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Frankfurt, a.M., den 7. Januar 1949  189 9 / 2  Allgemeiner Bericht über den Marshall-Plan für 1948  Man begegnet immer wieder der Frage, ob das Schwergewicht des Marshall-Planes im Bereiche der Politik oder der Wirtschaft zu suchen sei. Die Anschauung, es handle sich um eine rein wirtschaftliche Aktion, überwiegt - wenn auch nicht in dieser abstrakten Formulierung - bei der breiten Masse der Bevölkerung Westeuropas, die vielfach - und das gilt insbesondere für Westdeutschland - den Wunsch zum Vater des Gedankens werden lässt und dementsprechend mit dem Begriff "Marshall-Plan" die Vorstellung von gefüllten Schaufenstern verbindet, in denen die "Geschenke" aus dem reichen Kontinent jenseits des grossen Wassers zu sehen sind, die aller Not ein Ende machen sollen. Dagegen wird der Marshall-Plan von der grossen Nation des Ostens in erster Linie als "politisches Instrument" betrachtet, ein Ausdruck, welcher dort im Sinne von Machtpolitik, von kühl berechneten Massnahmen einer bestimmten Gruppe zur Sicherung ihres Einflusses verstanden wird. Aber beide Anschauungen dürften dem Wesen des Marshall-Planes nicht gerecht werden. Das europäische Wiederaufbauprogramm (European Recovery Program = ERP) ist ebensowenig eine "Liebesgabe" wie ein "Raubzug". Es ist ein Plan, der allen Ländern, welche sich in ihn hineinfügen wollen, eine "Chance" gibt, indem er die Grundlagen schafft, auf denen sich die Teilnehmerländer in vier Jahren unter Anspannung aller eigenen Kräfte wirtschaftlich erholen und von ausserordentlicher Hilfe der Vereinigten Staaten unabhängig werden sollen. Diese echt amerikanische Bereitschaft ("give him a chance") hängt allerdings untrennbar mit der Überzeugung der USA zusammen, dass wirtschaftlich gesunde Verhältnisse auch die beste Voraussetzung für die moralische und kulturelle Wiedergenesung des auch in dieser Beziehung so schwer erkrankten Europas bilden werden und dass schliesslich ein in diesem Geiste schaffendes Europa auch Amerika zum Segen gereichen muss. So gesehen ist der

Bericht über den Marshallplan 1948 (1. Seite), Quelle: BArch, B 146/189

US-Außenminister George C. Marshall verkündet Aufbauprogramm für Europa

Vor Studenten der Harvard University in Cambridge (Massachusetts) verkündete der US-Außenminister George C. Marshall die Förderung und Unterstützung zur wirtschaftlichen Wiederaufrichtung Europas nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

  • Bericht über den Marshallplan 1948 (1. Seite)

Vor Studenten der Harvard University in Cambridge (Massachusetts) verkündete der US-Außenminister George C. Marshall die Förderung und Unterstützung zur wirtschaftlichen Wiederaufrichtung Europas nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Das Aufbauprogramm umfasste sowohl finanzielle Hilfen als auch Lieferungen von Rohstoffen, Lebensmitteln und Waren für das westliche Europa.

Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutete die Durchführung des Marshall-Plans ein schnelles Ende der Reparationen gegenüber Frankreich und Großbritannien, enorme finanzielle Transferleistungen und die Beschleunigung des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Die ersten 75 von insgesamt 18.000 Güterwagen, die im Rahmen des Marshall-Planes in fünf europäischen Ländern für die Vereinigten Westzonen hergestellt werden, sind in Furth im Walde (Oberpfalz) von Mr. Norman H. Collison, dem stellv. Chef der US-Wirtschaftsmission für Zusammenarbeit, an Generaldirektor Dr. Fritz Busch von der Deutschen Reichsbahn übergeben worden. Insgesamt wurden der Deutschen Reichsbahn 30.000 Güterwagen für das nächste Jahr in Aussicht gestellt, von denen rund die Hälfte in deutschen Werkstätten gebaut werden sollen. Unser Bild zeigt den ersten der 75 fabrikneuen Güterwagen, die in der Tschechoslowakei hergestellt wurden.