte und wählt gezielt Bestände oder Teilbestände aus, von deren Digitalisierung ein hoher Nutzen erwartet wird. Die Priorisierung erfolgt unter Beachtung verschiedener Kriterien, die jeweils zu gewichten sind, darunter insbesondere:

  • Konservatorische Dringlichkeit
  • Historische Aussagekraft
  • Beschleunigung interner Arbeitsprozesse
  • Benutzungsintensität
  • Möglichkeit der unbeschränkten Online-Bereitstellung
  • Besondere rechtliche Relevanz

Auf den folgenden Seiten geben wir Ihnen einen Überblick über den Umfang der für die nächsten Jahre vorgesehenen Digitalisierungsmaßnahmen, die bisherigen inhaltlichen Schwerpunkte und die Auswahl der Bestände für die Programmdigitalisierung 2024.

Werkstattkapazitäten und Volumen der externen Aufträge

Für die Erledigung der von Benutzerinnen und Benutzern initiierten Digitalisierungsaufträge („Digitalisierung on demand“) stehen in den internen Werkstätten an den verschiedenen Standorten des Bundesarchivs unterschiedliche Kapazitäten zur Verfügung, da sich die räumlichen und personellen Möglichkeiten von Standort zu Standort unterscheiden.

Standort Inhalt Kapazität jährlich in Seiten Kapazität jährlich in Akten (Schätzwert)
Berlin-Lichterfelde Zivile Stellen des Deutsches Reiches (bis 1945) und der DDR 3 Mio. 7.500
Berlin-Lichtenberg Ministerium für Staatssicherheit (inkl. Außenstellen) 2,5 Mio. 8.000
Koblenz Zivile Stellen der Bundesrepublik 3,5 Mio. 8.750
Freiburg Militärische Stellen des Deutschen Reiches, der DDR und der Bundesrepublik 1,25 Mio. 3.125

Zusätzlich werden in den Werkstätten in Berlin-Lichterfelde und Berlin-Lichtenberg große Karteien digitalisiert, mit der die interne Recherche erleichtert und die Erteilung von Auskünften zu personenbezogenen Anfragen beschleunigt werden sollen.

Im Rahmen der Programmdigitalisierung arbeitet das Bundesarchiv wie beschrieben mit externen Dienstleistern zusammen. Hierfür werden regelmäßig Digitalisierungsaufträge ausgeschrieben. Aktuell stehen drei große Vorhaben im Zentrum:

  1. Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs
    a. Digitalisierung der Erkennungsmarkenverzeichnisse und Verlustlisten (ca. 40 Mio. Seiten während der Projektlaufzeit 2021–2027)
    b. Digitalisierung von Unterlagen militärischer Stellen (mindestens 3 Mio. Seiten pro Jahr)
    c. Digitalisierung der Unterlagen ziviler Stellen (mindestens 3 Mio. Seiten pro Jahr)
  2. Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (mindestens 3 Mio. Seiten pro Jahr)
  3. Unterlagen zum Thema „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts“ (ca. 70 Mio. Seiten während der Projektlaufzeit 2023–2030, finanziert durch das Bundesministerium der Finanzen)

Die Bestandsauswahl im Rahmen der ersten beiden Vorhaben erläutern wir in den nächsten Kapiteln. Weitere Informationen zum dritten Vorhaben finden Sie im Themenportal „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts“ unter „Projekte des Bundesarchivs“.

Digitalisierung von Unterlagen ziviler Stellen aus der NS-Zeit

Das Bundesarchiv digitalisiert bereits seit mehreren Jahren Schriftgut aus der Zeit des Nationalsozialismus. Zuerst wurde Archivgut online bereitgestellt, das für den Themenkomplex Kulturgutraub relevant ist, darunter die Bestände „Kanzlei Rosenberg“ und „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“.

Die für alle Benutzungszwecke seit Jahrzehnten beständig stark nachgefragte NSDAP-Mitgliederkartei mit ca. 12.700.000 Digitalisaten sowie rund 720.000 NSDAP-Aufnahmeanträge dienen als zentrale Quelle dem Nachweis der NSDAP-Mitgliedschaft einzelner Personen.

Mit rund 3.600 Einheiten fast vollständig digitalisiert ist der erste Teilbestand mit Akten der Reichskanzlei (R 43-I), deren schriftliche Hinterlassenschaft als Rückgratbestand für die gesamte staatliche Verwaltung des Deutschen Reiches fungiert.

