Direkt zum Seiteninhalt springen
Zerstörte Zuckerfabrik, die als Munitionslager genutzt wird.

Zerstörte Zuckerfabrik als Munitionslager, Quelle: BArch, RH 82 Bild-00010 / Paris, Hans Joachim

Rüstung und Wehrwirtschaft im Zweiten Weltkrieg – besetzte Gebiete

Quellen und Recherchemöglichkeiten im Bundesarchiv (Abteilung Militärarchiv)

Zum Inhalt springen

Bei welchen Fragestellungen muss ich mich mit den Unterlagen der Wehrwirtschafts- und Rüstungsorganisation beschäftigen?

  • Fragen zur Zwangsarbeit von verschleppten Zivilisten und Kriegsgefangenen aus bestimmten Gebieten (Wo finde ich Informationen zum Schicksal meines Großvaters aus der Sowjetunion als Zwangsarbeiter?)
  • Fragen zur Wirtschaft und zur Versorgung der Bevölkerung in den deutsch besetzten Gebieten
  • Fragen zur wirtschaftlichen Ausbeutung der deutsch besetzten Gebiete

Welche Angaben müssen mir bekannt sein, um die Dokumente nutzen zu können?

Die Wehrwirtschafts- und Rüstungsorganisation basierte auf territorialen Zuständigkeiten und war wie alle militärischen Organisationen hierarchisch gegliedert. Dies ist für die Recherche wichtig, denn es bedeutet, dass Sie zunächst den Ihre Frage betreffenden Ort kennen müssen. Dies kann zum Beispiel der Sitz einer Firma oder der Herkunftsort bzw. der Einsatzort von Zwangsarbeitern sein.

Aufbau und Organisation der Wehrwirtschafts- und Rüstungsorganisation der Wehrmacht

Die Aufgaben des Wehrwirtschafts- und Rüstungsorganisation der Wehrmacht bestanden in der Beschaffung von Waffen und Ausrüstung für die Wehrmacht. Ferner kümmerte sie sich, neben der Bereitstellung von Rohstoffen, Arbeitskräften und Transportraum, um die Erkundung und Ausnutzung des Wirtschafts- und Rüstungspotentials der besetzten Gebiete.

Die Hauptaufgabe der Rüstungsdienststellen vor Ort bestand darin, die Wirtschaft der besetzten Gebiete für deutsche Rüstungsaufträge und zur Deckung des Bedarfs der Besatzungstruppen und der kämpfenden Truppe an der Front heranzuziehen. Ziel war die systematische Ausbeutung und Nutzbarmachung der wirtschaftlichen Ressourcen für deutsche Zwecke. Hierzu zählten unter anderem die Einrichtung von Reparaturwerkstätten, die Bereitstellung von Betriebsstoffen und Verpflegung und die Reaktivierung der Produktionsstätten nach dem Ende der Kämpfe. In ihre Entscheidungskompetenz fiel es, Betriebe zu schließen, auszuschlachten oder wieder aufzubauen, sie hatten die Verfügungsgewalt über sämtliche landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Rohstoffvorkommen, sie bestimmten über den Arbeitseinsatz und die Produktion. Entsprechend den Weisungen der übergeordneten Dienststellen organisierten sie die Erkundung und den Abtransport von Wirtschaftsgütern, Erdöl und Rohstoffen, die Aufnahme betrieblicher Produktion, den Arbeitseinsatz dienstverpflichteter Landeseinwohner und die Verschleppung sogenannter „Fremdarbeiter“ ins Reich. Hierbei wurde vor allem in der Sowjetunion der Hungertod großer Teile der örtlichen Bevölkerung nicht nur in Kauf genommen, sondern als wünschenswert betrachtet.

Die Wehrwirtschafts- und Rüstungsorganisation war wie alle militärischen Organisationen hierarchisch gegliedert. Die verschiedenen Ebenen der Befehlshierarchie kommunizierten intensiv miteinander, Befehle wurden von oben nach unten erteilt, Berichte von unten nach oben erstattet. Erfolgte diese Kommunikation schriftlich, besteht die Möglichkeit, dass sie in den Beständen des Bundesarchivs zu finden ist.

