Einführende Informationen
Am 1. September 1939 gegen 4:47 Uhr begann das Schulschiff Schleswig-Holstein mit dem Beschuss der Westerplatte und leitete zusammen mit Bombenangriffen der Luftwaffe den deutschen Überfall auf Polen ein. Dem Beschuss zur See und aus der Luft folgte umgehend die Invasion zu Land.
Noch am selben Tag verkündete Adolf Hitler im Zuge einer Rede im Reichstag, dass Polen deutsches Territorium beschossen hätte und deshalb seit 5:45 Uhr zurückgeschossen werde. Die Aussage stellt schlichtweg eine Lüge dar und auch die Vorfälle im deutsch-polnischen Grenzgebiet, wie zum Beispiel der Überfall auf den Sender Gleiwitz, die als Anlass für den Überfall herhielten, waren von den Nationalsozialisten fingiert. Überdies war der Überfall auf Polen bereits seit längerer Zeit geplant.
Als Reaktion auf das deutsche Vorgehen stellten sowohl Frankreich als auch Großbritannien dem Deutschen Reich jeweils ein Ultimatum, die Kampfhandlungen sofort einzustellen und sich aus Polen zurückzuziehen. Beide Ultimaten wurden jedoch ignoriert und in der Konsequenz erklärten Frankreich und Großbritannien dem Deutschen Reich am 3. September 1939 den Krieg. Einen unmittelbaren Einfluss auf das Kriegsgeschehen in Polen hatte die doppelte Kriegserklärung jedoch nicht.
Stattdessen stießen die deutschen Truppenteile im Norden und Süden – dort vom Slowakischen Heer unterstützt – zügig vor. Bereits am 3. September 1939 konnte eine Landverbindung zwischen Ostpreußen und Pommern etabliert werden, wodurch Polen im Grunde von seiner Küste abgeschnitten war. Am 8. September 1939 erreichten die ersten Truppenteile der Wehrmacht von Süden her die Vororte Warschaus. Im Zuge von weiteren Vorstößen aus dem Norden und Süden gelang schließlich bis zum 15. September 1939 die Einkesselung der polnischen Hauptstadt samt weiter Teilen des Umlands.
Zwar leisteten die polnischen Streitkräfte lokal erbitterten Widerstand, doch mussten sie aufgrund der numerischen und materiellen Überlegenheit der deutschen Truppen stetig zurückweichen oder wurden eingekesselt. Die Lage Polens war daher binnen kürzester Zeit verzweifelt. Als am 17. September 1939 die Rote Armee von Osten her in Polen einmarschierte, wurde die Lage im Grunde aussichtlos. Für den Einmarsch wurden auch vonseiten der Sowjetunion fadenscheinige Argumente als Rechtfertigung genutzt. So sollte der Einsatz dem Schutz von ukrainischen und weißrussischen Minderheiten in Polen vor den deutschen Truppen dienen. Ostpolen wurde allerdings schon am 23. August 1939 in einem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts der Sowjetunion zugeschrieben.
Für die deutschen Streitkräfte bedeutete der sowjetische Einmarsch eine Entlastung und sie konnten freiwerdende Einheiten zur Zerschlagung der noch bestehenden Kessel nutzen. Das eingeschlossene Warschau fiel nach einem von massiven Bombardements unterstützten Großangriff am 28. September 1939 und bis zum 6. Oktober 1939 wurden die letzten verbliebenen polnischen Streitkräfte besiegt. Damit endete der deutsche Überfall auf Polen, der sich in den darauffolgenden Monaten zu einem europäischen Krieg und sich schließlich zum Zweiten Weltkrieg entwickelte.
Die deutschen Vorstöße wurden von Kriegsverbrechen der Wehrmacht und der Leibstandarte SS „Adolf Hitler“ begleitet. Die Verbrechen richteten sich gegen polnische Kriegsgefangene, Zivilisten sowie im Besonderen gegen Juden und umfassten Massaker, Plünderungen, Vergewaltigungen sowie Bombardierungen ziviler Einrichtungen. Für letztere war maßgeblich die deutsche Luftwaffe verantwortlich. In den bereits eroberten Gebieten ermordeten die der kämpfenden Truppe folgenden Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdiensts polnische Zivilisten. Der Fokus lag dabei auf polnischen Intellektuellen, die als Bedrohung für das deutsche Volk betrachtet wurden. An diesem Vorgehen beteiligten sich gleichermaßen paramilitärische Verbände, die aus in Polen lebenden Volksdeutschen bestanden. Die verübten Kriegsverbrechen waren deutlich von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt und stießen aufgrund der Ausmaße der Grausamkeiten selbst bei einem Teil der deutschen Generalität auf Ablehnung. Adolf Hitler erteilte hingegen sämtlichen deutschen Kriegsverbrechern am 4. Oktober 1939 eine Amnestie.