Rund 3.300 Einheiten des zentralen Bestands der von Rudolph Hess und später von Martin Bormann geführten Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6) sind digitalisiert. Fast vollständig digitalisiert ist der Bestand des Reichspropagandaleiters der NSDAP, eines weiteren wichtigen Organs der Reichsleitung der NSDAP.

Den Rückgratbestand für die Verwaltung der SS bilden die Akten des Persönlichen Stabs Reichsführer-SS. Rund 660 Einheiten des zentralen SS-Führungsorgans wurden bereits digitalisiert. Von den Unterlagen der Zentrale des Polizei- und SS-Terrors, des Reichssicherheitshauptamts, wurden bisher rund 5.200 Einheiten digitalisiert. Sie dokumentieren die wichtigsten NS-Verbrechensbereiche.

Alle zentralen Themen der Zeit sind in den Akten der klassischen Ministerien dokumentiert. Digitalisiert wurden aus diesen Beständen nicht nur Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus: rund 4.200 Einheiten des Reichsministeriums des Innern, circa 780 des Reichsjustizministeriums, etwa 6.200 des Reichsfinanzministeriums und rund 1.400 des Auswärtigen Amts.

Berücksichtigt wurden auch die Unterlagen weiterer Ministerien. Um interne Arbeitsabläufe bei der Anfragenbearbeitung zu beschleunigen, wurden rund 9.000 Einheiten des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung digitalisiert, inklusive der Hochschullehrerkartei. Rund 960 Einheiten des Reichswirtschaftsministeriums zur Enteignung jüdischer Betriebe und ca. 520 des Reichsarbeitsministeriums u. a. zur NS-Zwangsarbeit wurden digitalisiert.

Aus der sehr stark genutzten Überlieferung der SS-Hauptämter wurde bereits vor einigen Jahren die KZ-Häftlingskartei des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts digitalisiert. Zudem wurden rund 340 Einheiten des SS-Führungshauptamts digitalisiert. Mit dem Bestand „Konzentrationslager Stutthof“ ist ein erster Teil der Überlieferung aus den Konzentrationslagern digitalisiert. Von den sehr stark benutzten personenbezogenen Unterlagen der SS und SA der Sammlung „Berlin Document Center“ wurden bisher rund 590 Verzeichnungseinheiten digitalisiert.

Rund 900 Einheiten des Reichsgerichts wurden bisher digitalisiert, eines zentralen Gerichts, dessen Urteile ihrer grundlegenden Bedeutung wegen bereits vor Jahren publiziert wurden. Der Volksgerichtshof fungierte als zentrales Sondergericht des NS-Regimes in Strafverfahren gegen politische Gegner. Über tausend Einheiten der Bestände R 3016, R 3017 und R 3018 wurden bisher digitalisiert.

Unterlagen der zivilen Verwaltung in den im Zweiten Weltkrieg von Deutschland besetzten Regionen Europas bergen für die Historiographie der jeweiligen Länder wichtige Informationen. Vollständig digitalisiert sind die Bestände der deutschen Polizeidienststellen in Italien und Polen, der Obersten Kommissare für die Operationszonen Adriatisches Küstenland und Alpenvorland, der Chefs der Zivilverwaltung im Elsass und in der Untersteiermark, des Reichskommissars für die besetzten norwegischen Gebiete und des Generalkommissars für Weißruthenien in Minsk.

Der Bestand R 20 (Truppen und Schulen der Ordnungspolizei/Chef der Bandenkampfverbände) dokumentiert den Einsatz der Ordnungspolizeiverbände gegen Partisanen in den besetzten Gebieten sowie „Säuberungsaktionen“ und Massenexekutionen von Juden und ist mit rund 230 Einheiten fast vollständig digitalisiert.

Mit rund 380 Einheiten wurde bereits etwa die Hälfte des Bestandes der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland digitalisiert, der als zentrale Überlieferung zur Judenverfolgung gelten kann.

Planungen für 2024 für die Digitalisierung von Unterlagen ziviler Stellen aus der NS-Zeit

Für die verstärkte Digitalisierung der Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs stellt der Deutsche Bundestag seit 2023 Sondermittel in Höhe von drei Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Bis 2027 sind insgesamt 13,5 Millionen Euro für die Digitalisierung dieser historisch äußerst bedeutsamen Überlieferung in Aussicht gestellt worden.