Aus diesem Grund können Informationen, die einen bestimmten Bereich betreffen, immer auch auf der jeweils nächsthöheren Ebene der Befehlshierarchie gesucht werden. Dies kann auch dann hilfreich sein, wenn von der gesuchten Stelle keine Unterlagen mehr vorhanden sind. In diesem Fall kann die nächsthöhere Ebene in die Suche mit einbezogen werden.

An der Spitze dieser sehr großen Organisation stand bis zum Mai 1942 das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt beim Oberkommando der Wehrmacht (WiRüAmt) (Ebene 1). Hier liefen alle Fäden zusammen. Der Aufbau der Organisation orientierte sich in der Regel an den schon bestehenden Strukturen im Deutschen Reich: einer Inspektion (Ebene 2) unterstanden mehrere Kommandos (Ebene 3). Die Bezeichnungen variierten je nach Zeitraum und Gebiet. Es gab Wehrwirtschaftsinspektionen, Wirtschaftsinspektionen und Rüstungsinspektionen sowie Wehrwirtschaftskommandos, Wirtschaftskommandos und Rüstungskommandos.

Jede Inspektion bzw. jedes Kommando war für ein bestimmtes Gebiet zuständig.

In Osteuropa gab es in der Organisation eine zusätzliche Ebene zwischen dem WiRüAmt und den Inspektionen und Kommandos, den Wirtschaftsstab Ost. Er stand an der Spitze der Wehrwirtschafts- und Rüstungsdienststellen in den deutsch besetzten Gebieten der Sowjetunion.

Die Organisation veränderte sich vor allem in Osteuropa häufig, abhängig vom Kriegsverlauf und der Lage der Front. Je nach Gebietsgewinn oder Gebietsverlust wurden Dienststellen neu aufgestellt, der Zuständigkeitsbereich bestehender Dienststellen erweitert, verkleinert oder Dienststellen aufgelöst.

Bestände im Bundesarchiv

Allgemeines

Die oben beschriebenen Strukturen sind im Bundesarchiv in einer Vielzahl von Archivbeständen abgebildet. Die Archivalien in diesen Beständen wurden so geordnet, dass sie die ursprüngliche Organisation möglichst weitgehend so abbilden, wie sie tatsächlich bestanden hat. Die beschriebenen Hierarchie-Ebenen Inspektion – Kommando finden sich in allen im Folgenden vorgestellten Beständen wieder. Als ergänzende Quellen zu wirtschaftlichen Fragen können auch immer die Unterlagen der deutschen Besatzungsverwaltungen hinzugezogen werden.

Westeuropa

Nordeuropa

Osteuropa

Sowjetunion

Dienststellen auf dem Gebiet der heutigen Staaten Estland, Lettland, Litauen, Belarus, Russland, Ukraine, Moldawien:

Weitere detaillierte Hinweise auf inhaltlich verwandtes Archivgut des Bundesarchivs sowie anderer Archive finden Sie in den Bestandsinformationen zum Bestand RW 31 unter dem Punkt „Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv“.

Südeuropa  und Südosteuropa

Dienststellen auf dem Gebiet der heutigen Staaten Italien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien, Montenegro Nordmazedonien, Rumänien, Moldawien, Bulgarien, Griechenland:

Dienststellen mit  Zuständigkeit für alle Länder

Als Folge der ständigen Konkurrenzkämpfe der deutschen militärischen und zivilen Dienststellen untereinander um Kompetenzen und Zuständigkeiten gingen Teile der bis dahin im WiRüAmt konzentrierten Aufgaben im Mai 1942 an das Reichsministerium für Rüstung und Bewaffnung über. Details hierzu finden Sie in den Bestandsinformationen zum Bestand RW 19 unter dem Punkt „Informationen zur Provenienz“. Die folgenden Bestände befinden sich in der Abteilung BE des Bundesarchivs in Berlin.

