Das Bundesarchiv verzeichnet ein hohes Interesse am Schicksal von Jüdinnen und Juden, die während der NS-Zeit im Deutschen Reich lebten. Allein im Jahr 2023 gingen mehr als 1.000 Anfragen zur sogenannten Residentenliste beim Bundesarchiv ein, bis Ende April 2024 waren es bereits 500. Dabei geht es oft um Recherchen und Auskünfte für Angehörige, aus der Forschung, von amtlichen Stellen und Stolperstein-Projekten, mit denen Ermordeten an ihrem früheren Wohnort gedacht wird. Der größte Anteil entfällt aktuell auf Anfragen zur Klärung von Staatsangehörigkeitsfragen, vor allem im Zusammenhang mit der 2021 erweiterten Wiedergutmachungs-Einbürgerung. Sie ist möglich für frühere Deutsche, welche die Staatsbürgerschaft in der NS-Zeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verloren hatten oder nicht erlangen konnten - seit 2021 gibt es diese Möglichkeit auch für Nachfahren. Besonders viele Anfragen dazu stammen aus Israel.
Die Residentenliste ist zentral für entsprechende Auskünfte im Arbeitsbereich „Dokumentation der Judenverfolgung“ im Bundesarchiv. Diese „Liste der jüdischen Einwohner im Deutschen Reich 1933–1945 in den Grenzen vom 31.12.1937“ ist eine Datenbank mit dem Ziel, das Verfolgungsschicksal der Jüdinnen und Juden zu dokumentieren. Zu ihr gehören etwa 810.000 Personeneinträge mit mehr als 3,8 Millionen Belegstellen aus knapp 1.800 Quellen wie Bundesarchiv-Beständen, Publikationen, Gedenkbüchern von Städten, Regionen und Gedenkstätten sowie Daten internationaler Partnerarchive und -institutionen. Mit ihnen werden Personen- und Schicksalsangaben soweit wie möglich rekonstruiert.
Die Residentenliste basiert auch auf den „Ergänzungskarten“ der Volkszählung, die vor 85 Jahren, am 17. Mai 1939, im Deutschen Reich stattfand. Auf den Ergänzungskarten sind jeweils neben Namen, Geburtsdaten und Adressen die Abstammung und Hochschulabschlüsse verzeichnet. Die Karten, die sich heute im Bestand R 1509 („Reichssippenamt“) befinden und digital recherchierbar sind, dienten damals der vollständigen Erfassung der jüdischen Bevölkerung, um sie den NS-Rassengesetzen unterwerfen zu können. Die Ergänzungskarten geben heute Auskunft über etwa 130.000 Haushalte mit rund 277.500 Personen jüdischer Abstammung. Damit ist ein großer Teil der im Deutschen Reich vor dem Beginn der Massendeportationen und -ermordung lebenden Juden namentlich bekannt.
Anhand der Volkszählungen lässt sich der dramatische Rückgang der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich belegen: Waren bei der Zählung 1933 noch mehr als 500.000 der insgesamt 65 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner jüdisch, sank die Gesamtzahl der jüdischen Bevölkerung zum Jahresende 1937 auf 400.000 Personen (davon 140.000 in Berlin) – und gemäß der Definition der Rassengesetze auf nur noch 277.500 im Jahr 1939.
Öffentlich einsehbar ist das Online-Gedenkbuch, das auf den Angaben der Residentenliste beruht. Darin sind Einträge von etwa 180.000 ermordeten Jüdinnen und Juden zu finden, die ihren Wohnsitz in Deutschland hatten und die durch Verfolgung in der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 zu Tode gekommen sind. Das Gedenkbuch ist unter anderem in die Datenbanken wichtiger internationaler Partner eingebunden, darunter die israelische Gedenkstätte Yad Vashem und das United States Holocaust Memorial Museum in Washington (USHMM). Das Bundesarchiv ergänzt und korrigiert die Angaben in der Residentenliste und im Online-Gedenkbuch kontinuierlich. Zugleich werden noch immer Quellen neu erfasst, um Schicksalsangaben zu klären und die Qualität der Angaben weiter zu verbessern.
Auskünfte aus der Residentenliste bzw. aus Ergänzungskarten:
Benutzungsantrag an berlin@bundesarchiv.de
Zum Online-Gedenkbuch: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Für Korrekturvorschläge: Mail an gedenkbuch@bundesarchiv.de