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Reihenaufnahmen für Abblätterbücher mit tanzenden Kindern, 1896

Eine Partie Kalabrias – Reihenaufnahmen für Abblätterbücher, 1896, Quelle: BArch, N 1435 Bild-092-005 / Max Skladanowsky

Max Skladanowsky – Glasmaler, Tüftler oder Filmpionier

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Hintergrundinformationen

Max Skladanowsky gilt, nicht ganz unumstritten, als deutscher Erfinder des Films. Ihm gelang mit seinem „Wintergartenprogramm“ am 1. November 1895 im Berliner Varieté Wintergarten vor zahlendem Publikum die erste öffentliche Filmvorführung in Europa. Mit dieser Galerie möchte das Bundesarchiv an den Wegbereiter des deutschen Films erinnern und seinen schriftlichen und fotografischen Nachlass sowie das neue Online-Findbuch zum Bestand vorstellen.

  • Max Skladanowsky und der am 1. November 1895 zum ersten Male öffentlich in Gebrauch genommene Original-Film-Projektor „Bioscop“, 1936

  • Erlaubnisschein für Carl Theodor Skladanowsky zur Vorführung von Nebelbildern in der Zeit vom 19. bis 21. Oktober 1887 in Frankfurt am Main.

  • Die Gebrüder Skladanowsky gastierten mit ihrem elektro-mechanisch-pyrotechnischen Wasserschauspiel-Theater im Februar 1893 in Frankfurt am Main; Anzeige des Programms des ersten Frankfurter Orpheum vom 1. bis 16. Februar 1893

  • Patenturkunde Nr. 88599 über die „Vorrichtung zum intermittierenden Vorwärtsbewegen des Bildbandes für photographische Serien – Apparate und Bioskope“ vom 1. November 1895 (1. Seite)

  • Anzeige im Berliner Lokal-Anzeiger mit der Ankündigung des ersten Auftritts Max Skladanowskys im Berliner Wintergarten, 1895

  • „Apotheose“, eine gefilmte Verbeugung der Gebrüder Skladanowsky; Filmstreifen aus dem ersten Film der Brüder Max und Emil Skladanowsky, dem „Wintergartenprogramm“

  • Werbezettel für einen Sterescop-Apparat mit auswechselbaren Filmen aus dem Jahr 1929

  • Zensurkarte vom 2. Dezember 1929 für das Lustspiel „Die Fliegenjagd oder die Rache der Frau Schulze“

  • Nachruf im Berliner Lokal-Anzeiger vom 1. Dezember 1939

  • Bioscop II, der erste deutsche Filmprojektor mit Malteserkreuz und Hinterblende aus dem Jahre 1896

  • Das Programm vom 1. November 1895 wurde auf einer Schautafel angezeigt.

  • Nachweis über die Gebührenzahlung für die Gebrauchsmusteranmeldung vom 20. September 1897

  • „Eine Holländische Mühle im Winter“ – Nebelbild gerahmt, 4 Zoll Einzelbilder beweglich, Rückseite, zwischen 1879 und 1897

  • Handschriftliches Verzeichnis der Nebelbildervorträge der Brüder Skladanowsky, undatiert

  • Max Skladanowsky mit seiner zweiten Ehefrau Else und Tochter Gertrud, etwa 1896

  • Historische Kino- und Filmsammlung aus den Jahren 1892-1897, aufgenommen 1929

Max Richard Skladanowsky wurde am 30. April 1863 in Berlin als viertes Kind von Carl Theodor und Luise Auguste Ernestine Skladanowsky geboren. Nach der Schule begann er 1877 seine Ausbildung zum Fotografen und Glasmaler im fotografischen Atelier Werner in der Alten Schönhauser Straße 24 und beim Glasmaler und Lithografen Dehn in der Schönhauser Allee 48 in Berlin. Es folgte 1879 die erste Anstellung in der Abteilung für Nebelbilder und Nebelbildapparate in der Theaterapparatefabrik von Willy Hagedorn in Berlin. Im 1879 gegründeten Familienunternehmen mit Vater Carl und seinem jüngeren Bruder Emil war der Tüftler Max für die Technik zuständig. Er stellte mechanisch bewegte Nebelbilder her, die er zusammen mit seinem Vater in Berlin und auf Tourneen durch Deutschland und Europa vorstellte. Die erste Nebelbildvorführung fand am 18. November 1879 im großen Saal der Berliner Flora, dem späteren Apollo-Theater in der Friedrichstraße 218, statt.

