Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Wiedervereinigung 1990 war die offene deutsche Frage ein zentrales Problem der deutschen und internationalen Politik. Aufgabe der "Dokumente zur Deutschlandpolitik" (DzD) ist die wissenschaftlich-kritische Edition wesentlicher Schriftstücke zur Deutschlandfrage.
Die DzD umfassen den Zeitraum zwischen den Jahren 1939 und 1990: Sie setzen 1939 mit den Beratungen der alliierten Mächte über Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ein und behandeln die dem Kriegsende folgende, viereinhalb Jahrzehnte andauernde Teilung sowie die Wiederherstellung der deutschen Einheit im Jahre 1990.
Gesamtœuvre
Zur Zeit liegen 36 Bände in sieben Reihen und zwei Sonderbände vor. Sie dokumentieren vornehmlich Entwicklungen und Entscheidungen aus Sicht der beiden deutschen Staaten im Kontext der internationalen Politik, die durch den Ost-West-Gegensatz geprägt war. Mit diesen Veröffentlichungen kommt das Editionsvorhaben seit 1961 im Auftrag der Bundesregierung einem großen und berechtigten Interesse von wissenschaftlicher Forschung und interessierter Öffentlichkeit nach (vgl. auch die Rede von Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters anlässlich der Präsentation des Bandes VI/6 (1979/80) im November 2014).
Aktuell: VII. Reihe
Die Edition findet ihren Abschluss mit der VII. Reihe. Ihr Gegenstand ist die Deutschlandpolitik in der Ära Kohl bis zur Wiedervereinigung.
Die Dokumentenauswahl beruht hauptsächlich auf im Bundesarchiv überlieferten Archivalien der Bundesregierung sowie der Führungsgremien der SED und des DDR-Ministerrats. Ergänzend werden außerdem zentrale Aktenstücke aus Nachlässen und Deposita berücksichtigt. Der Textabdruck folgt grundsätzlich den authentischen Quellen. Geradezu einmalig - und zugleich ein Erfordernis der Quellenkritik - ist dabei der Umstand, dass auf die Überlieferungen beider Seiten, der Bundesregierung wie der DDR-Führung, zurückgegriffen werden kann und damit auch größtmögliche Transparenz und Vergleichbarkeit der damaligen Positionen gegeben ist.
Geschichte der "Dokumente zur Deutschlandpolitik"
Die Anfänge der Edition gehen bis ins Jahr 1951 zurück. An dieser Stelle geben wir einen Überblick über die historische Entwicklung.
Die Herausgeber
Die "Dokumente zur Deutschlandpolitik" erscheinen seit 1961. Herausgegeben wurden sie ursprünglich vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, 1969 umbenannt in Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. Nach Wiederherstellung der deutschen Einheit übernahm 1991 das Bundesministerium des Innern die Herausgeberschaft, von 1996 an unter Mitwirkung des Bundesarchivs. Nach einer Phase der Mitherausgeberschaft zwischen 2003 und 2014 fungiert das Bundesarchiv inzwischen als alleiniger Herausgeber.
Anfänge und Vorläufer
Die Anfänge der Edition gehen auf das Jahr 1951 zurück. Aufgrund der innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik um die Wiedervereinigung gab das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen unter dem Titel "Die Bemühungen der Bundesrepublik um Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch gesamtdeutsche Wahlen" eine Sammlung von Dokumenten und Akten heraus, die insbesondere die ersten Entschließungen des Deutschen Bundestages und Erklärungen der Bundesregierung zur Frage der Wiedervereinigung Deutschlands enthielten. Diese Sammlung wurde bis 1958 auf drei Bände erweitert. Die Veröffentlichung sollte zunächst amtlichen Zwecken dienen, fand jedoch bald auch als Studienmaterial Verwendung. Aufgrund der weiteren Nachfrage nach authentischen Dokumententexten zur deutschen Frage und angesichts der nach dem Berlin-Ultimatum Chruschtschows erneuten Viermächte-Verhandlungen über Deutschland auf den Genfer Außenminister-Konferenzen 1959, die erstmals unter Beteiligung von Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und der DDR stattfanden, entschloss sich das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, eine neue systematische und besser fundierte Sammlung vorzubereiten. Sie sollte sowohl möglichst zeitnah am aktuellen Geschehen alle wichtigen nationalen und internationalen Äußerungen zur Deutschlandpolitik umfassen als auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs von 1941 an.
Zunächst sollte die neue Veröffentlichung unter dem Titel "Dokumente zur Deutschland-Frage" erscheinen. Vier Reihen waren vorgesehen: die erste Reihe für den Zeitraum 1941 bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945, die zweite Reihe für die Jahre der Besatzungszeit vom 9. Mai 1945 bis einen Tag vor dem Inkrafttreten der Pariser Verträge am 4. Mai 1955, die dritte Reihe für die Zeit vom 5. Mai 1955 bis zu Chruschtschows Berlin-Ultimatum am 9. November 1958 und die vierte Reihe vom 10. November 1958 an fortlaufend.
