Herkunft der Quellen
Bei den Stasi-Unterlagen handelt es sich sowohl um Quellen, die von der Geheimpolizei verfasst wurden, als auch um persönliche Dokumente der Überwachten, beispielsweise um einbehaltene Briefe und Fotos. Im Alltagsgeschäft entschied die Stasi selbständig, wen sie für verdächtig hielt, wie viele und welche Informationen sie über die "Zielperson" sammelte und welche Maßnahmen sie einleitete. Um in das Visier der Stasi zu geraten, genügten mitunter kritische Äußerungen am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder im Freundeskreis, wenn dort inoffizielle Mitarbeiter eingeschleust waren. Viele Stasi-Unterlagen wurden unter Verletzung der Menschenrechte gesammelt.
Aussagewert der Quellen
Als Geheimpolizei und Geheimdienst war das MfS an überprüfbaren und gesicherten Fakten interessiert. Die Unterlagen waren in der Regel nur für kleinste, geschlossene Kreise gedacht und dienten nicht der propagandistischen Außenwirkung des Ministeriums. Der Sachinhalt der Unterlagen ist weitgehend zuverlässig – politische oder Charaktereinschätzungen sind hingegen stets kritisch zu lesen, da sie ausschließlich die Perspektive der Stasi/der SED wiedergeben.
Oberstes Ziel aller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war der Schutz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Interpretationen, Wertungen und Schlussfolgerungen, die in den Unterlagen zum Ausdruck kommen, unterlagen diesem Ziel.
Äußere Quellenkritik – Die physische Gestalt der Quelle
Die Archivierung von IM-Vorläufen oder -Vorgängen ist im Ministerium für Staatssicherheit (MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische...) Routine gewesen. Die Häufigkeit der Archivierung rechtfertigte, dafür ein Formblatt anzufertigen.
Bei unrichtigen Informationen wurde das Blatt offenbar nicht entfernt, sondern nur korrigiert.
Per Mouseover/Mausberührung über das Bild können die Markierungen mit den Informationen ein- und ausgeblendet werden.
Innere Quellenkritik – Prüfung des Aussagewertes
Stasi-Unterlagen überliefern immer die Perspektive des MfSMinisterium für StaatssicherheitDas Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische.... Wenn in diesem Dokument zu lesen ist, dass die KD Bad Doberan den Vorgang IMS „Shenja“ 1983 archivieren wollte, weil der IMS zweimal nicht zum Treff erschienen ist, verrät dies nichts darüber, weshalb „Shenja“ nicht erschienen ist.
Der heutige Leser erfährt auch nicht, weshalb der Kontakt wieder hergestellt wurde. Aus der Akte geht hervor, dass das MfS den Kontakt wieder suchte und „Shenja“ wieder einwilligte. Was sie bewegte, fühlte oder dachte erfahren wir nur aus dem, was sie dem MfS berichtete – nicht unmittelbar von ihr.
Leitfragen zur Quelleninterpretation
Fünf Fragen können bei der Quelleninterpretation generell hilfreich sein:
- Wer hat die Quelle geschrieben?
- Weshalb wurde die Quelle geschrieben?
- Für wen wurde die Quelle geschrieben?
- Wann wurde die Quelle verfasst?
- Welchen Sachverhalt schildert die Quelle?
Stasi-Unterlagen bilden in der Regel längerfristige Überwachungen von oppositionellen Gruppierungen oder Personen ab. Zur Interpretation von Stasi-Unterlagen als Quelle ist es daher sinnvoll zusätzlich zu fragen:
- In welchem geheimdienstlichen Zusammenhang steht das Dokument? Werden zum Beispiel weitere Personen oder Vorgänge erwähnt?
- In welchem politischen Zusammenhang steht das Dokument? Spiegelt sich in ihr zum Beispiel ein besonderes Ereignis oder eine besondere politische Situation wider?
- In welchem biografischen Zusammenhang steht das Dokument? Werden zum Beispiel berufliche Entscheidungen, persönliche Motive oder Einflussnahmen auf Lebenswege genannt?
Prinzipiell ist immer zu fragen, welches Ziel die Stasi mit ihrem jeweiligen Vorgehen konkret verfolgte, welche Erkenntnis sie beispielsweise gewinnen wollte.