Dank dieser zusätzlichen Haushaltsmittel wird es zum Beispiel möglich sein, die Verzeichnisse der Erkennungsmarken in den nächsten Jahren vollständig zu digitalisieren. Sie dienten im Kriegseinsatz als Identifikationsnachweise und bilden die zentrale Quelle zum Einsatz von Soldaten in den Einheiten der Wehrmacht.

Darüber hinaus soll mit der Digitalisierung von Akten des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP die Online-Bereitstellung der Kolonialüberlieferung abgeschlossen werden. Zu Ende geführt werden soll die Digitalisierung der Akten der Reichskanzlei in den Teilbeständen R 43 und R 43-II. Fortgesetzt wird auch die Digitalisierung der Bestände des Reichsministeriums des Innern, des Reichsjustizministeriums, des Reichsfinanzministeriums und des Auswärtigen Amtes.

Die Digitalisierung wichtiger Überlieferungen aus Dienststellen der Reichsleitung der NSDAP, darunter die Akten der Persönlichen Adjutantur des Führers und Reichskanzlers, der Kanzlei des Führers der NSDAP, des Reichsorganisationsleiters der NSDAP und des Reichsschatzmeisters der NSDAP, wird fortgeführt. Begonnen werden soll mit der Digitalisierung der NSDAP-„Führerkartei“ und der Unterlagen der Hitler-Jugend.

Die Digitalisierung der Rückgratbestände der SS-Verwaltung NS 19 (Persönlicher Stab Reichsführer-SS) und R 58 (Reichssicherheitshauptamt) soll zu Ende geführt werden. Nach Möglichkeit sollen weitere Akten der Bestände aus SS-Hauptämtern sowie weitere Teilbestände der Überlieferung aus den Konzentrationslagern (NS 4) berücksichtigt werden.

Wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Holocaust-Forschung ist die weitere Digitalisierung der Bestände der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, der Reichsstelle für den Außenhandel und der Haupttreuhandstelle Ost vorgesehen. Von einzigartigem Quellenwert zur Verfolgung der als „Zigeuner“ stigmatisierten Menschen sind auch die Unterlagen der Rassenhygienischen und kriminalbiologischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes.

Die Digitalisierung der Akten des Reichsgerichts und des Volksgerichtshofs soll fortgesetzt werden.

Digitalisierung von Unterlagen militärischer Stellen aus der NS-Zeit

Die Digitalisierung der militärischen Überlieferung aus der Zeit bis 1945 nahm in der Vorbereitung auf das Gedenkjahr 2014 mit dem Scannen von Unterlagen mit hoher Relevanz für die Erforschung der Geschichte des Ersten Weltkriegs ihren Ausgang. Digitalisiert wurden in der Folge auch aussagekräftige Unterlagen militärischer Stellen aus der Zeit der Weimarer Republik, etwa von Freikorps und Freiwilligen-Verbänden.

Seit einigen Jahren liegt der Schwerpunkt auf der Digitalisierung militärischer Überlieferung zur NS-Zeit. Dafür wurden Überlieferungskomplexe unterschiedlicher Größe definiert, die sich an Themen (z. B. Militärischer Widerstand) oder an Strukturen (z. B. Heeresgruppen oder Legion Condor) orientieren. Viele dieser Komplexe sind bereits abgeschlossen in dem Sinn, dass die amtliche Aktenüberlieferung – ggf. abgesehen von amtlichen Vorschriften und noch nicht verknüpften Groß- und Überformaten) komplett digitalisiert und online bereitgestellt wurde. Hinzu kommen von zugehörigen Nachlässen die inhaltlich relevanten und rechtlich zugänglichen Unterlagen. Im Einzelnen sind zu nennen:

  • Das Oberkommando der Wehrmacht (außer Rüstung)
  • Der Spanische Bürgerkrieg
  • Die deutschen Heeresgruppen im Zweiten Weltkrieg
  • Die deutsche Besatzungsherrschaft im Zweiten Weltkrieg
  • Der deutsche militärische Nachrichtendienst im Zweiten Weltkrieg
  • Das deutsche Kriegsgefangenenwesen im Zweiten Weltkrieg
  • Der Militärische Widerstand
  • Flugblätter und Wandanschläge militärischer Einrichtungen
  • Zahlreiche Nachlässe, u. a. von Generaloberst Ludwig Beck, Admiral Wilhelm Canaris, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, Generalleutnant Kurt von Schleicher

Einen besonders hohen Aufwand verursacht der in der militärischen Überlieferung besonders hohe Anteil an Großformaten in den amtlichen Unterlagen. Insbesondere die Anlagenbände zu den Kriegstagebüchern, aber auch allgemein die Sachakten der militärischen Dienststellen, Kommandobehörden, Verbände und Einheiten enthalten häufig Lagekarten, Stellungskarten, sonstige Spezialkarten, mitunter auch Organigramme, Tabellen, Bau- und Konstruktionszeichnungen.

