„Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer“ – Der 20. Juli 1944
Eine Geschichtsgalerie mit Blick auf das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler, auf die Beteiligten, die Konsequenzen und die Rezeption in der Bundesrepublik.
Quelle:
BArch, Bild 183-C0720-0024-001 / Spremberg, Joachim
Die erinnerungspolitische Einordnung des gescheiterten „Stauffenberg-Attentats“ vom 20. Juli 1944 stellte die DDR vor eine Herausforderung: Im Zentrum des Gedenkens sollte der kommunistische Widerstand gegen den Nationalsozialismus stehen. Die Widerstandskämpferinnen und -kämpfer des 20. Juli entstammten aber vorwiegend dem konservativen Adel und Militär.
Als „große, vaterländische Tat“ hatte der kommunistische Funktionär Anton Ackermann das Attentat auf Hitler schon wenige Tage nach der Tat bewertet (Dok. 1) – trotzdem wurde der 20. Juli 1944 für die DDR-Erinnerungspolitik ein schwieriges Datum. Grund dafür war ein festgefügtes Denkschema über die Rolle des Nationalsozialismus und des gegen ihn gerichteten Widerstandes. „Konsequentester Träger des Antifaschismus ist die Arbeiterklasse mit ihrer marxistisch-leninistischen Partei an der Spitze“, so formulierte es das Kleine politische Wörterbuch des SED-eigenen Dietz Verlags 1978. Anderen Gesellschaftsgruppen stand es dabei frei, sich hinter der Arbeiterklasse unter Führung der SED einzureihen.
Eine diesen Vorgaben entsprechende Widerstandsgruppe aus kriegsgefangenen deutschen Militärangehörigen hatten deutsche und sowjetische Kommunisten im Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und dem „Bund deutscher Offiziere“ 1943 selbst geschaffen. Die Verschwörer des 20. Juli – vor allem adelige Offiziere, christlich gebundenes Bürgertum und einige Sozialdemokraten – wurden hingegen bis weit in die 1950er Jahre in der DDR als Verteidiger eines imperialistisch-reaktionären Deutschland dargestellt, die den bevorstehenden Sieg der Sowjetunion genauso verhindern wollten, wie einen antifaschistischen Volksaufstand (Dok. 2).
Dieses Bild wurde ab den 1960er Jahren differenzierter gezeichnet: Man begann, die Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und einzelne Mitglieder des Kreisauer Kreises gedanklich von den Konservativen um Carl Friedrich Goerdeler und Wilhelm Canaris zu trennen. Stauffenberg und seine Mitstreiter wurden in dieser Sichtweise zu Gleichgesinnten des kommunistisch geführten antifaschistischen Widerstands, wenn man ihnen nicht sogar Beziehungen zum Nationalkomitee „Freies Deutschland“ zuschrieb. Und so konnte die SED-Parteizeitung „Neues Deutschland“ ihren Bericht über die Gedenkveranstaltungen zum 20. Jahrestag des Attentats 1964 unter die trotzig-triumphierende Überschrift stellen: „Er gehört zu uns“ (Dok. 6).
Bei der Feier zum 20. Jahrestag der Gründung des demokratischen Blocks stellte Walter Ulbricht in seiner Rede Stauffenberg und weitere Personen im Umkreis des 20. Juli in eine Reihe mit Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid, zentralen Opfern der NS-Verfolgung von KPD und SPD und machte sie so zu Ahnen des SED-geführten Mehrparteiensystems der DDR (Dok.8). Diese Perspektive auf den 20. Juli blieb bis zum Ende der SED-Herrschaft in der DDR prägend (Dok. 10).
So ist das Stauffenberg-Gedenken der DDR immer auch als Antwort und Gegenentwurf zu der Rolle zu verstehen, die der 20. Juli im Gedenken der Bundesrepublik einzunehmen begann.
Mit der ersten freigewählten DDR-Regierung fand Stauffenbergs Tat auch Eingang in das offizielle Gedenken der Nationalen Volksarmee: Die Nationale Volksarmee der DDR war in der Zeit der SED-Herrschaft darauf vereidigt, „auf Befehl der Arbeiter- und Bauern-Regierung“ die DDR gegen jeden Feind zu schützen. Die freigewählte Volkskammer ersetzte diese Eidesformel am 26.4.1990 durch eine neue ohne SED-Bezug. Die Vereidigung erfolgte bewusst am Jahrestag des 20.7.1944 (Dok. 12-13).
Bernd Isphording