Sonstige Archivbestände

Welche Informationen enthalten die Unterlagen und welche Informationen nicht?

Die im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, verwahrten Sachakten militärischer Kommandobehörden, Verbände, Einheiten und Dienststellen der ehemaligen deutschen Wehrmacht und Waffen-SS sind oft nur splitterhaft überliefert, da durch Kriegseinwirkungen und auch durch Vernichtung von Schriftgut bei Feindgefahr viele Dokumente verloren gegangen sind.

Dies gilt auch für die Sachakten der meisten Rüstungsdienststellen. Jedoch wurden die Kriegstagebücher, Lageberichte und Darstellungen zur Geschichte der Rüstungsinspektionen und -kommandos schon kurz nach ihrem Entstehen sukzessive aus den jeweiligen Registraturen ausgesondert und im „Archiv der Wehrwirtschaftsstellen“ (zuletzt in Muskau in der Oberlausitz) gesammelt. Dort wurden sie von US-Truppen sichergestellt und kamen in den 1960er Jahren in das Bundesarchiv.

Ausnahmen bilden das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt (RW 19) sowie vereinzelte weitere Stellen. Hier sind auch Sachakten in größerem Umfang erhalten geblieben. Informationen dazu, welche Unterlagen einer bestimmten Stelle noch vorhanden sind, finden Sie unter dem Punkt „Inhaltliche Charakterisierung“ in den Bestandsinformationen der hier vorgestellten Bestände.

Die Kriegstagebücher reichen in den meisten Fällen von 1939 bis 1944. In ihnen wurden in chronologischer Form, ähnlich wie in einem privaten Tagebuch, alle die Dienststelle betreffenden Ereignisse festgehalten. Dabei wurden regelmäßig auch einzelne Firmen genannt sowie der Einsatz von „Fremdarbeitern“ thematisiert.

Das Schicksal von Einzelpersonen spiegelt sich in diesen Unterlagen aber in der Regel nicht wider, Namen werden fast nie genannt.

Wie bewege ich mich für meine Recherche durch diese Bestände?

Sie können selbstverständlich jederzeit in unserer Archivdatenbank invenio nach einfachen Schlagworten suchen. Diese Suche wird jedoch in nahezu allen Fällen nur wenige oder auch gar keine Archivalien zu Tage fördern, die Informationen zu Ihrer Frage enthalten können. Wir sind die Nutzung von Suchmaschinen gewöhnt, die Homepages im Internet noch jedem nur denkbaren Schlagwort durchsuchen können. Bei hand- oder maschinengeschriebenem Archivgut ist das nicht möglich. Selbst bei einer detaillierten Beschreibung des Archivgutes in unserer Datenbank können die Archivarinnen und Archivare unmöglich alle Fragen, die daran in Zukunft gestellt werden können, voraussehen und entsprechende Schlagworte vergeben.

Bitte beachten Sie daher, dass Sie in invenio nur in den beschreibenden Informationen (Erschließungsinformationen) recherchieren können, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesarchivs in die Datenbank eingegeben wurden, nicht in den Unterlagen selbst. Dies gilt auch für Bestände, die digitalisiert wurden und im Internet einsehbar sind.

Für eine gezielte Suche empfiehlt sich daher der Zugriff über den Ort bzw. die Region, zu denen Sie Informationen suchen.

Es gilt zunächst, das in der Sie interessierenden Region zuständige Kommando zu ermitteln. Im nächsten Schritt kann die Inspektion betrachtet werden, der dieses Kommando unterstellt war sowie – im Fall der Sowjetunion – der Wirtschaftsstab Ost.

Ergänzend oder für den Fall, das auf den unteren Ebenen der Organisation keine Unterlagen vorhanden sind, kann die Überlieferung des WiRüAmtes hinzugezogen werden.