Diese stark komprimiert geschilderten Ereignisse entfalten sich umfangreich in den Unterlagen der ehemaligen Wehrmacht und Waffen-SS. Sie sind aufgrund von Kriegseinwirkungen jedoch nicht vollständig. Besonders gen Ende des Zweiten Weltkriegs fanden durch die deutschen Stellen umfangreiche Vernichtungsaktionen statt. Am erfolgreichsten waren dabei die Luftwaffe und die Waffen-SS, von denen heute nur noch wenige Aktensplitter überliefert sind. Außerdem erlitt das Heeresarchiv am 14. April 1945 im Zuge der Bombardierung Potsdams einen Volltreffer und brannte nahezu vollständig aus. Lediglich zuvor ausgelagerte Unterlagen blieben von den Flammen verschont. Für Unterlagen der Wehrmacht und Waffen-SS, die vor 1942 entstanden sind, gilt zu berücksichtigen, dass es im Februar 1942 im Heeresarchiv zu einem Brand kam, der zahlreiche Akten beschädigte und zum Teil zerstörte. Nachfolgend erfahren Sie, wie Sie trotz der Überlieferungslücken relevante Quellen zum deutschen Überfall auf Polen finden.
Die an den Überfall anknüpfende Besatzungszeit bis 1945 wird aufgrund des Umfangs des Themas hingegen in einem anderen Rechercheleitfaden behandelt.
Recherchestrategie
Ortsbezogene Recherchen im Bundesarchiv, die die Zeit des Zweiten Weltkriegs betreffen, sind meist mit hohen Aufwänden verbunden, denn die hiesigen Bestände sind allesamt nach militärischen Dienststellen und Truppenteilen abgelegt. Ein Zugriff über Orts- oder Gebietsnamen besteht in der Regel nicht. Zwar können Sie in invenio mit Schlagworten suchen, doch führt dieses Vorgehen nur zu wenigen beziehungsweise nicht selten zu überhaupt keinen Treffern. Das bedeutet jedoch nicht, dass keinerlei Überlieferung existiert.
Stattdessen besteht die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Beständen auszuwerten – eine sehr zeitintensive Sucharbeit, deren Ergebnis angesichts der Überlieferungslage offen bleiben muss, denn von Regimentern, Bataillonen und sonstigen kleineren Einheiten sowie Dienststellen sind in der Regel nur wenige oder keine Unterlagen erhalten und selbst die Kriegstagebücher der Divisionen enden meistenteils bereits 1943.
Die Vorstöße der deutschen Truppen und die Verteidigungsbemühungen der polnischen Streitkräfte bilden sich maßgeblich auf Lagekarten ab. Wenn Sie sich für die Operationen und Stationierungen von deutschen Truppenteilen in bestimmten Orten oder Gebieten Polen zur Zeit des Überfalls interessieren, dann können Sie mit Hilfe von Lagekarten deren Namen in Erfahrung bringen. Die Lagekarten des Führerhauptquartiers sind hierfür besonders geeignet. Sie werden im Bestand OKH / Generalstab des Heeres.- Lagekarten (RH 2-KART) verwahrt.
Die Lagekarten sind nach Kriegsschauplatz sowie Zeitraum geordnet und stehen mit verschiedenen Maßstäben zur Verfügung. Relevant sind dabei die Karten zur Lage Ost 1939.
Ferner eignet sich das Archivale RW 4/1361 zur Lokalisierung deutscher Truppenteile. Dabei handelt es sich um einen Abschlussbericht des Oberkommandos der Wehrmacht über den Feldzug in Polen, der zahlreiche Lagekarten (ab S. 119/154) umfasst.
Wenn Sie anhand der Einsichtnahme in die Lagekarten die Namen der Truppenteile in Erfahrung gebracht haben, können Sie Ihre Recherche in deren Kriegstagebüchern und sonstigen Unterlagen fortsetzen.
