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Lagekarte von Mittelitalien am 27. Oktober 1943

Lagekarte von Mittelitalien am 27. Oktober 1943 (Ausschnitt), Quelle: BArch, RH 2-KART/9641

Lagekarten verstehen

Lagekarten finden, lesen und entschlüsseln: Auf dieser Seite finden Sie Hilfen zur Recherche und Aufschlüsselung von Lagekarten des Zweiten Weltkrieges in den Beständen des Bundesarchivs.

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Einführende Informationen

Bei ortsbezogenen Recherchen, die den Zweiten Weltkrieg betreffen, führt im Grunde kein Weg an Lagekarten vorbei. Zwar gibt es diverse Ortsdatenbanken, wie jene des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Rom zu Italien und Publikationen, wie beispielsweise das Überblickswerk „Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS 1939 - 1945, Band 16: Stationierungen“ von Georg Tessin, doch eignen sich diese nur für sehr spezielle Anwendungsfälle. Dadurch, dass die Bestände der Wehrmacht und der Waffen-SS im Bundesarchiv allesamt nach militärischen Dienststellen und Truppenteilen formiert sind, besteht in der Regel kein Zugriff über Ortsnamen. Die Lagekarten bieten zudem einen ausgezeichneten Ansatzpunkt, Truppenbewegungen und Verschiebungen der Fronten nachzuvollziehen.

Das Verständnis der Lagekarten kann jedoch anfangs Schwierigkeiten bereiten. Meist werden Truppenteile nicht mit ihrem vollständigen Namen genannt, sondern stattdessen durch taktische Zeichen und Abkürzungen repräsentiert. Dieser kleine Rechercheleitfaden möchte Ihnen dabei helfen, Lagekarten zu finden sowie besser zu verstehen und baut dabei auf Quellen im Bundesarchiv auf, die Sie digital nutzen können.

Lagekarten finden

In Hinblick auf Lagekarten ist der Bestand OKH / Generalstab des Heeres.- Lagekarten (RH 2-KART) von zentraler Bedeutung. Darin werden die Lagekarten des Führerhauptquartiers und der Heeresgruppen (Lage Ost) verwahrt. Die Lagekarten sind nach Kriegsschauplatz sowie Zeitraum geordnet und stehen mit unterschiedlichen Maßstäben zur Verfügung.

Weitere und teils detailliertere Lagekarten sind in den Anlagebänden der Kriegstagebücher der Truppenteile zu finden. Um zielführend nach diesen recherchieren zu können, müssen Sie zunächst die Namen der Truppenteile in Erfahrung bringen. Dies kann mittels der Lagekarten im Bestand RH 2-KART erfolgen, die sich besonders gut für räumliche Eingrenzungen eignen.

Zu den Beständen der verschiedenen Kommandobehörden, Verbände und Einheiten gelangen Sie in der Tektonik von invenio über die folgenden Links:

Wenn Sie innerhalb eines Bestandes von einem Truppenteil nach Lagekarten recherchieren, dann empfiehlt es sich, dort den Klassifikationspunkt Abteilung Ia (Führungsabteilung) anzusteuern. Diese Abteilung war für die Planung und Durchführung militärischer Operationen zuständig und innerhalb des genannten Klassifikationspunktes befinden sich die relevanten Anlagenbände der Kriegstagebücher.

Bitte bedenken Sie, dass die Überlieferung der ehemaligen Wehrmacht bedauerlicherweise große und nicht mehr zu schließende Lücken aufweist. Es ist daher gut möglich, dass sich nicht immer geeignete Lagekarten finden lassen.

Taktische Zeichen aufschlüsseln

Für die Aufschlüsselung der taktischen Zeichen ist die Heeresdruckvorschrift (H.Dv.) 272 „Muster für taktische Zeichen des Heeres“ einschlägig. Diese liegt im Bundesarchiv in den Ausgaben von 1928, 1936, 1938, 1941 und 1943 unter den folgenden Signaturen digital vor:

In der Heeresdruckvorschrift 272 werden sowohl die Grundzeichnen für die Kommandobehörden, Truppenteile, Waffen und Waffengattungen als auch die verschiedenen Zusatzzeichen, -buchstaben und -zahlen, die die Grundzeichen ergänzen, beschrieben. Ferner umfasst die Heeresdruckvorschrift 272 Zeichen für einige Sperren und die Grenzen zwischen den Truppenteilen.

