![Vorlage an Bundeskanzler Schmidt: „Swing im innerdeutschen Handel, Gegenleistungen in der Vergangenheit“, 21. März 1975 Gruppe II/2 II/2 - 35020 - In 16 Bonn, den 21.03.1975 Hä. [handschriftliche Ergänzung: Ø an StäV gez. Stern] Über Herrn Abteilungsleiter II Herrn Chef BK Herrn Bundeskanzler Frau PStS hat Kopie [Unterschriftskürzel: [unleserlich]][handschriftliche Ergänzung: 21][handschriftliche Ergänzung: 25/3] [handschriftliche Ergänzung: 1) [durchgestrichen: VL/L] als Eingang zgK 2) WV A[unleserlich] II Kü 25/3 [Stempel: Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland 25. März 1975 Anlagen [Auslassung]] [handschriftliche Ergänzung: 1.) [unleserlich] 2.) ZelA 3502406 Kü 26/3] Betr.: Swing im innerdeutschen Handel; hier: Gegenleistungen in der Vergangenheit Weisungsgemäß habe ich BMWi, BMB, Landesvertretung Berlin und SPD-Fraktion (Herr Selbmann) um Prüfung gebeten, ob es zutrifft, daß zu keiner Zeit der Versuch gemacht wurde, den Swing mit Gegenleistungen der DDR zu verbinden. Aufzeichnungen des BMWi und BMB sind beigefügt (Anlagen 1-3). Danch ergibt sich folgendes Bild: 1. Bis 1962 wurde nicht versucht, für den Swing Gegenleistungen zu erhalten. Damals bewegte sich der Swing in einer Größenordnung (16-100 Mio VE), die für ein politisches Druckmittel nicht ausreichte. Er hatte im wesentlichen noch technischen Charakter zur Abwicklung des bilateralen Verrechnungsverkehrs. Daß aber auch in den 50er Jahren dem Swing immerhin gewisse politische Bedeutung begemessen wurde, zeigen Überlegungen anläßlich der Swingerhöhung 1953 wo auf das Junktim zwischen Berlinverkehr und innerdeutschen Handel hingewiesen wurde. An Gegenleistungen wurde jedoch nicht gedacht. Ein tatsächliches [unterstrichen: Junktim] wurde durch die Gegenblockade 1948 hergestellt. Durch das New Yorker Abkommen vom 04.05.1949 wurden alle Behinderungen wieder gleichzeitig aufgehoben. Danach wurde von unserer Seite bei Behinderungen des Berlinverkehrs wiederholt Druck über den innerdeutschen Handel auf die DDR ausgeübt:](/assets/bundesarchiv/de/_processed_/d/e/csm_BArch_B_288__426_3_Swing_Vorlage_Helmut_Schmidt_201dd3ac9a.jpg)
Vorlage an Bundeskanzler Schmidt: „Swing im innerdeutschen Handel, Gegenleistungen in der Vergangenheit“, 21. März 1975, Quelle: BArch, B 288/426, Image 3
1975: Der Swing im innerdeutschen Handel
Der innerdeutsche Handel überlebte vierzig Jahre deutscher Teilung ziemlich ungeschoren. Kein politisches Ereignis brachte den Warenaustausch zum Stillstand. Erst in den 1960er Jahren setzte die Bundesrepublik den Swing verstärkt als politisches Druckmittel gegenüber der DDR ein.
1975: Der innerdeutsche Handel überlebte vierzig Jahre deutscher Teilung ziemlich ungeschoren. Kein politisches Ereignis brachte den Warenaustausch zum Stillstand. Erst in den 1960er Jahren setzte die Bundesrepublik den Swing verstärkt als politisches Druckmittel gegenüber der DDR ein.
Seit Gründung der beiden deutschen Staaten gab es den innerdeutschen Handel. Das am 8. Oktober 1949 unterzeichnete Abkommen überlebte internationale und innerdeutsche Krisen. Weder der Korea-Krieg 1950, die niedergeschlagenen Aufstände am 17. Juni 1953 in der DDR, der Mauerbau 1961, der Prager Frühling 1968 noch das Öl-Embrago 1973 schadeten den innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen dauerhaft. Der Überziehungskredit - Swing genannt -, den die Bundesrepublik Deutschland der DDR immer wieder zeitlich befristet gewährte, wurde seit den 1960er Jahren von der Bundesregierung zunehmend versucht, als Instrument zur Erreichung politischer Ziele einzusetzen.
Nach zähen Verhandlungen kam es am 12. Dezember 1974 zur Unterzeichnung der neuen Swingvereinbarung zwischen der Treuhandstelle für den Interzonenhandel und dem Ministerium für Außenhandel der DDR. Sie verlängerte die Vereinbarung vom 6. Dezember 1968, die den Swing für die Jahre 1969 bis 1975 wesentlich erhöhte. Mit der Anhebung des Swings ab 1969 wollte die Bundesregierung den Handel anregen, in dem sie die Höhe des Überziehungskredits von der Höhe der Leistungen der DDR abhängig machte und ihr einen zinslosen Kredit für die Dauer von sieben Jahre einräumte. Die neue Vereinbarung vom Dezember 1974 verlängerte die Abmachung aus dem Dezember 1968 bis zum Jahre 1981 mit einem Kreditrahmen von 600 bis 800 Millionen Verrechnungseinheiten.
Im Januar 1975 richtete der Bundestagsabgeordnete Abelein (CDU/CSU-Fraktion) eine Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft, ob es zulässig sei, dass die Deutsche Bundesbank der Staatsbank der DDR in dieser Größenordnung unverzinsliche Kredite in Form des Swings gewährt. Nach Beantwortung dieser Anfrage am 22./23. Januar 1975 und der Aussprache über den Bericht zur Lage der Nation am 30. Januar 1975 erteilte Bundeskanzler Schmidt den Auftrag zu prüfen, inwieweit die Bundesregierung in der Vergangenheit den Swing mit Gegenleistungen der DDR in Verbindung gebracht hat. Der Leiter der Abteilung II Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen im Bundeskanzleramt, Sanne, forderte daraufhin am 4. Februar 1975 unter anderem das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen und das Bundesministerium für Wirtschaft zur Stellungnahme auf. Am 21. März 1975 legte die im Bundeskanzleramt zuständige Gruppe II/2 dem Bundeskanzler das Ergebnis vor.
Hanns Jürgen Küsters