Primäre Überlieferung zum polnischen Kriegsschauplatz
Quellen zum deutschen Überfall auf Polen befinden sich in zahlreichen Beständen des Bundesarchivs. Die unmittelbare Planung des Überfalls erfolgte unter dem Tarnnamen „Fall Weiß“ und ist auf der höchsten militärischen Ebene in den Akten des Oberkommandos der Wehrmacht, insbesondere beim Wehrmachtführungsstab (RW 4) und des Oberkommandos des Heeres, hier beim Generalstab des Heeres (RH 2), dokumentiert. Ferner waren der beim Generalstab der Luftwaffe angesiedelte Luftwaffenführungsstab (RL 2-II) und der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (RM 6) sowie die Seekriegsleitung der Kriegsmarine (RM 7) beim Oberkommando der Kriegsmarine involviert.
Die Ausführung des Überfalls an Land oblag der Heeresgruppe Nord (RH 19-II) und der Heeresgruppe Süd (RH 19-I) und den ihnen unterstellten Truppenteilen.
Im Norden waren die nachfolgenden Armeen, Generalkommandos, Divisionen und sonstigen Einheiten des Heeres in den Überfall auf Polen involviert. Bitte beachten Sie dabei, dass nicht sämtliche dieser Truppenteile polnisches Territorium betraten, sondern mitunter als Reserven auf dem Gebiet des Deutschen Reichs verblieben oder mit Grenzschutzaufgaben betraut waren.
Im Süden führten die nachfolgenden Truppenteile des Heeres und der Waffen-SS den Angriff aus beziehungsweise dienten als Reserven oder waren am Grenzschutz beteiligt.
Die voranrückenden Landstreitkräfte erhielten während des gesamten Angriffs Unterstützung durch die Luftwaffe. Für den Fall Weiß wurden das Luftflottenkommando 1 (RL 7-1) und das Luftflottenkommando 4 (RL 7-4) bereitgestellt. Diesen unterstanden wiederum verschiedene Divisionen, Luftgaukommandos, Luftwaffen-Kommandos, Fliegerführer sowie Geschwader und sonstige kleinere Einheiten.
Für den Angriff zur See war das Marinegruppenkommando Ost (RM 35-I) verantwortlich, dem wiederum zahlreiche kleinere Truppenteile und einzelne Schiffe sowie Unterseeboote und Marineflieger unterstanden.
Ersatzüberlieferung zum polnischen Kriegsschauplatz
Archivgut
Aufgrund der immensen Schriftgutverluste lassen sich viele Fragen zum Überfall auf Polen anhand der amtlichen Überlieferung leider nicht mehr vollumfänglich beantworten. Das Bundesarchiv stellt jedoch eine sehr umfangreiche Ersatzüberlieferung bereit.
Zunächst können in den Beständen der Historical Division der US-Army, Studiengruppe Wehrmachtführung und Heer (ZA 1), Studiengruppe Marine (ZA 2) und Studiengruppe Luftwaffe (ZA 3) nützliche Unterlagen existieren. Diese umfassen Ausarbeitungen zu zahlreichen deutschen Truppenteilen und den verschiedenen Kriegsschauplätzen des Zweiten Weltkriegs.
Im Bestand MSG 2 Sachthematische und biographische Sammlung zur deutschen Militärgeschichte 1849-1945 befinden sich unter anderem private Tagebücher, Feldpostbriefe sowie Erlebnisberichte von ehemaligen Soldaten. Da der Bestand sehr umfangreich ist, empfiehlt es sich, eine Eingrenzung auf diesen in der allgemeinen Suche durchzuführen und anschließend mit Schlagworten zu operieren.
Bibliotheksgut
Im Bibliothekskatalog des Bundesarchivs können Sie nach möglicherweise vorhandenen Ausarbeitungen zu Truppenteilen suchen. Diese sind insbesondere dann sehr hilfreich, wenn kaum Akten zu den gesuchten Truppenteilen überliefert sind. Derartige Publikationen basieren zum Teil auf den Erinnerungen ehemaliger Angehöriger.
Unterlagen zum polnischen Kriegsschauplatz einsehen
Allgemeines
Das Bundesarchiv verfolgt das Ziel, sämtliche Bestände der Wehrmacht und Waffen-SS zu digitalisieren und online zugänglich zu machen. Aufgrund der schieren Menge an Akten wird es jedoch noch mehrere Jahre dauern, bis das Ziel erreicht wird.