Diese Großformate müssen ab einem bestimmten Format in der Regel entnommen, geglättet und separat digitalisiert werden, wobei der Zusammenhang mit der Herkunftsakte unbedingt zu wahren ist. Hierdurch entstehen im Digitalisierungsablauf parallele Workflows, weshalb sich die Bereitstellung gegenüber Akten ohne Großformate deutlich verzögert.

Planungen für 2024 für die Digitalisierung von Unterlagen militärischer Stellen aus der NS-Zeit

Auch in diesem Bereich wird das Bundesarchiv dank der vom Deutschen Bundestag bereitgestellten Sondermittel seine Digitalisierungsleistung deutlich erhöhen können. Für das Jahr 2024 ist vor allem die Fortsetzung schon begonnener weiterer Überlieferungskomplexe geplant, z. B.:

  • Die deutsche Wehrwirtschaft und die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Länder im Zweiten Weltkrieg
  • Das Oberkommando des Heeres
  • Die Deutsche Heereskarte
  • Die militärgeographischen Beschreibungen des Chefs des Kriegskarten- und Vermessungswesens
  • Die deutschen Armeen im Zweiten Weltkrieg
  • Die obersten Kommandobehörden der Luftwaffe
  • Die deutschen fliegenden Verbände im 2. Weltkrieg
  • Die obersten Kommandobehörden der Reichsmarine und Kriegsmarine
  • Die Admiralitätskarten der Kaiserlichen Marine und Kriegsmarine
  • Reichsmarine und Kriegsmarine: Technik
  • Weitere Nachlässe

Seit 2022 besteht in der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs die Möglichkeit, auf Antrag Großformate digitalisieren zu lassen. Dieses Angebot wird seither rege genutzt. Durch allgemeine Zugänglichmachung der dadurch entstandenen Digitalisate im Internet profitieren weitere interessierte Benutzerinnen und Benutzer ebenso wie durch die Bereitstellung einzelner Akten infolge der „Digitalisierung on demand“.

Allerdings werden gerade am Standort Freiburg die Werkstätten und Digitalisierungsstellen vermutlich sehr stark durch die Digitalisierungswünsche von Benutzerinnen und Benutzer gebunden sein. Die oben formulierten Ziele für die „Programmdigitalisierung“ stehen daher unter einem gewissen Vorbehalt.

Digitalisierung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

Erhebliche Ressourcen werden im Bundesarchiv aufgewandt, um die Digitalisierung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wirksam voranzutreiben. Dies betrifft Archivalien aus vielfältigen Überlieferungsbereichen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) unter Einschluss seiner Vorläufer- und Nachfolgeorganisationen aus der Zeit zwischen 1945 und 1990, ferner die vom Staatssicherheitsdienst gesammelten Unterlagen aus der Zeit vor 1945, soweit sie sich heute weiter in den Archivbeständen des MfS befinden.

Im Rahmen der „Digitalisierung on demand“ wurden am Standort Berlin-Lichtenberg von Juni 2021 bis Ende 2023 bereits etwa sieben Millionen digitalisierte Einzelseiten aus Akten angefertigt. Zusätzlich werden über die „Programmdigitalisierung“ geschlossene Schriftgutkomplexe digitalisiert, aus denen besonders häufig Unterlagen nachgefragt werden und die für das Verständnis von Tätigkeit und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes sowie für die politisch-historische Aufarbeitung der Herrschaftsmechanismen des SED-Regimes von besonderer Bedeutung sind.