Grundprinzipien und die ersten Bände
Am 1. Mai 1959 nahm eine Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit auf. Aufgabe war es, alle amtlichen Deutschland betreffenden Texte, Noten, Korrespondenzen, Erklärungen, Beschlüsse, Verträge und Verlautbarungen möglichst vollständig und ungekürzt zusammenzustellen. Dazu zählten auch, soweit sie zugänglich waren, Dokumente der Viermächte-Konferenzen. Ergänzt werden sollte das Material durch Reden, Erklärungen, Aufsätze und Interviews von Regierungsmitgliedern, Parlamentariern, Politikern und Publizisten, die für die Entwicklung der Deutschland-Frage bedeutsam waren. Schwerpunkt war und sollte jedoch stets die Bereitstellung des amtlichen Materials sein.
Diese Texte werden grundsätzlich nach amtlichen Vorlagen mit genauer Angabe des Fundortes wiedergegeben, wo immer solche verfügbar sind. Bei besonders wichtigen Dokumenten erfolgt die Textwiedergabe auch in zwei oder mehreren Sprachen, wenn es sich nicht um einen originalen deutschen Wortlaut handelt. In Anmerkungen werden textkritische Erläuterungen und Kommentierungen zu einzelnen Sachverhalten nach wissenschaftlich üblichen Kriterien gegeben.
Der Anfang wurde mit der Bearbeitung der III. Reihe für die Jahre von 1955 bis 1958 gemacht. Vier Jahresbände konnten bis 1969 fertig gestellt werden.
Verlauf des Editionsprojekts in den 1970er und 1980er Jahren
Während der 1970er Jahre wurde die IV. Reihe bis zum Ende der CDU/CSU-/FDP-Koalition unter den Bundeskanzlern Adenauer und Erhard am 30. November 1966 bearbeitet und 1981 mit zwölf Bänden abgeschlossen.
Nach Ablauf der 30-Jahressperrfrist waren Anfang der 1980er Jahre große Teile des amtlichen Schriftguts der westlichen alliierten Mächte, das sich auf die Deutschlandpolitik in der Zeit des Zweiten Weltkriegs bezog, zugänglich. Daher resultierte das Bemühen, nunmehr mit der Aufarbeitung der I. Reihe für die Kriegsjahre von 1939 bis 1945 zu beginnen.
Die "Dokumente zur Deutschlandpolitik" nahmen verstärkt den Charakter einer zeitgeschichtlichen Edition an. Aus der Bearbeitung der I. Reihe entstanden bis 1991 vier Bände, ein fünfter Band, der 2003 erschien, schloss die Reihe ab. Parallel dazu wurden in den 1980er Jahren die Arbeiten an der Phase der CDU/CSU-SPD-Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger mit einer neuen V. Reihe für die Jahre 1966 bis 1969 fortgesetzt. Bis 1987 erschienen zwei Bände.
Intensivierung der Arbeiten nach der Wiedervereinigung
Die Wiedervereinigung 1990 löste die Deutschland-Frage und setzte der Edition ihre zeitliche Grenze. Die fehlenden Bände in der II. Reihe für die Jahre 1945 bis 1955 zu erstellen, wurde in Anbetracht der Aufarbeitung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren zunehmend als Desiderat empfunden. Nachdem die neue administrative Zuordnung zum Bundesministerium des Innern 1991 vollzogen war, wurden die Arbeiten an dieser Reihe intensiviert, sodass bis 2003 vier Bände veröffentlicht werden konnten.
Arbeiten an den Bänden der VI. und VII. Reihe
Anschließend begannen die Arbeiten an der VI. Reihe für die Jahre der SPD/FDP-Koalition unter den Bundeskanzlern Brandt und Schmidt zwischen 1969 und 1982, deren letzter Band (1. Jan. 1981 bis 1. Okt. 1982) im Jahr 2016 erschienen ist. Mittlerweile läuft die Bearbeitung der VII. Reihe, die mit der "Ära Kohl" das Editionsvorhaben abschließen wird. Bisher erschienen sind die ersten beiden Bände der VII. Reihe (Bd. 1: 1. Okt. 1982 bis 31. Dez. 1984, Bd. 2: 1. Jan. 1985 bis 31. Dez. 1986). Die Bände VII/3 (1. Jan. 1987 bis 31. Dez. 1988) und VII/4 (1. Jan. 1989 bis 3. Okt. 1990) sollen in den Jahren 2024 bzw. 2025 erscheinen.
Sonderedition "Deutsche Einheit"
Das große nationale und internationale Interesse an den Vorgängen der Wiedervereinigung 1989/90 veranlasste das Bundeskanzleramt im Jahre 1994, die Zusammenstellung einer Sonderedition aus seinen Akten für diese Phase in Auftrag zu geben. Der Band erschien 1998.
Sonderedition "Besondere Bemühungen"
Gegenstand einer weiteren Sonderedition, die 2012 erschien und den Zeitraum von 1962 bis 1969 umfasst, sind die „Besondere Bemühungen" der Bundesregierung, die dem Freikauf von Häftlingen aus Gefängnissen der DDR, der Zusammenführung von Familien und dem Austausch von Agenten dienten.