Im Falle des deutschen Überfalls auf Polen liegen bereits die Bestände der Heeresgruppen Nord und Süd sowie der Armeeoberkommandos 3, 10 und 14 digital vor. Außerdem wurde eine kleinere Auswahl an Beständen der zuvor genannten Generalkommandos und Divisionen digitalisiert. Die Akten der Führungsstäbe sowie der Verbände und Einheiten der Fliegertruppe sind allesamt online einsehbar. Dasselbe gilt für die Unterlagen der Leibstandarte SS „Adolf Hitler“. Von Regimentern, Bataillonen, Abteilungen, sonstigen kleineren Einheiten sowie Dienststellen des Heeres und der Waffen-SS sowie bestimmten Schiffen und Unterseeboten der Kriegsmarine gibt es hingegen nur einzelne Digitalisate.
Nicht digitalisierte Unterlagen können Sie entweder vor Ort einsehen oder deren Digitalisierung on demand beauftragen.
Bitte beachten Sie, dass aufgrund der angesprochenen Digitalisierungsbestrebungen des Bundesarchivs einzelne Bestände temporär nicht für die Benutzung bereitstehen können. Nähere Hinweise finden Sie auf unserer Internetseite zu den temporär gesperrten Beständen.
Benutzungshinweise für die Ersatzüberlieferung zum polnischen Kriegsschauplatz
Die Unterlagen in dem Bestand MSG 2 liegen im Bundesarchiv aufgrund von privatrechtlichen Vereinbarungen vor. Da es sich um eine Sammlung zahlreicher privater Abgaben handelt, ist stets eine individuelle Prüfung der Akten und deren Rechtesituation nötig. Wenn Sie Akten gefunden haben, die Sie gern einsehen möchten, dann bitten wir Sie, uns deren Archivsignaturen mitzuteilen. In der Regel ist die Benutzung von Akten aus MSG 2 nicht an besondere Benutzungsbedingungen geknüpft. Die Rechtesituation erfordert jedoch eine der Benutzung vorausgehende Prüfung.
Wir bitten Sie deshalb, für eine Einsichtnahme neben Ihrem Benutzungsantrag auch die Besondere Verpflichtungserklärung für die Nutzung von Archivgut privater Herkunft einzureichen. Da es sich um Unterlagen privater Herkunft handelt, ist für die Benutzung die Unterzeichnung einer solchen Erklärung erforderlich. Sie verpflichten sich damit, die schutzwürdigen Belange von Personen, die in den Unterlagen genannt werden, angemessen zu wahren und Urheberrechte zu beachten.
Weitere Quellen in anderen Archiven und Institutionen
Dem deutschen Armeeoberkommando 14 waren mehrere Truppenteile des slowakischen Heeres, insgesamt drei Divisionen und eine schnelle Abteilung, unterstellt, die an dem Überfall auf Polen teilnahmen. Hierzu könnten Unterlagen in den Beständen des Slowakisches Nationalarchivs existieren.
Slovenský národný archív
Drotárska cesta 42, P.O.BOX 115
Bratislava
817 01
Slowakei
Email: archiv.sna@minv.sk
Internet: https://www.minv.sk/?sna
Abseits davon ist es empfehlenswert, die polnischen Quellen in die Forschung einzubeziehen. Diese werden im Polnischen Staatsarchiv verwahrt.
The State Archives Head Office
ul. Rakowiecka 2D
02-517 Warszawa
Telefon: (22) 56 54 600
Email: ndap@archiwa.gov.pl
Internet: https://archiwa.gov.pl/en/
Bei Fragen zur deutsch-polnischen Geschichte, insbesondere mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg, können Sie zudem beim Pilecki-Institut anfragen.
Pilecki-Institut Berlin
Pariser Platz 4a
10117 Berlin
Telefon: +49 302 757 89 55
Email: berlin@pileckiinstitut.de
Internet: https://berlin.instytutpileckiego.pl/de
Beachtliche Mengen an Unterlagen der Wehrmacht und Waffen-SS wurde im Verlauf des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee erbeutet. Ein Teil davon ist auf dem Portal des Deutsch-Russischen Projekts zur Digitalisierung deutscher Dokumente in Archiven der Russischen Föderation online einsehbar. Darunter befinden sich unter anderem Dokumente mit Bezug zum deutschen Überfall auf Polen.