Bitte beachten Sie, dass sich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs neue Truppenteile sowie Waffengattungen ausprägten und demzufolge die taktischen Zeichen angepasst oder ergänzt wurden. Es empfiehlt sich daher, auf Ausgaben der Heeresdruckvorschrift 272 zurückzugreifen, die in etwa der Laufzeit der Lagekarten entsprechen.

Bei der Betrachtung von Lagekarten fällt schnell auf, dass die taktischen Zeichen einem bestimmten Farbschema folgen. Es umfasst im Wesentlichen die vier Farben Blau, Schwarz, Rot und Grün. Taktische Zeichen und sonstige Anmerkungen in blauer Farbe repräsentieren die deutschen Truppenteile, deren Zuständigkeitsbereiche durch schwarze oder blaue taktische Grenzen definiert werden. Die Darstellung von feindlichen Truppenteilen erfolgt in Rot wohingegen Verbündete Truppenteile die Farbe Grün aufweisen.

Abseits von den taktischen Zeichen und den vier genannten Farben können Lagekarten stets weitere Einzeichnungen in beliebigen Farben aufweisen, die nicht immer den Vorgaben der Heeresdruckvorschrift 272 entsprechen. Die Bedeutung dieser Einzeichnungen können sich mitunter durch die Lagekarte selbst oder weitere Dokumente, mit denen die jeweilige Lagekarte in Verbindung steht, erschließen.

Beispielhafte Aufschlüsselung eines Lagekartenausschnitts

Nachdem dargelegt wurde, wie Sie Lagekarten finden können und welches Hilfsmittel für die Aufschlüsselung der taktischen Zeichen am besten geeignet ist, soll nun an einem Beispiel die praktische Anwendung der Heeresdruckvorschrift 272 vermittelt werden. Hierfür wird auf einen Ausschnitt der Lagekarte RH 2-KART/9641 zurückgegriffen, die die Lage in Mittel-Italien am 27. Oktober 1943 abbildet.

Lagekarte von Mittelitalien am 27. Oktober 1943
Lagekarte von Mittelitalien am 27. Oktober 1943Quelle: Bundesarchiv, RH 2-KART/9641

Im westlichen Bereich des Lagekartenausschnitts sind vier Truppenteile eingezeichnet, die durch taktische Grenzen in Schwarz voneinander getrennt werden. Die blaue Farbe der taktischen Zeichen deutet auf deutsche Truppenteile hin. Anhand der verwendeten Grundzeichen, jeweils dreieckiges Fähnchen mit zwei blauen Streifen getrennt durch einen weißen Streifen, lässt sich schließen, dass es sich um Divisionen handelt. Dies wird durch die verwendeten taktischen Grenzen, aneinandergereihte Strecken getrennt durch Lücken, untermauert. Rechts neben dem taktischen Symbol befindet sich jeweils eine Nummer, die der Nummer der Division entspricht. Es handelt sich hierbei um Divisionen unterschiedlichen Typs, denn unterhalb der Grundzeichen, die die Truppenteile als Divisionen ausweisen, knüpfen diverse Grundzeichen der Waffengattungen an.

