Versorgung der Bevölkerung mit Weihnachtsbäumen zu Kriegszeiten
Martin Bormann, Leiter der NSDAP-Partei-Kanzlei betonte in einem Rundschreiben im…
Rundschreiben der NSDAP-Partei-Kanzlei (Seite 1), 14. Dezember 1944, Quelle: BArch, NS 6/349, Image 0079
Der Rückzug der Wehrmacht an allen Fronten und der Verlust der eroberten Gebiete wirkten sich auf die Lebensmittelversorgung im Deutschen Reich aus. Dies spiegelt sich u. a. in den Akten der NSDAP-Partei-Kanzlei wider, z. B. im hier vorgestellten Rundschreiben Martin Bormanns.
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Im Herbst 1944 waren die Alliierten bis auf deutsches Gebiet vorgestoßen: Im Westen hatten amerikanische Soldaten bei Aachen erstmals die Reichsgrenze überschritten, im Osten startete die Rote Armee ihre Offensive in Ostpreußen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Versorgungslage bei der Wehrmacht und der Zivilbevölkerung im Deutschen Reich stabil. Möglich war dies aber nur durch das rücksichtslose Vorgehen der deutschen Besatzer in Osteuropa. Mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hatte Hitler einen gnadenlosen Vernichtungsfeldzug begonnen.
In Plänen, Weisungen und Richtlinien, wie dem „Generalplan Ost“ oder der „Grünen Mappe“ (Richtlinien für die Führung der Wirtschaft), formulierten die Nationalsozialisten ihre rassenideologischen und ökonomischen Ziele für die eroberten Gebiete: die Umsiedlung der einheimischen Bevölkerung, den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern (u. a. in der Landwirtschaft) und die massive wirtschaftliche Ausbeutung Osteuropas.
Bei ihren Planungen kalkulierten die Verantwortlichen den Tod von Millionen Menschen ein. Treibende Kraft hinter der menschenverachtenden Raub- und Hungerpolitik war Herbert Backe, Staatssekretär für Ernährung und Landwirtschaft. Backes rassenideologisch begründete Ausbeutungs- und Vernichtungspläne spiegeln sich u. a. in seinen „12 Geboten für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung der Russen“ (BArch, RW 31/292, Image 0016–0024) vom 1. Juni 1941 wider.
„Ihr müsst daher auch die härtesten und rücksichtslosesten Massnahmen [sic!], die aus Staatsnotwendigkeiten gefordert werden, mit Würde durchführen.“
Herbert Backe in seinen „12 Geboten“
BArch, RW 31/292, Image 0018
Eine zentrale Rolle bei der deutschen Raubpolitik in Osteuropa nahm die Wirtschaftsorganisation Ost unter Führung des Wirtschaftsstabs Ost ein. Dieser war – unter Regie des Oberkommandos der Wehrmacht – in erster Linie für die rücksichtslose Ausbeutung und Nutzbarmachung sämtlicher sowjetischer Wirtschaftsressourcen für die deutsche Kriegführung zuständig. In den allgemeinen wirtschaftspolitischen Richtlinien (BArch, RW 31/292, Image 0006–0014) der Dienststelle findet als ernährungspolitisches Ziel des Feldzugs aber auch die Versorgung der deutschen Zivilbevölkerung „auf Jahre hinaus“ Erwähnung. Die Dokumente des Wirtschaftsstabs Ost sind im Bestand RW 31 überliefert.
Die militärische Lage im Herbst 1944 und der Verlust der eroberten Gebiete zwangen das NS-Regime nun zum Handeln. In einem Rundschreiben von Dezember 1944 betonte der Leiter der NSDAP-Partei-Kanzlei, Martin Bormann, dass es notwendig sei, Wehrmacht und Zivilbevölkerung „fast restlos aus dem eigenen Raum zu ernähren“.
„Es gilt, die Erzeugung unbedingt auf der alten Höhe zu halten und im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten zu steigern.“
Martin Bormann im Rundschreiben vom 14. Dezember 1944
BArch, NS 6/349, Image 0080
Bereits einen Monat zuvor hatte Herbert Backe – inzwischen Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft – in einem Rundfunkappell auf die notwendigen Maßnahmen hingewiesen, die aufgrund der kriegsbedingten Schwierigkeiten in der Landwirtschaft zu treffen waren.
Eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der Aufgabe schrieb Bormann dem Reichsnährstand zu, mit dem die Dienststellen von Partei und Staat eng zusammenarbeiten sollten. Im Reichsnährstand hatten die Nationalsozialisten 1933 die größten landwirtschaftlichen Organisationen zwangsvereinigt. Seine zentrale Aufgabe war die Steuerung von Lebensmittelproduktion und -vertrieb.
Eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion wollte das NS-Regime mit dem Programm der „Erzeugungsschlachten“ erreichen. Das Ziel: im Kriegsfall unabhängig von Lebensmittelimporten sein. Das Konzept stammte von Herbert Backe und wurde bereits 1934 ins Leben gerufenen, jedoch bis in die 1940er Jahre fortgeführt.
Eine umfassende landwirtschaftliche Autarkie erreichte das NS-Regime mit seinen agrarpolitischen Maßnahmen zwar nie. Eine Hungersnot – wie etwa im Ersten Weltkrieg – herrschte im Deutschen Reich bis zum Kriegsende 1945 jedoch zu keinem Zeitpunkt.