Aktionen der Strausberger Bauarbeiter
Gegen 7:00 Uhr begannen Bauarbeiter in Strausberg mit den ersten Streiks, zuerst auf einer Baustelle in der Nähe des S-Bahnhofs, wo sie Bauten für das MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... errichteten. Die Bauarbeiter bildeten eine Streikleitung, der etwa zwölf Kollegen angehörten. Sie formulierten die Forderungen der Arbeiter: Freie Wahlen in ganz Deutschland, Abschaffung der Kasernierten Volkspolizei, Abzug der Besatzungstruppen, Wegfall der Zonengrenzen, Angleichung des Preisniveaus an den Lohn und 75-prozentigen Preisnachlass für Arbeiterrückfahrkarten. Anschließend bestimmte die Streikleitung zehn bis fünfzehn Kollegen, die mit Fahrrädern nach Berlin fahren sollten. Jeder erhielt eine Kopie des vom Vorsitzenden des Streikkomitees unterzeichneten Forderungskatalogs. Die Fahrradfahrer fuhren getrennt, damit wenigstens einige die Stadtgrenzen überwinden konnten. Ziele waren die Regierung der DDR und die Kollegen in der Berliner Stalinallee. Ihnen sollten Kopien der Strausberger Erklärung übergeben werden. Ob es ein Fahrradfahrer nach Berlin schaffte, ist nicht zweifelsfrei rekonstruierbar.
Da sich den Bauarbeitern auch die Kraftfahrer anschlossen, fuhren schließlich sechs bis zehn LKW, beladen mit Bauarbeitern, nach Berlin. Unterwegs forderten sie ihre Kollegen auf den Baustellen und in den Betrieben in Hennickendorf, Herzfelde und Rüdersdorf auf, ebenfalls zu streiken. Viele der Betriebe befanden sich bereits im Ausstand. Andere, wie das Zementwerk in Rüdersdorf, folgte dem Aufruf der Strausberger Kollegen. In Rüdersdorf forderten die Arbeiter am Haftarbeitslager die Freilassung der politischen Gefangenen. Sie konnten das Lager aber nicht stürmen, weil es von der Polizei stark gesichert worden war.
Indes mussten die Strausberger Bauarbeiter von Rüdersdorf erst einmal wieder zurück nach Strausberg fahren, weil ihren LKWs das Benzin ausging. Um in Strausberg an den nötigen Treibstoff zu gelangen, erstürmten die Bauarbeiter kurzerhand das Tanklager. Danach setzte sich die Fahrzeugkolonne wieder in Richtung Berlin in Bewegung. Kurz hinter Dahlwitz-Hoppegarten gelangten sie an die Berliner Stadtgrenze. Hier wurde die Fahrzeugkolonne jedoch von Polizei und sowjetischem Militär aufgehalten, die einen Angriff der Bauarbeiter mit Schüssen abwehrten. Die Arbeiter fuhren nach Strausberg zurück und streikten weiter bis zum 18. Juni.
Das Streikkomitee verhandelte unterdessen mit den Funktionären von SED und Gewerkschaften. Die Verhandlungen blieben aber ergebnislos. Am 22. Juni nahm das MfS sechs Hauptverdächtige fest. Nur wenige Tage später, am 25. und 26. Juni 1953, verhandelte der 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) gegen die vermeintlichen Rädelsführer. Sechs Bauarbeiter erhielten Haftstrafen: Günter Tillner (21 Jahre alt) acht Jahre, Heinz Grünhagen (20 Jahre alt) fünf Jahre, Otto Fischer (36 Jahre alt) sieben Jahre, Heinz Ritzleben (26 Jahre alt) ein Jahr und sechs Monate sowie Siegfried Kiehnast (28 Jahre alt) neun Monate. Lediglich der 51-jährige Walter Strak bekam nur drei Monate Gefängnisstrafe und wurde nach der Urteilsverkündung sofort auf freien Fuß gesetzt. Ihm kam zugute, dass er als Verfolgter des NS-Regimes galt und bereits von den Nationalsozialisten 1933 acht Tage lang eingesperrt worden war, weil er eine Druckmaschine der KPD versteckt hatte.