Nach dieser Eingrenzung auf einige Stellen und die entsprechenden Archivbestände können Sie Ihre Recherche in unserer Archivdatenbank invenio sehr viel zielgerichteter durchführen als mit einer bloßen Schlagwortsuche.

Da es nicht möglich ist, alle in einem Kriegstagebuch vorkommenden Schlagworte in der Datenbank zu erfassen, wird auch eine Suche nach Orten, einzelnen Firmen oder Personen in der Regel zu keinem Ergebnis führen. Oft lautet der Titel der Dokumente in der Datenbank zum Beispiel nur „Kriegstagebuch“. Das bedeutet, dass Sie bei Ihrer Recherche über das Internet die Unterlagen nur auf das Kriegstagebuch einer bestimmten Dienststelle für einen bestimmten Zeitraum eingrenzen können.

Jede darüber hinaus gehende Information kann nur durch die direkte Einsichtnahme gewonnen werden. Große Teile der Unterlagen stehen digitalisiert in invenio zur Verfügung.

An welche Stellen kann ich mich außerdem wenden?

Zwangsarbeit

Falls Kriegsgefangene Zwangsarbeit leisten mussten oder nach dem Kriegsende als so genannte Displaced Persons (DP) registriert wurden, können Hinweise zu diesen Personen auch bei den Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution vorliegen.

Die Arolsen Archives sind ein internationales Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit größten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes.

Die Arolsen Archives suchen nach Spuren von NS-Verfolgten, beantworten Anfragen zu den Opfern und Überlebenden des nationalsozialistischen Terror-Regimes und helfen bis heute dabei, Familien zusammenzuführen, die durch den Holocaust, die Verfolgung von Minderheiten sowie Zwangsarbeit auseinandergerissen wurden.

Die Außenstelle des Bundesarchivs in Ludwigsburg verwahrt die Unterlagen der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“. In diesen Akten können sich auch Ermittlungsunterlagen, z. B. Aussagen von Tätern, Opfern oder Zeugen zu Verbrechen in Betrieben und Lagern, befinden.

Niederlande

Unterlagen der deutschen Besatzungsverwaltung werden auch im NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies der Niederlande verwahrt.

Dänemark

Unterlagen der deutschen Besatzungsverwaltung werden auch im dänischen Nationalarchiv (Rigsarkivet) verwahrt.

Norwegen

Unterlagen der deutschen Besatzungsverwaltung werden im norwegischen Nationalarchiv (Arkivverket) im Bestand Bestand RAFA-2174 - Tyske arkiver, Reichskommissariat, verwahrt.

Tschechische Republik

Unterlagen der deutschen Stellen im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ werden auch im zentralen Staatsarchiv der Tschechischen Republik in Prag (Národní archiv) verwahrt.

Literatur und weiterführende Informationen

Wir empfehlen Ihnen auch einen Blick in die laufend aktualisierten Angaben zur einschlägigen Forschungsliteratur in den Bestandsinformationen der vorgestellten Bestände unter dem Punkt „Literatur“.

Ansprechpartner

Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv

Wiesentalstraße 10
79115 Freiburg

Telefon: 030 18 665-1149
E-Mail: militaerarchiv@bundesarchiv.de

Beitrag zum Thema

  • Es handelt sich um ein farbiges Plakat. Darauf zu sehen ist ein junger Mann, der Kanonenmunition in der Hand hält. Auf der rechten Bildseite sind zwei Soldaten mit Helmen neben einem Geschütz abgebildet. Das Plakat ist mit einem Schriftzug in kyrillischen Buchstaben versehen.
    Geschichtsgalerie

    Wirtschaftsstab Ost 1941–1944

    Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion nahm der Wirtschaftsstab Ost seine Tätigkeit in den neu eroberten Ostgebieten auf. Erklärtes Ziel war die rücksichtslose Ausbeutung und Nutzbarmachung sämtlicher sowjetischer Wirtschaftsressourcen für die deutsche Kriegführung.