Die Division im Norden mit der Nummer „16.“ weist eine Raute unterhalb des Fähnchens auf, die für die Waffengattung der Panzer steht. Demnach handelt es sich um die 16. Panzer-Division. Das taktische Zeichen der sich weiter südlich befindende Division zeichnet sich durch das Grundzeichen der Fallschirmtruppe unterhalb des Fähnchens aus, ein geöffneter Fallschirm mit zwei gespiegelten Dreiecken am Ende. Somit lässt sich an dieser Stelle die 1. Fallschirmjäger-Division identifizieren. Unter dem taktischen Zeichen ist die Angabe „(o. 1 Rgt.)“ zu lesen. Sie steht für (ohne 1 Regiment). Somit befindet sich ein Regiment der 1. Fallschirmjäger-Division nicht im unmittelbaren Einsatzgebiet, sondern ist wahrscheinlich an einem anderen Ort stationiert. Noch weiter südlich ist ein weiterer Divisionstyp zu erkennen. Als Grundzeichen der Waffengattung wird ein Rechteck verwendet, unterhalb dessen sich links ein Kreis und rechts eine Ellipse befinden. Es symbolisiert die Panzergrenadiere und demnach handelt es sich hier um die 29. Panzergrenadier-Division. Da auch unterhalb dieser Division „(o. 1 Rgt.)“ zu lesen ist, ist davon auszugehen, dass sich ein Regiment in einem anderen Bereich aufhält als der Großteil der Division. Südlich dieses Truppenteils befindet sich ein taktisches Symbol, das mit Ausnahme der Nummer identisch mit jenem im Norden ist. Aufgeschlüsselt ergibt sich die 26. Panzer-Division.

Auf der feindlichen Seite, in diesem Fall die Alliierten, sind im zentralen Norden ein Truppenteil sowie im Osten drei weitere Truppenteile zu erkennen. Das taktische Zeichen im zentralen Norden lässt sich anhand der Heeresdruckvorschrift 272 als Artillerie identifizieren. Links davon und unmittelbar darunter befinden sich einige Abkürzungen. „Btt.“ steht für Batterie und „1 le. + 3 schw.“ für 1 leichte und 3 schwere. Demnach befinden sich im Norden eine leichte und drei schwere Batterien der Artillerie. Die sich im Osten befindenden Truppenteile werden allesamt durch dreieckige Fähnchen als Grundzeichen repräsentiert. Hierbei fällt allerdings auf, dass das nördliche der drei Fähnchen ein abweichendes Muster aufweist. Die weiße Fläche wird durch einen roten Strich zweigeteilt und demzufolge handelt es sich hierbei um eine Brigade. Unter dem Grundzeichen ist eine Raute, die für die Waffengattung der Panzer steht. Aufgrund der rechts platzierten Nummer „4.“ handelt es sich um die 4. Panzer-Brigade. Neben der Nummer ist noch der Buchstabe „e.“ erkennbar. Dieser kürzt was Wort englisch ab. Die 4. Panzer-Brigade ist somit ein englischer Truppenteil und mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte damit die 4th Armoured Brigade gemeint sein.

Bei den Truppenteilen in der Mitte und im Süden handelt es sich aufgrund der genutzten taktischen Zeichen offenkundig um Divisionen. Bei diesen ist erkennbar, dass die Grundzeichen der Waffengattungen fehlen. Gerade bei Truppenteilen der Infanterie wurde das Grundzeichen, das diese Waffengattung symbolisiert (ein Rechteckt), nicht selten weggelassen. Demnach befinden sich in der Mitte die 78. Infanterie-Division (78th Infantry Division) und im Süden die 5. Infanterie-Division (5th Infantry Division). Sie sind, wie auch die 4. Panzer-Brigade, allesamt englische Truppenteile.

Die blauen und roten Pfeile zeigen jeweils die Bewegungen von Truppenteilen. Die Bewegungen der englischen Truppenteile werden näher als „Angriffsvorbereitungen“ (abgeschnittener Text im Süden) bezeichnet.

Bei den blauen Bögen in der Nähe zu den deutschen Truppenteilen handelt es sich um Verteidigungsstellungen. Hinter diesen ist im Norden eine grüne Linie zu erkennen, die die Bezeichnung „Barbara“ aufweist. Die Linie symbolisiert die sogenannte Barbara-Linie, eine von mehreren Verteidigungslinien, die von den Deutschen in Italien errichtet wurden, um den alliierten Vormarsch aufzuhalten.

Ansprechpartner

Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv

Wiesentalstraße 10
79115 Freiburg

Telefon: 030 18 665-1149
E-Mail: militaerarchiv@bundesarchiv.de