Beispiele dafür sind:

  • Die vom MfS gebildeten „Allgemeinen Sachablagen“ in seiner ehemaligen Zentrale in Berlin sowie in den Bezirksverwaltungen
  • Die zentralen Karteien des Staatssicherheitsdienstes wie z. B. die Personenklarnamenkartei „F 16“ am Standort Berlin-Lichtenberg mit ca. 5,66 Millionen Karteikarten
  • Die Vorgangshefte zur Dokumentation der von den MfS-Offizieren geführten Überwachungs-, Repressions- oder Spitzelvorgänge
  • Die Archivregistrierbücher des MfS für den Nachweis abgeschlossener MfS-Akten bzw. der vom MfS zur Verwahrung übernommenen Altakten der DDR-Staatsanwaltschaften
  • Unterlagen aus dem Sekretariat des Ministers für Staatssicherheit (SdM) im Bestand MfS 1, in dem Informationen aus dem gesamten Staatssicherheitsdienst zusammengeflossen waren
  • Die Überlieferungen der Auswertungs- und Kontrollgruppen (AKG) bei den Bezirksverwaltungen des MfS (Bestände MfS 2 - 16) mit den darin enthaltenen regelmäßigen Berichten an die SED-Bezirksleitungen
  • Unterlagen aus dem Bereich Westspionage (Abteilung XV) im Bestand MfS 10 (Bezirksverwaltung Leipzig) und das Schriftgut aus dem nur im Ministerium in Berlin (Bestand MfS 1) angesiedelten Arbeitsbereich Internationale Verbindungen (Abteilung X) als Teilbestände, die bei einer ansonsten ungünstigen Überlieferungslage wertvolle Erkenntnisse versprechen

Aus dem Bestand MfS 11 (Bezirksverwaltung Magdeburg) wurde mittlerweile der größte Teil der „Allgemeinen Sachablage“ digitalisiert, darunter auch Schriftgut, das vom Staatssicherheitsdienst noch zerrissen („vorvernichtet“) wurde und zwischenzeitlich händisch rekonstruiert worden ist. Von der Kartei „F 16“ in Berlin-Lichtenberg sind bis Ende 2023 knapp eine Million Karteikarten digitalisiert worden.

Für die systematische Digitalisierung von verfilmten Unterlagen aus dem sehr umfangreichen Sicherungsfonds des MfS wurde die erforderliche Technik beschafft. Die Arbeiten erfolgen anlassbezogen „on demand“ und konzentrieren sich hier zunächst vor allem darauf, solche Aufzeichnungen zu digitalisieren, die ganz oder teilweise nur noch in verfilmter Form greifbar sind, weil der Staatssicherheitsdienst die Papier-Unterlagen vollständig oder in Teilen vernichtet hat.

Planungen für 2024 für die Digitalisierung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

Die „Digitalisierung on demand“ wird mit den dafür geschaffenen Kapazitäten (2,5 Millionen Seiten pro Jahr) fortgesetzt. In diesem Zusammenhang wird auch die Digitalisierung der verfilmten Unterlagen in der oben beschriebenen Weise weitergeführt.

Fortgesetzt wird die Digitalisierung der zentralen Personenkartei „F 16“. Das Vorhaben ist verknüpft mit einem Pilotprojekt zur Karteikartenerschließung mittels Künstlicher Intelligenz (KI), um künftig die Texterfassung und Recherchierbarkeit der Karteikarteninhalte zu erleichtern.

Im Rahmen der „Programmdigitalisierung“ soll, vorbehaltlich der dafür erforderlichen Haushaltsmittel, Schriftgut im Umfang von insgesamt etwa drei Millionen Seiten reproduziert werden. Dabei sind dabei folgende Überlieferungskomplexe vorgesehen:

  • Sekretariat des Ministers für Staatssicherheit (SdM) im Bestand MfS 1 (Ministerium)
  • Abteilung Internationale Verbindungen (Abt. X) im Bestand MfS 1
  • Abteilung Westspionage (Abt. XV) im Bestand MfS 10 (Bezirksverwaltung Leipzig)
  • Auswertungs- und Kontrollgruppen (AKG) in den Beständen MfS 12 und MfS 15 (Bezirksverwaltungen Neubrandenburg und Schwerin)
  • Archivregistrierbücher und Vorgangshefte aus allen MfS-Beständen (MfS 1 – 16)

Inbegriffen sind hierbei erneut auch manuell rekonstruierte Unterlagen, die vom Staatssicherheitsdienst bei seiner Auflösung noch zerrissen worden waren (z. B. aus dem Bereich Internationale Verbindungen im Bestand MfS 1 oder aus dem Bereich Westspionage im Bestand MfS 10).