Historischer Hintergrund
Im Sommer 1944 war die Rote Armee im Rahmen ihrer Großoffensive (Operation „Bagration“) bis nach Polen vorgestoßen. Als sie kurz vor Warschau stand, sah die Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa) unter dem Kommando von General Tadeusz Komorowski ihre Zeit gekommen: Sie erhob sich gegen die Deutschen, die die Stadt seit Oktober 1939 besetzt hielten und die Bevölkerung brutal unterdrückten. Die Heimatarmee wollte Warschau zurückerobern, bevor die Rote Armee die Stadt erreichte, um die eigene, nationalpolnische Stellung zu stärken und eine von Stalin angestrebte kommunistische Regierung zu verhindern.
Beginn des Aufstands
Am 1. August 1944 brachen die Kämpfe aus. Die Heimatarmee konnte – unterstützt von kommunistischen und jüdischen Überlebenden des Warschauer Ghettos – zunächst Erfolge erzielen und große Teile der Stadt westlich der Weichsel erobern. Doch schon bald geriet sie in die Defensive. Grund dafür war v. a. die zurückhaltende Unterstützung der Aufständischen durch die Alliierten.
Die Royal Air Force warf zwar Versorgungsgüter und Waffen über der polnischen Hauptstadt ab (die zu großen Teilen jedoch den Deutschen in die Hände fielen). Die Sowjetunion aber versagte der Heimatarmee ihre Unterstützung komplett und sah den Kämpfen vom gegenüberliegenden Weichselufer aus tatenlos zu. Stalin wollte einen Sieg der nationalpolnischen Bewegung und die Bildung einer antikommunistischen Regierung um jeden Preis verhindern.
Die Rache der Besatzer
Wehrmacht, SS- und Polizeieinheiten reagierten mit größter Brutalität auf den Aufstand: Sie verwüsteten die Stadt und verübten zahlreiche Massaker. SS-Einsatzkommandos unter Heinz Reinefarth und Oskar Dirlewanger erschossen Zehntausende Zivilistinnen und Zivilisten. Doch trotz großer Verluste führte die Heimatarmee ihren Kampf gegen die deutschen Besatzer weiter.
Erst am 2. Oktober 1944 kapitulierte General Komorowski. Bis zu 200.000 Polinnen und Polen waren tot und für die Überlebenden waren die Schrecken nicht vorbei: Nach der Kapitulation der Heimatarmee deportierten die Deutschen Hunderttausende Menschen in Konzentrationslager oder als Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter ins Deutsche Reich. Brand- und Sprengtrupps machten Warschau auf Befehl von Reichsführer-SS Heinrich Himmler dem Erdboden gleich. 63 Tage nach Ausbruch der größten organisierten Widerstandsaktion gegen das NS-Regime im Zweiten Weltkrieg war das ehemalige „Paris des Ostens“ fast vollständig zerstört und verlassen.
Foto-Überlieferung im Bundesarchiv
Der Warschauer Aufstand ist fotografisch umfangreich überliefert – sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite. Der Blick der Besatzer spiegelt sich in den Fotografien der Propagandakompanien (PK) wider, die im Bundesarchiv überliefert sind. Deren „Bildberichter“ waren größtenteils professionelle Fotografen im Dienst der Wehrmacht und Waffen-SS.
Die deutsche Propagandafotografie unterlag einer strengen Zensur durch militärische Stellen sowie das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP). Auf diese Weise garantierten die Verantwortlichen, dass Medien im In- und Ausland nur politisch gewünschte Motive publizierten.
Die Fotos sollten die Taten der deutschen Soldaten hervorheben und heroisieren, die Moral an der Front und der „Heimatfront“ stärken und abschreckende Wirkung auf die Kriegsgegner erzielen. Fotos von toten, verstümmelten oder traumatisierten deutschen Soldaten sowie Zivilistinnen und Zivilisten schafften es nicht durch die Zensur.
Viele dieser Aspekte zeigen sich beispielhaft an den folgenden Fotos aus den Beständen „Bild 101 I“ und „Bild 146“. Vor dem Hintergrund ihres Entstehungskontextes und ursprünglichen Zwecks müssen sie stets mit kritischem Blick betrachtet werden.
Hinweis: Ob ein Foto der Propagandakompanien tatsächlich veröffentlicht wurde, ist nur dann nachweisbar, wenn es als Abzug in den Bestand einer Agentur übernommen wurde (hier „Bild 146“). Ist ein Veröffentlichungsdatum überliefert, finden Sie einen entsprechenden Hinweis in der Galerie unter „Info“.
Bestand „Bild 101 I – Propagandakompanien der Wehrmacht – Heer und Luftwaffe“
Die Fotos des Bestands „Bild 101 I“ sind als Negative im Bundesarchiv überliefert. Sie zeigen Kriegsgerät sowie deutsche Soldaten verschiedener Waffengattungen im Einsatz, in Kampfpausen oder Lagebesprechungen. Bestimmte Motive, die für die Propaganda besonders wertvoll waren, tauchen wiederholt auf. Dazu zählen z. B. der Mörser „Karl“ oder der ferngesteuerte Sprengpanzer „Goliath“, die das NS-Regime als militärische „Wunderwaffen“ präsentierte.
Neben militärischen Motiven fotografierten die „Bildberichter“ auch flüchtende Zivilistinnen und Zivilisten.
Weitere Bilder zum Warschauer Aufstand im Bestand „Bild 101 I“ finden Sie unter diesem Link.
Bestand „Bild 146 – Sammlung von Repro-Negativen“
Die im Bundesarchiv überlieferten Fotos des Bestands „Bild 146“ sind Abzüge der PK-Fotos aus dem Bestand der Agentur „Transocean“. Diese war dem RMVP unterstellt und verbreitete die deutschen Propagandabilder im Ausland, insbesondere in verbündeten und neutralen Staaten.
Auch die Aufnahmen aus dem Bestand „Bild 146“ zeigen kämpfende Soldaten sowie fliehende Zivilistinnen und Zivilisten im zerstörten Warschau. Hinzu kommen Aufnahmen von verletzten und kapitulierenden Aufständischen als Kontrast zu den als siegreich und „heldenhaft“ dargestellten Wehrmachtssoldaten.
Im Gegensatz zu den Fotos im Bestand „Bild 101 I“ sind hier auch Originaltitel überliefert, die ein wiederkehrendes Narrativ aufweisen: London und Moskau als Urheber des Aufstands und die Deutschen als „Befreier“ der Warschauer Bevölkerung. Die brutalen Repressionen gegen die Polinnen und Polen während und nach der Niederschlagung des Aufstandes spiegeln sich weder in den Originaltiteln noch auf den Fotos selbst wider.
Die Originaltitel finden Sie in der Galerie unter „Info“.
Weitere Bilder zum Warschauer Aufstand im Bestand „Bild 146“ finden Sie unter diesem Link.