Nach dem Rückzug des Vaters aus dem Familienunternehmen führten es die Brüder Max und Emil weiter und entwickelten neue Attraktionen, z. B. ein elektrisch-mechanisch-pyrotechnisches Wasserschauspiel-Theater. Mit der Qualität der gemalten Nebelbilder unzufrieden, experimentierte Max Skladanowsky mit fotografischen Bildsequenzen. Seinem großen Ziel, Bilder in Bewegung zu versetzten, kam er 1894 näher, als er mit seiner selbstgebauten Kamera „Kurbelkiste I“ und einem neuen Rollfilm von Kodak seinen Bruder Emil aufnimmt. Die Bilder wurden auf Papierstreifen kopiert und einzeln hintereinander gelegt. Beim Durchblättern kam, wie nach dem Prinzip des Daumenkinos, Bewegung in die Aufnahmen.

Ein Jahr später gelang Max Skladanowsky dann die Projektion von bewegten Bildern mit seinem ersten Projektionsapparat, genannt „Bioscop“. Am 1. November 1895 fand die erste öffentliche Vorführung im Berliner Varieté Wintergarten statt. Das etwa 15-minütige Programm, bestehend aus acht kurzen Filmstreifen, wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. In den Jahren 1896/97 gaben die Brüder Skladanowsky zahlreiche Gastspiele in Deutschland und dem benachbarten Ausland. Sie ergänzten ihr Programm um neu aufgenommene „komische Szenen“ und Stadtszenen aus Berlin. Nach der letzten Vorstellung am 31. März 1897 in Stettin begann Max Skladanowsky sich verstärkt dem Vertrieb von Abblätterbüchern und dreidimensionalen Bildern zu widmen. Max Skladanowsky ließ sich seine Erfindung, das „Bioscop“, 1895 patentieren.

In den Folgejahren gründete Max Skladanowsky wechselnde Firmen und versuchte auf verschiedenen Wegen vom rasanten Aufstieg der Kinematografie zu profitieren. Ihm war wenig Erfolg beschieden. Auch seine Lustspiele „Eine Fliegenjagd oder die Rache der Frau Schulz“ und „Die moderne Jungfrau von Orleans“ wurden wenig beachtet. Emil Skladanowsky trennte sich 1897 von seinem Bruder Max und zog mit der Wandeldekoration und dem Wasserschauspiel-Theater weiter. Er und Max Skladanowsky gerieten in geschäftliche Auseinandersetzungen, die die Urheberrechtskammer Berlin erst 1930 zugunsten von Max Skladanowsky entschied.

Von der Filmwelt fast vergessen starb Max Skladanowsky am 30. November 1939 in Berlin. Er fand auf dem Pankower Friedhof seine letzte Ruhestätte Eine Ehrentafel der Stadt Berlin befindet sich an seinem Wohnhaus in der Waldowstraße 28 in Berlin-Niederschönhausen. Unweit von dort wurde 1951 die Wrangelstraße in Skladanowskystraße umbenannt. Nach dem Tod von Max Skladanowsky führte sein Sohn Erich die Firma „Projektion für Alle“ (später: Lichtbilder- und Filmverlag „Projektion für Alle“) bis zu seiner Einberufung während des 2. Weltkriegs weiter.

 

Das Wintergartenprogramm

Kontaktabzüge und Szenenfotos zum italienischen Bauerntanz für das Bioscop
Kontaktabzüge und Szenenfotos zum italienischen BauerntanzQuelle: BArch, N 1435 Bild-092-024 / Max Skladanowsky

Die Vorstellung wurde mit Klavierstücken begleitet. Das Programm bestand aus kurzen Filmsequenzen, die die Vorführung bekannter Artisten und Varietékünstler zeigen: „Italienischer Bauerntanz“ mit der Kindergruppe Ploetz-Larella, „Komisches Reck“ mit den Milton Brothers, „Das boxende Känguruh“ mit Mr. Delaware, „Der Jongleur“ mit Paul Petras, „Akrobatisches Potpourri“ mit der Gymnastiker-Familie Grunato, dem russischen Nationaltanz „Kamarinskaja“ mit den drei Gebrüdern Tscherpanoff, „Serpentintänzerin“ mit Mademoiselle Ancion, „Ringkampf“ mit Greiner und Sandow und „Apotheose“, eine gefilmte Verbeugung der Gebrüder Skladanowsky vor ihrem Publikum. Mit einer selbst gebauten Kamera hatte Max Skladanowsky im Sommer 1895 diese Szenen an verschiedenen Orten Berlins aufgenommen. In Anzeigen wurde die Vorführung des „Bioscop“ als „interessanteste Erfindung der Neuzeit“ angekündigt. Den Begriff „Wintergartenprogramm“ prägte Max Skladanowsky erst viel später.

