
Urteil des 2. Senats des Volksgerichtshofs gegen Otto und Elise Hampel, 22. Januar 1943, Quelle: BArch, R 3018/36, Image 23
Otto und Elise Hampel und der Widerstand "einfacher" Leute gegen das NS-Regime
Dem Nationalsozialismus gegenüber zunächst nicht grundsätzlich abgeneigt, begehrte das Berliner Arbeiterehepaar Hampel auf, als Elises Bruder Kurt Lenne 1940 als Soldat auf dem Feldzug gegen Frankreich den "Heldentod" starb.
Hintergrundinformationen
Dem Nationalsozialismus gegenüber zunächst nicht grundsätzlich abgeneigt, begehrte das Berliner Arbeiterehepaar Hampel auf, als Elises Bruder Kurt Lenne 1940 als Soldat auf dem Feldzug gegen Frankreich den "Heldentod" starb.
Wie die Geheime Staatspolizei ermitteln sollte, verteilten die Hampels im Zeitraum von 1940 bis 1942 in Berlin über 200 "Hetzschriften". Es handelt sich dabei um Postkarten oder Flugschriften etwas größeren Formats, die mit Blockbuchstaben beschriftet sind und zum Sturz des Regimes aufriefen.
Orthographisch zwar ungelenk, doch inhaltlich von unzweideutiger Schärfe, klagten Otto und Elise Hampel die Entrechtung der Menschen in Form des Verlusts von innerer Freiheit und sozialer Rechte sowie die Verbrechen des Krieges und den Massenmord an.
Nach langwierigen polizeilichen Ermittlungen zu den häufig als "Freie Presse" überschriebenen Flugschriften fiel der Verdacht auf Otto Hampel, nachdem an dessen Arbeitsstätte, den Siemenswerken, eine Postkarte aufgefunden worden war. Schließlich denunziert und in flagranti erwischt, wurden die Hampels am 20. Oktober 1942 festgenommen und von der Geheimen Staatspolizei verhört.
Beide waren geständig, und es erwies sich, dass es sich um einen Alleingang zuvor vollkommen unauffällig, zurückgezogen lebender Bürger ohne besonderen politischen Impetus handelte. Die Hauptverhandlung vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofs fand am 22. Januar 1943 statt und endete mit dem Todesurteil gegen Elise und Otto Hampel.
Alle Gnadengesuche wurden zurückgewiesen. Dass sich die Eheleute sowie stellvertretend für sie ihre Rechtsvertreter und Familienangehörigen im Angesicht der bevorstehenden Hinrichtungen noch gegenseitig die Hauptschuld zuzuschieben versuchten, konnte keinen der beiden noch retten.
Am 8. April 1943, einem Donnerstag, wurden Otto und Elise Hampel in der Richtstätte des Strafgefängnisses Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil enthauptet.
Die Akten über den Fall Hampel können Sie im Bundesarchiv im Original lesen. Die Digitalisate der Prozessakten finden Sie online im Recherchesystem invenio des Bundesarchivs unter der Signatur R 3018/36.
Die Hampels sind nur ein Beispiel unter tausenden von Personen, die während der NS-Zeit vom Volksgerichtshof wegen "Hoch- und Landesverrats" sowie "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode verurteilt wurden.
Die Kriegssonderstrafrechtsverordnung als Teil des Militärstrafrechts diente nicht nur der Disziplinierung von Wehrmachtsangehörigen, sondern auch von Zivilpersonen. Eine besondere Rolle spielten dabei die Paragraphen 5 und 5a zur so genannten "Wehrkraftzersetzung".
Das Ausmaß der Verurteilungen wegen "Wehrkraftzersetzung" gegen Zivilpersonen ist weniger öffentlich präsent als das Wirken der Wehrmachtsjustiz. Der Volksgerichtshof trat hierbei maßgeblich in Erscheinung. Dessen wertvolle und umfangreiche Überlieferung wurde im Bundesarchiv archivfachlich aufbereitet.
Die Akten der Schriftgutbestände R 3016 (Volksgerichtshof), R 3017 (Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof) und R 3018 (Sammlung "Nationalsozialistische Justiz") sind nach den Vorgaben des Bundesarchivgesetzes zugänglich.
Besondere Aussagekraft besitzen die Prozessakten des Oberreichsanwalts. Sie gelangten 1990 aus verschiedenen Archiven der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland in das Bundesarchiv. Im Rahmen der Integration und Bearbeitung der Bestände R 3017 und R 3018 wurden diese Einzelfallakten vollständig verzeichnet.
Im Gegensatz zum Schicksal vieler anderer Verfolgter des Regimes, die in die Mühlen der NS-Justiz gerieten, erlangte der Fall Hampel öffentliche Aufmerksamkeit. Der Grund dafür ist, dass der Schriftsteller Hans Fallada die Geschichte von Otto und Elise Hampel als Vorlage für seinen Roman "Jeder stirbt für sich allein" verwendete.
Der Dichter, erste Präsident des "Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" und spätere Kulturminister der DDR Johannes R. Becher hatte Fallada Unterlagen aus den Prozessakten als Quelle zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1947 erschienen, damals noch nach den Maßgaben der zeitgenössischen "kulturpolitischen Korrektheit" zensiert, wurde der Roman 2011 erstmals in ungekürzter Fassung vom Aufbau Verlag veröffentlicht.
Lesen Sie auch unsere Beiträge zur Institution des Volksgerichtshofs, zur Überlieferungsgeschichte und zur Bereitstellung der Akten im Bundesarchiv.
Der Beitrag zu den Strafprozessen des Volksgerichtshofs zeigt anhand des Falles Hampel den Ablauf eines solchen Gerichtsverfahrens wegen "Wehrkraftzersetzung" exemplarisch auf.
Beachten Sie bitte auch unsere Hinweise zur Recherche der Prozessakten des Volksgerichtshofs sowie die "kleine Aktenkunde" zum Fall Hampel.
Sabine Dumschat und Andreas Grunwald