Wo landet man im Bundesarchiv, wenn man sich auf die Spur unseres Grundgesetzes begibt?
Unterlagen zur Entstehung und Vorbereitung im Verfassungskonvent in Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat finden sich zum Beispiel im Bestand „Z 12 Büro der Ministerpräsidenten der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone“ und in Nachlässen der „Väter und Mütter“ des Grundgesetzes wie Hermann Brill oder Jakob Kaiser.
Die Geschichte des Grundgesetzes wird bis heute fortgeschrieben. Zahlreiche Artikel sind seit 1949 auch geändert worden, von der Aufstellung der Bundeswehr in den 1950er Jahren über die Notstandsgesetze in den 1960er Jahren bis hin zur Föderalismusreform und zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz 2002. All diese Änderungen wurden in den zuständigen Ressorts diskutiert und vorbereitet, davon zeugen umfangreiche Akten in unseren Beständen des Bundeskanzleramts und der Bundesministerien.
Als „Hüter der Verfassung“ sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bekannt, dessen Akten ebenfalls im Bundesarchiv zu finden sind. Als „Frühwarnsystem“ gegen Verfassungsfeinde agiert das Bundesamt für Verfassungsschutz, dessen Unterlagen im Bestand B 443 aufbewahrt werden.
Nicht zu vergessen: Der Geltungsbereich des Grundgesetzes vergrößerte sich 1990 mit der Deutschen Einheit schlagartig. Bei uns sind die Vorbereitungen und Verhandlungen um die Wiedervereinigung in beiden deutschen Staaten dokumentiert und die wichtigsten Schriftstücke in der Edition der „Dokumente zur Deutschlandpolitik“ veröffentlicht worden.
Wo haben Sie in Ihrer Arbeit mit diesen Themen zu tun?
In meinen Zuständigkeitsbereich fallen etwa die Akten des Bundesverfassungsgerichts. Meine Aufgabe ist es, diese Akten mittels unserer Archivverwaltungssoftware so zu erschließen, dass Interessierte das Gesuchte auch finden. Außerdem werden in Karlsruhe jedes Jahr auch Tausende Verfassungsbeschwerden verhandelt, die von jeder Person erhoben werden können und die zum größten Teil erfolglos bleiben. Diese Akten können wir nicht alle auf Dauer aufbewahren. Ich entwickle Bewertungskriterien für eine sinnvolle, aussagekräftige und benutzerfreundliche Auswahl. Darüber tausche ich mich auch mit dem Verfassungsgericht selbst und mit Forschenden aus, zum Beispiel auf Symposien und wissenschaftlichen Fachtagungen.
Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass diese Dokumente bei uns liegen und für jeden und jede zugänglich sind?
Die Antwort auf diese Frage findet sich schon im Grundgesetz selbst: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, heißt es in Artikel 5. Dieses Grundrecht schlägt sich im Bundesarchivgesetz nieder, in dem jeder Person das Recht zugestanden wird, die Unterlagen im Bundesarchiv zu benutzen. Der freie Zugang zu den Akten erlaubt sozusagen einen Blick hinter die Kulissen der Regierungsbühne – wenn auch mit zeitlichem Abstand. Dies sorgt für Transparenz und bildet die unverzichtbare Grundlage, um Fake News und Geschichtsfälschungen entgegenzutreten. Insofern ist unsere tägliche Arbeit ein wesentlicher Beitrag zu einer funktionierenden Demokratie.