Das Bundesarchiv, Filmarchiv hat 1995 in Zusammenarbeit mit der „Stiftung Deutsche Kinemathek“ die erhalten gebliebenen Einzelsequenzen restauriert und unter dem Titel „Das Wintergartenprogramm der Gebrüder Skladanowsky“ zusammengesetzt. Die Filme sind zwischen 6 und 16 Sekunden lang und werden in der vorliegenden Fassung jeweils einmal wiederholt. Standbilder markieren den Beginn und das Ende einer Szene. Die Zwischentitel sind den Glasdias nachempfunden, die ursprünglich während des Filmwechsels eingeblendet wurden.

"Finale" - Klavierpartitur zum Wintergartenprogramm, 1895
„Finale“ – Klavierpartitur zum Wintergartenprogramm, 1895Quelle: BArch, N 1435/100

Abblätterbücher

Reihenaufnahmen für Abblätterbücher mit tanzenden Kindern, 1896
Eine Partie Kalabrias – Reihenaufnahmen für Abblätterbücher, 1896Quelle: BArch, N 1435 Bild-092-005 / Max Skladanowsky

Sie sind nur wenige Zentimeter breit, lassen Betrachter in nostalgischen Erinnerungen schwelgen und lösen im spielerischen Umgang mit ihnen Begeisterung und Freude aus: die Daumenkinos, in Deutschland auch „Abblätterbücher“ oder „Taschenkino“ genannt. Es ist nicht eindeutig feststellbar, wann Abblätterbücher entstanden sind. Bereits im 18. Jahrhundert gab es Abblätterbücher mit gezeichneten Phasenbildern. Im Spielzeughandel wurden sie um 1760 verkauft. Der „Kineograph“ des Engländers Linnett ist das erste belegbare Daumenkino und wurde 1868 zum Patent angemeldet. Das Abblätterbuch ermöglicht dem Betrachter, Sequenzen von Einzelbildern als fortlaufende Bilderfolge zu sehen. Durch das schnelle Abblättern dieser zusammengehörenden Phasen-Bilder entsteht die Illusion einer Bewegung. 1894 konnte auch Max Skladanowsky seine mit der Filmkamera „Kurbelkiste I“ aufgenommenen ersten Probeaufnahmen zunächst nur als Abblätterbuch sehen, da es noch keinen Projektor gab.

Nebelbilder

Nebelbilder waren im 19. Jahrhundert meist gemalt. Später waren es Fotografien, die koloriert wurden. Ihr Trägermedium war Glas. Die Nebelbilder wurden durch zwei nebeneinander aufgestellte Nebelbildapparate, zum Beispiel einer Laterna Magica, hervorgebracht. War das Linsenrohr des einen Apparats verschlossen, war nur das Bild des anderen Apparates sichtbar. Wurde dann mithilfe eines einfachen Mechanismus die Mündung des ersten Apparates allmählich aufgedeckt und die zweite Mündung dabei verschlossen, verschwand das vorhandene Bild langsam. Das neue Bild trat ebenso langsam hervor. Es schien, als ob sich das eine Bild in das andere verwandelt. So konnten gegenständliche Bilder, aber auch Schrift, Farbenspiele oder Ornamente auf eine Projektionsfläche, meist eine Leinwand, geworfen werden. Zur Beleuchtung wurde meist Kalklicht, später elektrisches Licht verwendet.

Die Vorführungen fanden auf Jahrmärkten, in Wirtshäusern, auf Messen oder in Varieté-Theatern statt und konnten bis zu zwei Stunden dauern. Musik begleitete und ein Rezitator kommentierte die Bilder und bezog auch das Publikum mit ein. 

Manuela Lange und Aileen Tomzek

„In den Wunderländern der Ruinen und Pyramiden: An den Ufern des Nils“ – Nebelbild ungerahmt, 4 Zoll Einzelbilder 11,7 x 11,7 cm, zwischen 1879 und 1897
„In den Wunderländern der Ruinen und Pyramiden: An den Ufern des Nils“ – Nebelbild ungerahmt, 4 Zoll Einzelbilder 11,7 x 11,7 cm, zwischen 1879 und 1897Quelle: BArch, N 1435 Bild-15-4-048 / Max Skladanowsky

Quellen

Nachlass Max Skladanowsky. Bestand N 1435.- Findbücher des Bundesarchivs, Bd. 49, bearbeitet von Undine Völschow, Koblenz 1995

Egbert Koppe: Das Wintergartenprogramm der Gebrüder Skladanowsky Brandes, Harald, u. Evelyn Hampicke: Das Wintergartenprogramm der Gebrüder Skladanowsky : über eine ungewöhnliche Rekonstruktion und Restaurierung zum 100. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Heft 3, 1995